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Rap aus Dakar: Alif.


Alif + DJ's Stefano, Filburt

Hip Hop im Senegal

Parallel zur Entwicklung von Hip-Hop in Europa vollzog sich die selbige in Teilen Afrikas. In den Zentren des Raps existieren heute eine Vielzahl von Gruppen und eine Infrastruktur wie Tonstudios und Vertriebsnetze. Artists aus den Nachbarregionen strömen nach Dar es Salaam an der Ostküste des Kontinents oder nach Dakar - dem westafrikanischen Pendant - um ihre aktuellen Produktionen aufzunehmen. Einzig und allein die Kassette als Standartmedium für Veröffentlichungen zeugt oberflächlich noch von einem Unterschied zur hiesigen Welt. Dennoch stößt Hip Hop in Afrika noch auf eine Reihe spezifischer Probleme, wie es sich beispielsweise bei den Rappern in Dakar darstellt. Dakar, die Zwei-Millionen-Hauptstadt des Senegals, kennt mittlerweile eine Reihe von Gruppen, deren Qualität sich durchaus an internationalen Maßstäben messen lassen kann. Besonders bekannt ist die Gruppe Positive Black Soul, deren Alben wie „Revolution" oder „Run Cool" auch den Weg zu einem Vertrieb in Europa gefunden haben. Darüber hinaus sind aber auch Abass Abass, Pee Frois oder BMG44 Namen, die es sich zu merken lohnt und deren allen Ziel es ist, irgendwann einmal auch über die Grenzen des Senegals hinweg gehört und als Rap Artists anerkannt zu werden.
Im Senegal belegt Hip Hop nach Mbalax, der traditionellen senegalesischen Musik, und religiösen Reden moslemischer Geistlicher den dritten Rang in der Hörergunst. Der Rap ist hierbei vor allem der Sound der jungen Generation und grenzt sich mit provokanten Inhalten gegenüber den Mbalax, der zu einem guten Teil aus Preisgesängen für zahlende Geschäftsleute und Politiker besteht, ab. Dies heißt aber nicht, dass es nicht zu gemeinsamen Produktionen kommt; so suchen Mbalax Stars wie Youssou N'Dour die Nähe zum Hip Hop, um auch für die junge Generation interessant zu bleiben. Zum anderen bedienen sich die Rapper der Stilmittel des Mbalax'. So schafften es der Rapper Disiz la Peste aus Frankreich und der Mbalaxstar Thione Seck mit „Gnibi" eine Goldene Schallplatte einzufahren. Die meisten Rapper Dakars kommen aus den Vororten der Zwei-Millionen-Metropole, wie beispielsweise aus dem als Slum verschrienen Thiaroye und haben oftmals kaum die Mittel, Geld in ihre Musik wie Tonstudioaufnahmen zu stecken. Ihre Texte richten sich vorwiegend gegen die unfähige Bürokratie, die korrupten Strukturen des neopatrimonialen Regierungssystems oder die Meinungsführerschaft der islamischen Geistlichen, deren Meinungen vor allem durch die ältere Generation Senegals nach wie vor bedingungslos übernommen werden. Im Wahljahr 2000 unterstützten Gruppen wie BMG44 oder Pee Frois den Gegenkandidaten Abdoulaye Wade, nachdem der alte Präsident Abdou Diouf das Land 20 Jahre lang korrumpiert hatte. BMG44 attackierten zum Beispiel in einem Song einen Marabout - einen Führer der Mouriden, einer der einflussreichsten Bruderschaften im Senegal, - der seinen Anhängern die Wahl Dioufs vorschrieb. Der alte Präsident Diouf tat die Rapper öffentlich als „jeunesse malsaine" (fr.: „verrückte Jugend") ab; bot ihnen aber zugleich Geld, den Gegenkandidaten Wade in Texten runterzumachen. BMG44 lehnte ab. - Im weiteren Verlauf des Wahlkampfs wurde dann ein Mitglied der Gruppe von einem Anhänger des besagten Marabouts fast totgeschlagen, woraufhin sich auch die Presse dem Thema widmete und anfing, über Armut und Korruption im Senegal zu berichteten - Themen, die oftmals tot geschwiegen werden. Diouf wurde in der Wahl abgewählt.
Die Perspektive vieler Hip Hop Artists ist die internationale Anerkennung ihrer Musik. In Europa und anderswo haben sie es jedoch oft nicht leicht, da ihre Musik oftmals afrikanisiert wird und in der Schublade Weltmusik fatalerweise nahezu verschwindet. Die Kategorie Weltmusik spricht ja hierzulande nur ein spezifisches Publikum an, das gewöhnlich einen anderen Sound als Hip-Hop Beats erwartet. Awadi von Positive Black Soul wehrt sich gegen solche Einordnungen: „The people in Europe want us to be exotic, but sometimes we refuse to be exotic." Auch wenn Positive Black Soul bei Liveauftritten Boubous tragen und einen Koraspieler dabei haben, verweist dies doch eher auf eine Suche nach Akzeptanz als Hip Hop Künstler, die ihren spezifischen afrikanischen Kontext offen zeigen wollen, als der Versuch, mit Exotismus ein bestimmtes Publikum anzusprechen. Xuman von Pee Frois bringt es auf den Punkt: „We want to be respected as Hip Hoppers, not as Africans."


