Über die Grabenkämpfe netter Menschen. Gegen die Omnipotenzphantasien
durchdrehender Theoretiker und die hurtige Wurstigkeit der Macher. Ein
Rückblick auf Kritik/Politik und ein Ausweg.
Vom Mausebär.
Der Ton wird schärfer. Immer öfter stellt man fest, dass man
sich eigentlich nichts mehr zu sagen hat und sagt das allen
Bekannte dann doch noch einmal, nur einen Zacken härter, mit dem Ziel,
dass der andere tatsächlich nicht mehr zustimmen kann. Praktiker- bzw.
Theoretiker-sein ist kein Zuckerschlecken, denn die jeweils anderen sind immer
die Verrückten: Macher mit zur Schau getragenem Affekt gegen
Bücherlesen bzw. Theoriefexe, die sich nur noch Buchtitel an die
rauchenden Köpfe hauen. Was nahezu allen fehlt, ist das Bewusstsein davon,
dass sie auf einem längst rumorenden Vulkan demonstrieren, diskutieren,
grenzcampen, Artikel schreiben, Angriffe auf die Arbeit führen, lesen.
Praxis-Fraktion
(missverstanden als Politik-Fraktion)
Kritik-Fraktion? Sind das nicht die Dummschwätzer, die
Bücherlesen für den Kommunismus! empfehlen, gegen jede
Demo sind, die Antifa kaputtgemacht haben und permanent von der finalen
Krise faseln? Nein, liebe Antiras(1), das sind sie nicht.
Hier hat euch das Ressentiment einen Streich gespielt. Die Kritik-Hanseln sind
zahlreich und zerstritten; so kann ich mich (im Ggs. zu euch) bspw. nicht
erinnern, dass la fin du cercle es allzusehr mit der finalen
Krise hatte der Gruppenname Ende des Kreises wie auch
ihre Verlautbarungen (z. B. zum Bilderverbot) deuten auf eine toughe
orthodox-adornitische Linie (ISF, you know?). Doch wie schon gesagt, ihr werdet
einfach vom Ressentiment überspült, wenn ihr das Wort
Kritik auch nur lest; Kritik ist eben: Dummschwätzerei,
Praxisfeindlichkeit, Theorie, Warten auf die finale Krise (bei euch
mal als vergnügt unterstellt, andere unterstellen hier gern
übertriebenen Pessimismus, Untergangsstimmung, ganz wies beliebt).
Für einen Teil der Kritik-Fraktion kann ich feststellen, dass eine
Massenbewegung, welcher Form auch immer, gegen die Zumutungen der
Hartz-Kommission eine richtig fetzige Sache wäre.
Doch ihr steht wie der Ochs vorm neuen Tor und fragt euch: Wie jetzt?
Aber Bewegung und Demo und Grenzcamp und sowas ist doch Politik? Und die ANG
hält doch auch alle naselang ihre Transpis in die Leipziger Luft?! Dann
machen die doch Politik! Warum kommt euch (wie auch Frederike Schweins,
s. Über die Bewegung im Kreis, CEE IEH 90) nicht in den Sinn,
dass es eine antipolitische Praxis geben könnte? Menschenskind, dass man
sich bestimmter Ausdrucksformen bedient, mit denen sich auch Politik
machen lässt, heisst doch nicht automatisch, Politik zu machen! Lest doch
mal Anti-Politik ist eine Möglichkeit von Martin D. im selben
Heft!
Was der Antinationalen Gruppe (ANG) ihre geostrategischen Spielchen (Ist
es besser für die USA, schon jetzt den Irak anzugreifen oder lieber noch
zu warten?) und dem BWL-Hochschulabsolventen das Grübeln nach der wirklich
erfolgreichen Geschäftsidee, das ist euch die Suche nach den
richtigen politischen Ansätzen.
In einer Zeit, in der der Politik die Luft knapp wird
(Finanzierungsvorbehalt!), ist Krisenbewusstsein unbedingte Voraussetzung
für Gesellschaftsanalyse, -kritik, -veränderung.
Hättet ihr das, würdet ihr so richtig eng an die Realität
rankommen und bspw. zu dem Schluß gelangen, dass die Verschärfungen
der Bedingungen, unter denen ihr euch als Menschen reproduzieren müsst,
euch bald keine Zeit mehr lassen werden, ein antirassistisches Grenzcamp zu
besuchen, geschweige denn, es zu organisieren.
