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Alle Termine für den 30.04.2014

Café

Mittwoch, 30.04.2014, Einlass: 19:00 Uhr, Beginn: 20:00 Uhr

LOS EASTOS-Fest 2014

Judge (new york city hardcore)
Cro Mags (new york city hardcore)
Risk it!
Rough Hands

siehe auch: cro-mags.com, https://www.facebook.com/RISKITHC
Los Eastos-Fest III 2014
Judge, Cro Mags, Risk it!, Rough Hands

Bereits im Frühling des letzten Jahres ließ ein Gerücht verschiedenste Menschen, die innerhalb ihrer musikalischen Sozialisation mit der Musikrichtung »Hardcore« in Berührung gekommen sind, erschaudern, weckte gleichzeitig aber auch ein innerliches Freudengefühl: Die New York-Hardcoreband »Judge« würde wieder zusammenfinden und die ersten Europakonzerte überhaupt spielen. Dieses Gerücht, erst wage formuliert, fand über Umwege schnell ins Internet und es wurden die wildesten Spekulationen angestellt. Menschen buchten blind Flüge in die USA in der Hoffnung, dass auf einem der einschlägigen Festivals diese Reunion ihren Anfang nehmen würde. Andere wiederum nutzten es weitaus schlauer, dass »Judge« wieder in aller Munde waren, es einen regelrechten »Judge-Hype« gab, und verkauften ihre alten Judge-Shirts und Platten zu teilweise unvorstellbaren Summen, die sich in Preisklassen von Gebrauchtwägen abspielten. Aber was ist das für eine Band, die Menschen dazu veranlasst eben solche Dinge zu tun?
» Judge« haben mit ihrem Schaffen vor allem eines geschafft, was vorher in den meisten Fällen kläglich gescheitert ist. Sie haben sich von der traditionellen Spielweise des Hardcores gelöst und ihr das Tempo genommen. Es ist nicht so, dass es vorher keine Versuche gab, sich als Hardcoreband einen gewissen Midtempo-Sound anzueignen, doch in den meisten Fällen, wie zum Beispiel bei »SS Decontrol«, ist es in einem unhörbaren Hardrocksound geendet. Bei »Judge« war dies anders, sie kombinierten Hardcore mit dem gerade am Ende der 80er aufkommenden Thrashmetal, spielten sowohl in Form von Musik, Ästhetik und Attitüde mit Elementen der Skinheadkultur, während zugleich »Straight Edge« ein wichtiger Faktor bei den Bandmitgliedern und in einzelnen Songtexten bildete. Das Ergebnis war eine neue und bis heute prägende Facette in der Subkultur »Hardcore«. Diese Facette ist aus einem heutigen Blickwinkel Segen und Fluch zugleich. »Judge« haben mit ihrer konsequenten und zeitgemäßen Neudefinition des Hardcoresounds viele Bands im Positiven beeinflusst und waren maßgeblich daran beteiligt, den Begriff des »New York Hardcores« (NYHC) mitzugestalten, auch mit Inhalt zu füllen, wodurch eine 2. Welle und Generation an Bands hervorgekommen ist, die dafür gesorgt hat, dass das Kapitel Hardcore mit dem auslaufenden Jahrzehnt der 80er nicht geschlossen wurde. Dennoch war dieser Schritt (den »Judge« wohlgemerkt nicht alleine gegangen sind) »weg vom Punk hin zu Midtempo und Metal« unter Anderem einer der Aspekte, weshalb Dinge wie Gewalt und möglichst martialisches Auftreten auf Shows, wie auch eine militantere Auslegung des »Straight Edge-Gedankens«, deutlich mehr in den Fokus geraten sind. Dadurch, dass die chaotischen und teilweise unberechenbaren Elemente der Punkmusik weggefallen sind und durch gradlinige Metalriffs und klarer gesetzte Songstrukturen ersetzt wurden, wurde ein aggressiveres Klima auf Shows geschaffen, was den Grundstein einer mittlerweile durch und durch ritualisierten Tanzart legte, die man heute als »Violent Dancing« bezeichnet. Natürlich gab es schon vorher Gewalt auf Punkkonzerten, Gewalt nahm sogar einen wesentlichen Teil dieser Subkultur ein, und es wäre schlichtweg gelogen Bands wie »Judge« und der New Yorker-Hardcoreszene im Allgemeinen die alleinige Verantwortung für solche Negativtendenzen zuzuschreiben. Diese Tendenzen waren städteübergreifend und gipfelten teilweise in stadtspezifischen Crews (Boston Crew, Lower East-Side Crew, New York Crew...), welche zwar fortschrittliche Gedanken, wie Selbstorganisation und vor allem auch Selbstermächtigung, förderten. In manchen Fällen konnte man sich sogar aus einem subkulturellen Kontext lösen und mal bewusst, mal unbewusst als politische Akteure in Erscheinung treten. Doch viel zu oft diente dieser geschaffene Rahmen in Form der »Crew« nur dazu, eine Drohkulisse gegenüber Außenstehenden aufzubauen und die Selbstermächtigung ging fließend in eine Selbstinszenierung über. Letztlich fand man sich spätestens in den 90ern in einer Situation wieder, in der man in manchen Städten und Stadtteilen als eine »crew-externe« Person nicht unbeschadet auf Hardcoreshows gehen konnte. Gerade in New York ist es viel zu oft vorgekommen, dass Menschen, die auf Konzerten Spaß haben wollten, Opfer physischer Gewalt wurden, weil sie nicht zu einer gewissen Crew gehörten. In diesem Zeitraum lösten sich dann auch »Judge« nach ihrem vierjährigen Bestehen auf und die durch die Band ausgerufene und im gleichnamigen Lied manifestierte »New York Crew« existierte fortan auch nur noch als eine Art Mythos, der sich über die Band »Judge« und ihr Umfeld gelegt hat.
