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Alle Termine für den 29.05.2012

Café

Dienstag, 29.05.2012, Einlass: 19:30 Uhr

»Ihr dürft nicht mitspielen«

Referat und Diskussionsveranstaltung zu den (erinnerungs)politischen Debatten und zur historischen Entwicklung des israelischen Fußballs

Mit Alex Feuerherdt
(Buch-Autor und Publizist, u.a. für die Jüdische Allgemeine, Konkret, Tagesspiegel und Jungle World)

Bereits mit der Gründung des Israelischen Fußballverbandes (IFA) kurz nach der Staatswerdung Israels 1948 begann auch dessen Odyssee. Der Verband, der rein geographisch der Asiatischen Fußball-Konföderation angeschlossen sein müsste, und dies in einigen wenigen Jahren auch war, durchlebte in mehreren Jahrzehnten im internationalen Sportgeschehen eine Dauerkonfrontation. Boykotte, Spielabsagen, Angriffe und administrative Benachteiligungen gehörten zum Alltag, wenn sich israelische Fußballer auf internationaler Ebene messen wollten. Mal musste das Team aufgrund der politischen Großwetterlage seine Qualifikationen in der Europagruppe, mal in der Asien-, teilweise sogar in der Ozeaniengruppe austragen. Erst seit 1991 gehört das israelische Nationalteam offiziell zur Uefa und dürfen israelische Clubmannschaften im Europapokal mitmischen.
Die jahrelange sportliche Nichtanerkennung hat ihren Ursprung in erster Linie in der politischen Nicht-Achtung des Staates Israels und ist Teil eines breiten, internationalen anti-jüdischen und antizionistischen Ressentiments, das sich auch in der Sportwelt bahn bricht.
Alex Feuerherdt wird die Etappen des »Hin und Her« des israelischen Fußballs an vielen Beispielen skizzieren und dabei auch die scheinheilige und »unpolitische« Rolle der FIFA beleuchten. Die erinnerungspolitische Bedeutung der deutsch-israelischen Fußballbeziehungen und die Perspektive des neu-deutschen Fußballselbstbewußtseins soll dabei ebenso im Fokus stehen, wie die aktuelle Bedrohungssituation Israels durch das iranische Regime.

Die Veranstaltung gehört zum Rahmenprogramm rund um das Fußballländerspiel Deutschland-Israel am 31. Mai 2012 in der Leipziger Red-Bull-Arena.


Flucht vor dem Boykott
Vor 20 Jahren wurde Israel in die Uefa aufgenommen.

Wenn in zwei Jahren die nächste U21-Europameisterschaft im Fußball ansteht, wird es zu einer Premiere kommen. Denn das Turnier wird erstmals nicht auf europäischem Boden ausgetragen werden – sondern im Nahen Osten, genauer gesagt: in Israel. Ende Januar hatte die Uefa beschlossen, die EM an den jüdischen Staat zu vergeben, der vor nunmehr genau 20 Jahren in den europäischen Fußballverband aufgenommen wurde und mit dem Auftrag, die wichtigste europäische Juniorenmeisterschaft auszurichten, den wohl größten sportpolitischen Erfolg seiner Fußballgeschichte feiern kann.
Mittlerweile finden es vermutlich nur noch wenige ungewöhnlich, dass israelische Mannschaften an den europäischen Wettbewerben teilnehmen. Längst gehören Maccabi Haifa, Hapoel Tel Aviv und das israelische Nationalteam genauso dazu wie Olympique Lyon, Spartak Moskau und die DFB-Auswahl. Dabei müsste der Israelische Fußballverband (IFA) geographisch gesehen eigentlich der Asiatischen Fußball-Konföderation (AFC) angeschlossen sein – und er war es auch zwischen 1956 und 1974. Doch während seiner Mitgliedschaft waren israelische Mannschaften immer wieder von politisch motivierten Boykotten seitens arabischer Mitgliedsländer betroffen, was zuweilen geradezu groteske Konsequenzen hatte.
Gleich nach Israels Beitritt zum asiatischen Verband beispielsweise stand für die israelische Nationalmannschaft die Qualifikation zum Asien-Cup an, doch Afghanistan und Pakistan weigerten sich, zu den Spielen gegen die Auswahl des jüdischen Staates anzutreten. Diese kam daher kampflos in die Endrunde, in der sie gegen Südkorea, Hongkong und Südvietnam spielte und das Turnier als Zweitplatzierte beschloss. Als Nächstes stand die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 1958 an, und nun begann ein nachgerade absurdes Theater. Denn die Suez-Krise hatte Auswirkungen auch auf den Fußball, weshalb sich das israelische Team erneut mit Boykotten konfrontiert sah: Eigentlich hätte es nacheinander gegen die Türkei, Indonesien und den Sudan spielen sollen, doch keine der vorgesehenen Partien fand statt.
Damit wäre Israel eigentlich kampflos für die WM qualifiziert gewesen, doch dagegen hatte die Fifa etwas: Weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte, loste der Weltfußballverband kurzerhand aus allen europäischen Gruppenzweiten ein Land aus und ließ dieses gegen Israel um den letzten freien Platz beim WM-Turnier in Schweden antreten. Gegen Wales verlor Israel das Hin- und das Rückspiel jeweils mit 0:2 und war damit ausgeschieden. Die Boykotteure hatten dank der Fifa also doch noch ihr unsportliches Ziel erreicht – ohne dass sie dafür mit Sanktionen bedacht wurden.
Anschließend begann eine regelrechte Odyssee für die israelische Fußballauswahl. An den Asienmeisterschaften nahm sie zwar noch bis 1972 teil, doch auch dabei sah sie sich immer wieder Boykotten ausgesetzt: Zu den Spielen 1962 in Indonesien beispielsweise wurde sie gar nicht erst eingeladen, und 1972 erklärte sich lediglich Südkorea bereit, in der Qualifikation gegen sie zu spielen. Israel verzichtete letztlich, zumal die arabischen Staaten angekündigt hatten, im Falle einer Qualifikation der israelischen Auswahl der Endrunde fernzubleiben. Die Asiatische Fußball-Konföderation handelte daraufhin – und schloss Israel 1974, im Jahr nach dem Jom-Kippur-Krieg, auf Antrag Kuwaits aus ihrem Verband aus.