Ihr habts doch sonst immer so mit der Realität, gegen die abgehobene
Theoretisiererei. Also los: Rausgehen, umgucken, nachfragen!
Im Übrigen: Marx lesen! Oder wenn ihr darauf keinen Bock, bzw. Besseres zu
tun habt, sich wenigstens der schalen Witzchen (a la vergnügt auf
die finale Krise warten) zu enthalten.
Die Grundaussage des Artikels von Frederike Schweins (vgl. Über die
Bewegung im Kreis, CEE IEH #90) deutet auf Praxis, die unerträglich
studentische Diktion nicht. Der erste Satz soll eine Definition von Politik
liefern: Politik ist eine bewusste und reflektierte Form des Handelns,
die sich im theoretischen Verständnis der Wirklichkeit und damit
zusammenhängend den eigenen Interessen bzw. Wertsetzungen des handelnden
Subjekts bestätigt sieht.. Hier schreibt nicht Katja Diefenbach von
der Jungle World, hier parodiert auch nicht Loriot einen durchgeknallten
Professor die Autorin meint das ernst. Ich empfehle, statt
Politik mal irgendwas anderes einzusetzen (lesen, Transparent
malen, ficken, Musik hören) der Satz geht immer und nie auf. Ihr
Artikel tut so, als hätte es die Diskussionen vergangener Jahre nicht
gegeben, er will hartnäckig jegliches Eingreifen in die Gesellschaft als
Politik begriffen wissen. Seine Autorin könnte es besser wissen. Dass die
Form Politik der Gegner kritischen Handelns und nicht ein Werkzeugkasten ist,
aus dem sich Kritik zwecks eingreifenden Handelns bedienen kann, sollte seit
Marx Zur Judenfrage klar sein. Dass Aktion noch lange nicht
Politik sein muss, lässt sich bei Martin D. nachlesen (Anti-Politik
ist eine Möglichkeit im selben Heft).
Zu den Praktikern würden sich wohl auch die Leute aus der
Gießerstraße zählen, die dort eine
Palästina-Propagandashow organisiert haben (Brennpunkt Nahost,
20. Juli). Die Hälfte des Publikums zeigt sich schwer beeindruckt vom
üblichen anti-israelischen Kinderkitsch (große Augen, Tränen,
abgerissene Gliedmaßen, ein grinsender Ariel Sharon) und will sich nicht
von dem hässlichen Fakt verunsichern lassen, dass eine Gruppe von Punks in
von der EU co-finanzierten palästinensischen Schulbüchern abgebildet
ist und dort mit dem Hinweis auf den westlichen Sittenverfall versehen wurde,
von dem eine islamische Gemeinschaft frei zu halten sei. Sie wollen sich
beeindrucken lassen und können also nicht nachfragen.
Aus dem Publikum wird eine Frage über die Lebensbedingungen
schwuler Palästinenser gestellt, als Antwort passiert ohne Protest in der
(normalerweise nicht-sexistischen) Gießerstraße das Raunen der
arabischen Referenten über Mentalität: Es soll nahelegen,
dass die palästinensischen Bewohner dieser Region nicht allzusehr zur
Homosexualität neigten, so dass es also kaum Schwule gäbe im
übrigen sei man tolerant.
Als ob arabische arbeiterbewegte Traditionslinke nicht alle Hände voll zu
tun hätten Opfer islamistischer Regimes betreuen,
Öffentlichkeit gegen islamische Diktaturen schaffen, Kommunismus fordern
, treiben sie nationale Agitation im Dienste der Regression von Menschen
zu Kollektiven. Den Palästina-Soli-Heinzen sei gesagt, dass ein
rassistischer Schuft ist, wer mit Arafat und der PLO palästinensischen
Jugendlichen Koran statt Punkrock und Volksseele statt Party bereithält.
Die grundsätzliche Möglichkeit von Hardcore-Konzerten, Queer-Parties
und des Versuchs von selbstbestimmtem Leben abseits von Markt und Staat gegen
eine notorisch anti-individualistische Volksgemeinschaft verteidigt in dieser
Region nur eine einzige Kraft die israelische Armee.
