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Alle Termine für den 19.01.2017

Café

Donnerstag, 19.01.2017, Einlass: 20:00 Uhr, Beginn: 21:00 Uhr

Astronautalis

Astronautalis
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Es klingt vielleicht übertrieben, aber ganz ehrlich gibt es da draußen gerade niemanden wie ASTRONAUTALIS. Während er nebenbei als Reiseschriftsteller, Photograph und Harley Fahrer von sich reden macht und unbestritten der erste Rapper war, der auf der Biennale in Venedig nicht nur performte, sondern auch ausstellte, hat der umtriebige Wortakrobat seinen Hybrid aus Hip Hop, Indierock und Punk über ein Jahrzehnt lang auf Hochglanz poliert.

„Cut The Body Loose“ ist das fünfte Album von ASTRONAUTALIS und das erste, das er seit „De Oro“ von JASON FEATHERS veröffentlicht, dem medienwirksamen Projekt mit Frontmann Justin Vernon alias BON IVER. Obwohl das Ganze sich in punkto Sound deutlich von der Musik von ASTRONAUTALIS unterscheidet, sagt er, dass sein neues Album von der Entstehungsgeschichte von „De Oro“ beeinflusst wurde. „Der Entstehungsprozess von ‚De Oro‘ mit Justin Vernon und den anderen hat mir derart Spaß gemacht, dass es die Art und Weise, wie ich mein eigenes Album aufnehmen wollte, verändert hat“, erklärt ASTRONAUTALIS. Da war es nur konsequent, „Cut The Body Loose“ mit seinem langjährigen Produzenten John Congleton (MODEST MOUSE, ST VINCENT, EARL SWEATSHIRT) in den April Base Studios von Justin Vernon in Fall Creek, Eau Claire County, Wisconsin, aufzunehmen. „Mir wurde ziemlich früh klar, dass diese Platte vom Süden handeln würde, in, um und in dessen Nähe ich aufgewachsen bin, aber auch vom Süden meines Vaters, meiner Mutter, vom Süden der Vergangenheit und der Zukunft, von der Magie, der Mystik, dem Horror und der Tragödien mit ihrer seltsamen, schwitzigen, abgefuckten Schönheit, die dem Süden innewohnt.“

So ließ er sich nicht nur von der Musik seiner Jugend wie TRICK DADDY, MYSTIKAL, THREE 6 MAFIA und dem Labelstall von No Limits Records inspirieren, sondern schaute in jede Ecke der musikalischen Vergangenheit des amerikanischen Südens. Er widmet sich dem traditionellen New Orleans Jazz von ALLEN TOUISSANT und PROFESSOR LONGHAIR genauso wie dem Hill Country Blues von MISSISSIPPI FRED McDOWELL, den nächtlichen Trips von DR.JOHN und sogar den legendären Marching Bands aus der Halbzeit des Florida Classic College Football Turniers. Und irgendwie schafft es ASTRONAUTALIS dabei, diesen manisch-depressiven Southern-Irrsinn mit den Gütesiegeln des zeitgenössischen Hip Hop anzureichern, um auf dieser Platte einen ganz eigenen zerrissenen Charakter zu erschaffen.

„Running Away From God“ ist die Geschichte einer Hochzeit in New Orleans, zu der er nur sechs Monate nach Hurricane Katrina eingeladen wurde und über die Bewunderung, die er dabei empfand, Leute zu beobachten, die es in dem dort herrschenden Chaos schafften, zu lieben, zu trinken, zu tanzen und zu feiern. Eine ganz ähnliche Erfahrung machte er im slowakischen Cadca, einer armen Bergarbeiter-Stadt, in der die Menschen trotz des Bankrotts des Bergbaus und einer Wirtschaft am Rande des Abgrunds noch immer in der Lage waren, nicht nur zu überleben, sondern zu leben. „Das große Thema des Albums ist es, Menschen in äußerst widrigen Umständen dabei zuzusehen, wie sie die Dinge in die Hand nehmen und noch immer die Kraft finden, zu tanzen, sich zu verlieben oder Kunst zu erschaffen. Im Angesicht dessen hat mich die in Amerika vorherrschende Selbstzufriedenheit irgendwann richtig runtergezogen. Das hat sich auch auf das Album niedergeschlagen.“ Obwohl „Cut The Body Loose“ sicherlich das aggressivste Album von ASTRONAUTALIS ist, wäre es falsch, es „wütend“ oder „pessimistisch“ zu nennen. Tatsächlich ist es ein Album über die Befreiung. Auf einem traditionellen Jazz Begräbnis in New Orleans gibt es ein Ritual des Trauerns, das sich durch den Empfang und den Gottesdienst bis zur Prozession der Sargträger aus der Kirche zieht. Bei jedem Schritt eskalieren die Trauer und der Schmerz und werden begleitet von der Musik des Leidens. Schwere, einen bis ins Mark erschütternde Klagelieder breiten sich aus und begleiten den Weg des Sarges aus der Kirche hinaus nach draußen. Die Trauergemeinde und eine komplette Band aus Blechbläsern folgen dem Sarg, den die Träger zum Friedhofstor tragen. Und exakt in dem Moment, in dem es scheint, dass der Schmerz nicht länger zu ertragen und das Leid himmelhoch ist, erreicht der Sarg das Friedhofstor und die Band spielt das wilde „When The Saints Go Marching In“. Die Trauernden lassen den Körper des Verstorbenen los („cut the body loose“), überlassen den Sarg den Totengräbern und tanzen die Straße hinunter. Die Zeit der Traurigkeit bleibt in ihrem Staub zurück.

