Der Rauch der Chaostage scheint bei einigen ja immer noch nicht verflogen zu sein oder wie soll man die Schlachtrufe Tour im Jahre 2002 noch deuten? Vielleicht mit Straßenkampf-Romantik? Auf jeden Fall präsentiert sich die Tour wie jede andere unter diesem Namen. Da fragt man sich, ob bei einigen die Zeit stehen geblieben ist. Anders
lässt sich das unveränderte Konzept der Schlachtrufe-Sampler-Tour
nicht erklären. Soll es nun nur eine Samplerpräsentation sein, oder
will da jemand die guten alten Zeiten wieder herauf beschwören? Oder
steckt gar mehr dahinter, als es auf den ersten Blick anmuten könnte?
Scheinbar drischt man die selben Phrasen wie eh und je, immer wieder
Straßenkampf, Nazis aufs Maul und
Deutschland muss sterben.
Das ist grundsätzlich nicht falsch, aber die Welt hat sich weiter gedreht.
Protest und Revolte in allen Ehren, doch manche sollten sich wirklich mal mit
der Realität, in der sie ja leben, auseinandersetzen. Da würde dem
Einen oder Anderen auch auffallen, warum z.B. die Chaostage (in München)
dieses Jahr nicht so gelaufen sind wie 1996 in Hannover, oder warum es Nazis
gibt, die Palitücher tragen oder warum in Deutschland Israel-Fahnen
verbrannt werden die Liste ließe sich auf jeden Fall fortsetzen.
Diese Diskrepanz zwischen heute und damals wird offensichtlich bei einigen
älteren Bands, die immer wieder ihre alten Hits zum besten bringen, ohne
die vielleicht nötige Portion Selbstreflektion. Wenn also Daily Terror,
als die alten Hasen der Tour, die Bühne erklimmen, werden wohl die
Schlachtrufe ganz im Stile der 80ties dem hoffentlich jüngeren Publikum um
die Ohren schlagen. Ganz zum Stile der 80ties gehörte es allerdings auch,
immer auf der Seite der scheinbar und tatsächlich unterdrückten
Völker zu stehen. Ups! Volk, Volksgemeinschaft ... da war doch noch
etwas? Schwer in Mode waren auch Nationale Befreiungsbewegungen und ein recht
einfaches Weltbild, welches das Einteilen in Gut und Böse einfach und
plausibel zu rechfertigen vermochte. Dass an dieser Stelle zumindest bei Teilen
des Publikums ein Nachdenken eingesetzt hat und die Diskussionen ein Stück
weiter sind, als die Aufmachung der neuerlichen Schlachtrufe Tour es glauben
machen könnte, ist unter anderem in diesem Heft nachzulesen. (z.B. CEE IEH
#89, Stellungnahme des Conne Island zu den antisemitischen Reaktionen auf
den Nahost-Konflikt, CEE IEH #83, Erklärung des Conne Island
zur Band Propagandhi, u.v.m.)
Vor diesem Hintergrund werden beispielsweise Daily Terror ihr 84er Machwerk
Hinterlist im Conne Island nicht zum besten geben. Will
heißen, auch Daily Terror kann es nicht daran gelegen sein,
antisemitischen Argumentationen, ob nun offen, latent oder strukturell,
zuzuarbeiten.
Der Reiz des Konzertes mit Daily Terror, Popperklopper, A.C.K., S.I.K.,
Fahnenflucht und Zaunpfahl im Conne Island liegt wohl genau in der Verbindung
von oldschool Aktionismus und eben auch Nachdenken
begründet.
Joey & C.J. Ramone from hell
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