Theorie-Fraktion
(missverstanden als Kritik-Fraktion)
Der Anspruch, fundamentale Gesellschaftskritik zu treiben, die sich auf die
Kritik der Politischen Ökonomie stützt, wird in Leipzig wesentlich
von Antideutschen erhoben. Dass es bei dieser Kritik drunter und drüber
geht und offensichtlich die Marxschen Grundlagen nicht klar sind, ist nicht
Hauptgegenstand dieses Textes. Also nur ein paar Andeutungen am Beispiel ihres
Textes Opium der deutschen Bevölkerung(2):
1. Es wird behauptet, Gebrauchsgegenstände ließen sich
anhand der in die Waren eingeflossenen gesellschaftlich notwendigen
Arbeit tauschen, was nur die halbe Wahrheit ist. Real getauscht wird
durch die Vermittlung des Wertgesetzes, die Waren tauschen sich also im
Verhältnis zur in ihnen vergegenständlichten gesellschaftlich
notwendigen ArbeitsZEIT. Die ANG verbessert an Marx solange herum, bis das
Wertgesetz ganz verschwindet und redet von gesellschaftliche(r)
Durchschnittsarbeit, in die bspw. die Arbeitszeit und die
Geschicklichkeit eingehen. Was für ein Quatsch! Wenn sich bspw. die
Geschicklichkeit im gesellschaftlichen Maßstab erhöht, sinkt die
gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit für die Ware und nicht die
gesellschaftliche Durchschnittsarbeit.
2. Alle Menschen müssen im Kapitalismus ihre Arbeitskraft als
Ware feilbieten und verkaufen. Das ist natürlich Blödsinn.
Diejenigen, die die Arbeitskraft der Arbeitskraftverkäufer kaufen,
müssen ihre Arbeitskraft natürlich nicht verkaufen. Und die Rentiers
natürlich auch nicht. Auf Nachfrage erklären mir zwei Vertreter der
Gruppe, wie es wirklich gemeint war: Alle (auch die Rentiers) werden auf
Arbeitsverausgabung zurückgeworfen, wenn ihre arbeitslosen Einkünfte
nicht mehr fließen. Das aber ist eine Tautologie ohne Erkenntnisgewinn:
Wer früher seine Arbeitskraft nicht verkaufen musste, weil er von anderen
erwirtschafteten Profit aufzehrte und heute, durch die Umstände gezwungen,
seine Arbeitskraft verkaufen muss, der muss seine Arbeitskraft
verkaufen. Und zwar an Leute, die ihre Arbeitskraft nicht verkaufen
müssen.
3. ... zieht das Kapital alles ohne Unterschiede solange in seinen
Bann, bis es zur Verwertung überflüssig geworden ist. Und -
was macht es dann, wenn es sich nicht verwertet? Wird es philanthropisch am
Ende seines räuberischen Lebens? Liebe ANG, wie wärs mit der
alten Marxschen Weisheit: Kapital IST die Verwertung, die Bewegung G-W-G.
Heisst: Es wird sich nie überhaupt nicht verwerten können, es
stürbe denn. Dass eben dieser Prozess des Vor-Sich-Hinsterbens gerade im
Gange ist (ein Einschlafen der Verwertung), ist die von euch so bekämpfte
Diagnose der Gruppe Krisis.
Die antideutschen Zivilisationswächter, in Leipzig also die ANG, denken,
wie die Antirassistische Gruppe, obwohl jene es nicht zugeben würden, ihre
Analysen von einer Position aus, die den gegenwärtigen kapitalistischen
Zustand umstandslos in die Zukunft extrapoliert.
So können sie bspw. unterstellen, dass die USA eine reelle Chance haben,
ihre Vormachtstellung zu verteidigen. Es sei denn, die ANG-Vertreter werden von
Realitätsbewusstsein heimgesucht (auch das kommt vor) bzw. die
Kontrafaktik der Argumentation wird überdeutlich: In diesem Fall
müssen sie den Spagat hinkriegen, das Vorgehen der USA zu verteidigen und
zu wissen, dass diese für eine untergehende Welt fightet. Wir wissen,
welche Karte jetzt gezogen wird: Dialektik, Spannung aushalten, verzweifelte
Anstrengung. Wie von selbst stellen sich auch der Adornosche Imperativ und
irgendein Horkheimersches Diktum ein. Man bedient sich ohne Probleme des leicht
gestörten Verhältnisses der Frankfurter zur formalen Logik, um noch
jeden Quatsch zu vergeblicher, aber doch so notwendiger Anstrengung zu
adeln(3). Es ist esoterischer Selbsterfahrungsblödsinn,
etwas zu unternehmen, von dem man weiß, dass es scheitern wird.