Bei der WM-Qualifikation wiederum wurde die israelische Nationalmannschaft nach der Groteske vor dem Turnier des Jahres 1958 von Kontinentalverband zu Kontinentalverband gereicht: Die Ausscheidungsspiele für die Weltmeisterschaften 1962 und 1966 bestritt sie in der Europagruppe, die für die Wettkämpfe 1970 in der Ozeaniengruppe und die für die Endrunden 1974 und 1978 – trotz des Ausschlusses aus der AFC – in der Asiengruppe. Und so ging es munter weiter: 1982 Europagruppe, 1986 Asiengruppe, 1990 Ozeaniengruppe. An der Qualifikation zu kontinentalen Meisterschaften – also zur Asien- oder Europameisterschaft – nahm Israel zwischen 1974 und 1994 überhaupt nicht mehr teil, weil es keinem Verband fest angehörte. Im Jahr 1978 stellte der israelische Fußballverband zwar erstmals einen Antrag auf Beitritt zur Uefa, doch der wurde nicht zuletzt mit dem Verweis auf die Statuten abgelehnt: Es sei nicht möglich, so hieß es damals, einen geographisch nicht in Europa liegenden Verband aufzunehmen. Vor allem die osteuropäischen Mitgliedsländer hatten sich strikt gegen das israelische Ersuchen ausgesprochen.
Mit dem Zusammenbruch des realsozialistischen Blocks änderte sich die Situation jedoch. Vorerst ließ die Uefa israelische Mannschaften zwar nur zu Spielen in ihrem Intertoto-Cup zu, doch 1991 gab es eine Zweidrittelmehrheit für eine Änderung der Statuten zugunsten Israels, das nun in den europäischen Verband aufgenommen wurde und drei Jahre später schließlich auch die Vollmitgliedschaft erhielt. Seitdem nehmen israelische Klubmannschaften an den Wettbewerben des Europapokals teil, und die israelischen Auswahlteams bestreiten ihre EM- und WM-Qualifikationsspiele in der Europagruppe – bislang zwar mit eher mäßigem Erfolg, doch die fußballerische Weiterentwicklung ist unübersehbar und eine Teilnahme an der Europameisterschaft im kommenden Jahr zumindest nicht illusionär.
Mit der Aufnahme Israels in die Uefa endete ein Hin und Her, das in der Geschichte des Weltfußballs einzigartig ist; kein anderer nationaler Fußballverband musste je solche permanenten Versetzungen über sich ergehen lassen. Über Punktabzüge hinausgehende Maßnahmen gegen jene Mitgliedsverbände, die Wettbewerbsspiele gegen Israel verweigerten, mochte die Fifa jedoch nicht ergreifen. Unter Berufung auf ihre angeblich unpolitische Rolle gab sie sich neutral, was im Ergebnis einer Belohnung für die antiisraelischen Boykotteure gleichkam. Die israelischen Fußballer und die Verantwortlichen ihres Verbands begegneten dem mit einem ausgeprägten Pragmatismus. Denn sie wollten ihre Qualifikationsspiele lieber austragen, als darauf zu bestehen, die Punkte kampflos zugesprochen zu bekommen. Und dafür flogen sie notfalls sogar bis nach Australien und Neuseeland.
Ori Shilo, der Generalsekretär des israelischen Fußballverbandes, ist gleichwohl froh, dass das nicht mehr nötig ist. „Die Zeit, als wir in der Ozeaniengruppe spielen mussten, machte keinen Sinn“, sagte er in einem Interview des Deutschlandfunks. „Außerdem fühlen wir uns wie Europäer“, ergänzte Shilo, „wir könnten auch wieder in Asien spielen, aber das wird politisch noch nicht einmal zu diskutieren gewagt. Und wissen Sie: Länder wie Griechenland, Zypern, die Türkei und Mazedonien spielen ja auch in Europa mit, und wir finden, dann gehören wir auch dazu.“
Gelegentlich ist der israelische Fußball aber auch hier Boykottaktivitäten ausgesetzt, wie das Beispiel Ashkan Dejagah zeigt. Der Wolfsburger Bundesligaprofi weigerte sich Anfang Oktober 2007, mit zum Europameisterschafts-Qualifikationsspiel der deutschen U21-Auswahl in Israel zu reisen, und machte dafür explizit „politische Gründe“ geltend: „Ich habe mehr iranisches als deutsches Blut in meinen Adern. Außerdem tue ich es aus Respekt, schließlich sind meine Eltern Iraner.“ In der Öffentlichkeit wurde Kritik an Dejagah laut, doch DFB-Präsident Theo Zwanziger blieb passiv; Konsequenzen für Dejagah hatte dessen Weigerung nicht. Im Rückspiel gegen Israel in Duisburg fehlte der Spieler dann übrigens ebenfalls – diesmal offiziell wegen einer „schweren Zerrung“.

Alex Feuerherdt



[aus dem CEE IEH #195]

21.11.2024
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