Alif, 19.3k

Alif (l'attaque libérée de l'infanterie féminine)

Alif sind Oumy, Mina und Myriam. Als sie sich 1997 zusammenfanden, waren sie die erste weibliche Hip-Hop Gruppe im Senegal, ein Fakt, den sie erst verteidigen mussten: „Unsere Eltern sind fast durchgedreht, als wir mit Hip Hop anfingen. Die dachten, alle Rapper sind Gangster. Selbst unsere Freundinnen sagten, Frauen machen so was nicht" erklärt Myriam und fährt fort: „Wir haben doch ganz eigene Probleme und Themen." Dass dies so ist, zeigte Alifs erste Veröffentlichung: „VIKTIM" von 1999, eine Kassette, auf der Alif Themen wie Vergewaltigung, Zwangsehe und die Doppelmoral der muslimischen Gesellschaft im Senegal ansprachen. Der Titelsong handelte von Hausangestellten in ihrem Land, deren Situation an einen modernen Zustand von Sklaverei erinnert. Das provokante Auftreten Alifs hatte für die Gruppe unterschiedliche Folgen: Zum einen war ihre Karriere vorerst blockiert. Die im Senegal ansässigen Labels vermieden eine weitere Zusammenarbeit mit Alif, deren selbstbewusstes Auftreten im Gegensatz zu der moralischen Auffassung zweier religiösen Musikfirmen standen, die den Markt im Senegal dominieren und ohne deren Unterstützung keine weiteren Veröffentlichungen möglich sind. Zum anderen sorgte „VIKTIM" aber für die nötige Popularität, die Alif in der Öffentlichkeit puschte. Im selben Jahr kam es zu einer ersten Tour durch den ganzen Senegal. Myriam, die Frontfrau von Alif, fällt bis heute durch zahlreiche Features auf, wie beispielsweise für Didier Awadi (Positive Black Soul) zum Album: „Revolution" oder Xuman von Pee Frois zu „Mort née un 4 avril". In den letzten Monaten nahmen ALIF ihr neues Album im Studio Yes von Dakar auf, das sie auch am 22. März im Conne Island vorstellen werden.(1)
Ihre Stücke enthalten sowohl Rap- als auch Gesang-Parts in Französisch und Wolof, der Sprache die vorwiegend auf familiärer Ebene in Dakar gesprochen wird. Dabei kommt auch die afrikanische Eigenart zum Tragen, dass die Sprachen in lockerem „code-mixing" und „code-switching" miteinander verknüpft werden.(2) Immerhin verweisen die senegalesischen Hip Hopper gerne darauf, dass der Rap seinen Ursprung aus Westafrika genommen hat, wo es den „Tassu" gibt, eine Art traditioneller Sprechgesang, der zu Festen wie zum Beispiel auf Hochzeiten vorgetragen wird.

Da der Auftritt von Alif nicht den ganzen Abend in Anspruch nehmen wird, legen vor- und nachher Stefano und DJ Filburt auf, um für einen verlängerten Clubabend zu sorgen. Stefano, lange Zeit als MC bei Rotzlöffel HiFi tätig, fiel in letzter Zeit durch sein aktuelles Tape „Upliftment" auf und wählt eine sanfte Mischung aus Reggae und Hip Hop aus. Filburt, Mitglied beim Smooth Pilots DJ Kollektiv, setzt an diesem Abend auf die Vielfalt gebrochener Beats und bringt die eine oder andere Ninja-Tune Scheibe zum Einsatz.

Fußnoten

(1) Studio Yes in Dakar wird von Sven Toeteberg geleitet. In Senegal gibt es immer noch eine relativ hohe vertragliche Unsicherheit: so werden Gelder aus Verträgen oft nicht gezahlt. Sven Toeteberg gewann durch einen fairen Umgang mit den Hip Hop Artists deren Vertrauen und ist heute ein wichtiger Anlaufpunkt für diese. Weiter Infos siehe unter: www.maison-yes.com
(2) Im subsaharischen Afrika ist die Multilingualität fester Bestandteil der Gesellschaften. Große Teile der Bevölkerung verwenden in ihrer Alltagskommunikation die regionalen afrikanischen Sprachen, die oft im engsten Raum nebeneinander existieren. Viele Afrikaner können daher zwei oder mehr Sprachen. Im Senegal gibt es beispielsweise neben dem Wolof noch Serer, Fulani, Diola und Mande, obgleich Wolof die Sprache ist, die hauptsächlich in Dakar und Nordwesten gesprochen wird und von 80 Prozent der Senegalesen zumindest als Zweitsprache verstanden wird. Wegen der Probleme, die Multilingualität aufwirft, und der Gefahr, die die Bevorzugung einer Sprache innerhalb der Gesellschaft in sich birgt, haben viele Staaten Afrikas ihre ehemalige Kolonialsprache beibehalten, obgleich sie oftmals nur von der politischen und wirtschaflichen Elite beherrscht wird. Sprachpolitik wird somit zu einer Ressource sozialen Aufstiegs. Viele Afrikaner sehen daher das Erlernen der ehemaligen Kolonialsprache als wichtige Grundlage, um sozialen Aufstieg zu erlangen. Afrikanische Sprachen genießen oft einen geringen Stellwert in ihrer Sichtweise. „Code-mixing" und „code-switching" sind linguistische Begriffe für das Beschreiben bestimmter Sprechsituationen. „Code-mixing" bezeichnet das Einfließen einzelner fremder Wörter oder Passagen in eine Sprache. Dabei werden die einfließenden fremden Wörter teilweise an die Grammatik der Sprache angepasst. „Code-Switching" ist dagegen der Wechsel der Sprache innerhalb einer Sprechsituation. Das gemischte Verwenden verschiedener Sprachen innerhalb eines Songs verweist somit auf eine afrikanische Realität, die innerhalb der Musikindustrie, aufgrund europäischen Denkmuster, auf Ablehnung stößt und nach Uniformität von Stil verlangt, was u.a. im Genre Weltmusik deutlich zu beobachten ist.


Framo & Michaela


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last modified: 28.3.2007