Der Ton des Albums wird direkt mit dem kratzigen Opener „Kurt Cobain“ festgelegt, das Schlachtruf und Mission Statement zugleich ist. „Cut The Body Loose“ existiert in der kuriosen Balance zwischen Herzschmerz und Hinnahme. Diese Dualität schlägt sich in Songs wie „You Know What It Is“ nieder, der als kritische Abhandlung über Musik und Popkultur beginnt, bevor er mit Bläsereinsatz zu einer Feier des Lebens selbst mutiert. Wie im Leben geht es auch hier vielseitig zu, was sich an himmlischen Knallern wie „Kudzu“ zeigt oder beim klavierlastigen, ruhigen Hip Hop von „Boiled Peanuts“, einer Ode an seine Heimatstadt Jacksonville in Florida. „Es war bei diesem Album so, als würde ich mich neu in den Hip Hop verlieben. Ich hatte wirklich Respekt davor, in diese Bereiche vorzudringen, weil ich an einem Punkt bin, an dem ich leicht mehr Songs über Frauen schreiben könnte, doch ich wollte das nicht schon wieder machen und stattdessen sehen, was passiert, wenn ich von Herzen schreibe.“

Jeder, der ASTRONAUTALIS jemals live gesehen hat, weiß, wie schwierig es ist, die Musik von ASTRONAUTALIS von seinen Performances zu trennen, die dieser Tage aber weniger kopflastig daherkommen als früher und momentan mit Freestyles und Beats angereichert werden, die so eingängig sind, dass man sich in der puren Energie gern verliert. „Sehr lange habe ich mir Liveshows von Bands wie GRANDADDY oder BILL CALLAHAN abgeguckt, aber heute interessiert es mich mehr, wenn THE KNIFE oder Gangster Rapper auf der Bühne total durchdrehen“, erklärt ASTRONAUTALIS. „Ich finde das ungleich aufregender und das zeigt sich auch auf diesem Album, weil ich Songs schreiben wollte, zu denen das Publikum hüpfen, schwitzen und mit Whiskey duschen kann.“ In anderen Worten heißt das, dass es nicht nur leere Versprechungen sind, wenn ASTRONAUTALIS dem Publikum bei „Running Away From God“ „turn it up ‚til it shakes the rafters“ entgegenschleudert. Das ist keine Metapher. Das ist der Moment, in dem alles in Schutt und Asche gelegt wird. Auf der Oberfläche dreht sich „Cut The Body Loose“ um Verlust, Enttäuschung und täglichen Kampf, doch am Ende geht es nur darum, erlöst zu werden, um im Angesicht der Traurigkeit Triumphe zu feiern und Katharsis zu finden. „Im Kern handelt das Album von der Tatsache, dass die Welt auf verschiedene Art und Weise abgefuckt ist, anstatt sich davon jedoch runterziehen zu lassen, sollte man die Umstände nutzen, um auch nur kleinste Veränderungen durchzusetzen. Ich rede nicht davon, den Müll zu trennen, ich rede davon, Freude am Gutsein zu finden und Glück innerhalb der manchmal überbordenden Traurigkeit zu finden“, führt er aus. „Es geht darum, Dämonen zu bekämpfen und in meinen Geschichten und Erfahrungen ein Ventil zu finden.“

Von einem Menschen, der tausende Konzerte auf der ganzen Welt gespielt und mehr gesehen hat, als viele von uns sich jemals träumen lassen, ist das eine Perspektive, der man eine Chance geben sollte.


siehe auch: astronautalis.com, https://www.facebook.com/Astronautalis, https://astronautalis.bandcamp.com

21.11.2024
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