Dass »New York Hardcore« ohne »Judge« und deren Releases nicht der »New York Hardcore« wäre, der er heute ist, steht außer Frage. Doch »New York Hardcore« lässt sich in seiner Attitüde und seinem Sound auch anhand einer weiteren Band samt ihrer Protagonisten kompromisslos zusammenfassen: »Cro Mags« und ihre nicht ganz unumstrittenen Mitglieder John Joseph und Harley Flanagan. Keine der mal guten, mal weniger guten Dokumentationen über die Hardcoreszene der USA kommt drumherum »Cro Mags« und deren Einfluss zumindest einmal zu erwähnen. Wenn man nach dem Film »American Hardcore« (die wohl bekannteste dieser Dokus) geht, sind »Cro Mags« sogar dafür verantwortlich, dass es so etwas wie eine aktive Hardcoreszene in New York gab und gibt. 1981 gegründet; vorher und währenddessen auf den Straßen von New York groß geworden und im späteren Verlauf zum Krishnaglauben konvertiert; '86 erscheint mit »The Age of Quarrel« das erste Album, ein unumstrittener Meilenstein. Die Geschichte der Band ist bunt, lang und von vielen Vorfällen begleitet. Nachdem die ursprünglich aus Washington D.C. stammende Hardcoreband »Bad Brains« nach New York umgezogen war, um dort eine Art Studio zu eröffnen, gab es auch in New York erste Bestrebungen eine eigene Szene auf die Beine zu stellen. Mit Bands wie »Agnostic Front«, »Cause for Alarm« oder »Antidote« ist dies teilweise auch gelungen und so ging die erste Welle des Hardcores nicht spurlos am Big Apple vorbei. Doch es war nicht New York, das in den Jahren ’79 bis ’84 für Aufmerksamkeit und Furore sorgen sollte. Washington D.C. mit »Minor Threat«, Los Angeles mit »Black Flag« oder Boston mit »SS Decontrol« waren die Städte mit den wirklich florierenden Punk- und Musikszenen. In den Jahren '85 und '86 änderte sich alles ein wenig. Viele bekannte Bands lösten sich auf oder veränderten ihre Musik, entweder aus eigenem Willen oder aufgrund des Drucks von größeren Musiklabels, in solch einem Maße, dass sie nur noch mit viel gutem Willen als Hardcorebands auszumachen waren. Dies war wohl die eigentliche Geburtsstunde des New York-Hardcores. Im vollsten Bewusstsein, dass man spielerisch und inhaltlich niemals an den aufkommenden Emo-Punk aus Washington ran kommen würde (das auch gar nicht will), und dass man selbst von den, nicht gerade durch ihre lyrischen Meisterwerke bestechenden, Bands aus Boston verachtet wurde, nahmen »Cro Mags« ihr Debutalbum auf. »The Age of Quarrel« beinhaltet all diese Aspekte: Man wollte nicht zu irgendeiner Hardcoreszene gehören, man hatte keinen Respekt vor irgendwelchen anderen Bands und aufgrund eines Alltags jenseits eines heilen Familienhauses und bürgerlichen Bildungsinstitutionen, der sich im besten Fall noch in besetzten Häusern abspielte, hatte man auch ein durch Wut geprägtes, krudes wie fragwürdiges Weltbild. Das Albumcover, ein apokalyptisch wirkender Atompilz, rundet das Album im Gesamten ab. Das Resultat war eine durch Punk und Metal vertonte Absage an die bürgerliche Gesellschaft, ein Abbild dessen, was niemand sehen will, Kids, die zu früh versuchen, durch verschiedenste Rauschmittel dem Alltag zu entfliehen, dann zum Krishnaglauben finden, sich letztlich aber durch Musik Gehör verschaffen konnten.
»Judge« und »Cro Mags« sind beides Bands, die sich mit ihren Veröffentlichungen zeitlos gemacht haben und die Einfluss auf unzählige Bands hatten und haben, die sich auch außerhalb der Hardcoreszene verorten. So dürften auch die einzelnen Mitglieder von »Risk it!« fleißig »Cro Mags« und »Judge« gehört haben. In diesem Fall kommt die Band zwar nicht aus New York, sondern aus Dresden, doch »Risk it!« spielen mit vielen Elementen, die oft und gerne im »NYHC« verwendet werden und seinerzeit durchaus in einem Song von Judge Platz gefunden hätte. Die Band existiert seit 2009 und war unter Anderem schon mit »7 Seconds« auf Tour. Mit »Judge«, »Cro Mags« und »Risk it!« steht der Abend im Eiskeller ganz im Namen des »New York Hardcores« und auch Menschen, die hoffentlich für dieses »Hardcore-Crew-Szene-Ding« nur noch ein müdes Lächeln übrig haben, ihren musikalischen Horizont auch nicht (mehr) nur auf Hardcore begrenzen, mit 16 aber Lieder wie »Where it went«, »Hard Times«, »The Storm« oder »We Gotta Know« rauf und runter gehört haben, sollten sich an diesem Abend eingeladen fühlen.


[aku]



[aus dem CEE IEH #212]

24.11.2024
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