Eine Gruppe, die die soziale Frage als verstaatet in den Orkus stößt
(s. das Referat Über Pest und Cholera), bekommt nicht mit, wie
sie die ungeschichtliche Verabschiedung eines Problems betreibt, das heute wie
ehedem auf der Tagesordnung steht(4). Die USA stünde,
behauptet die ANG, für einen normal-egoistischen Kapitalismus, ihre
Gesellschaft sei eine bürgerlicher Subjekte, die ihre eigenen Interessen
rational verfolgten; deutsche Ideologie hingegen stehe für die staatliche
Antwort auf die soziale Frage und die Verschleierung der Falschheit der
Gesellschaft durch Anprangern von Egoismus. Wie bekommen es unsere
Turboanalytiker integriert, wenn George W. Bush nach dem 11. September seinen
Landsleuten verkündet, Konsum sei nun patriotische Pflicht? Was
drückt es aus, wenn die U-Bahnen nach dem 11. September kostenlos benutzt
werden können, um in die city zum Einkaufen zu gelangen? Ein patriotischer
Appell jagt den nächsten, das Angebot der Fahnenindustrie hinkt der
Nachfrage hinterher. Mir ist klar: Diese Argumente werden mir nichts
nützen, die Großtheorie samt Transzendentalsubjekt,
Warenform/Denkform, Form/Inhalt war noch jedes Mal in der Lage, so
hässliche Fakten aus dem Weg zu räumen.
Die ANG greift sich Erkenntnisse ihrer jeweilig letzten Lektüre und
vergewaltigt mit ihnen die Realität. Vorrang des Objekts? Pustekuchen!
Folgender kritischer Gedankengang wäre von der ANG nicht zu lesen:
Israels säkularer Hardliner Ariel Sharon steckt in Schwierigkeiten. Die
Wirtschaft Israels stürzt ab: Das Land schlägt sich mit einer
kontinuierlich wachsenden Arbeitslosigkeit (aktuell über 10 %) und einer
Wachstumsrate des Inlandsprodukts von minus 3,5% (d. h., die Wirtschaft
schrumpft) gerade noch so durch. Logisch, dass in dieser Zeit die soziale
Unsicherheit zunimmt. In dieser Situation bieten die Ultra-Orthodoxen bspw.
aber nicht nur den russischen Neueinwanderern Sicherheit. So ist z. B. in den
Schulen des unabhängigen Schulsystems der Schas-Partei das Mittagessen
auch für Kinder einkommensschwacher Eltern gesichert. Die Ultra-Orthodoxen
hätten längst nicht diesen Zulauf und damit auch die Machtposition,
die ihnen gestattet, per Siedlungsbau Ariel Sharon in Zugzwang zu bringen, wenn
sich der neue Schub der kapitalistischen Weltkrise, der mikroelektronische,
nicht schon schmerzhaft fühlbar über new-economy-Israel gewälzt
hätte.
Das alles kann man wissen, wenn man die Fakten zur Kenntnis nimmt und sie als
Erscheinungen eines polit-ökonomischen Zusammenhangs würdigt.
Der nur mühsam verdrängte Praxisfetischismus der ANG bricht sich Bahn
in mehr oder weniger guten Witzchen ihrer Protagonisten über einen Haufen
verrückter Weltuntergangspropheten, die ihren Fatalismus auch noch
marxistisch ausschmücken würden. Unsere Antideutschen hätten so
gern was Handfestes, so richtig klare Facts: mindestens leergefegte
Geschäfte(5) a la Polen. Gespitzten Mundes bemäkeln
sie, dass die Krisis doch jetzt wirklich mal genau zeigen
müsse, wo Wertproduktion angeblich nicht mehr funktioniere. Wo sind denn
die aus dem Fenster springenden Börsianer, eine hungernde Arbeiterklasse
(die Schilder mit der Aufschrift Nehme jede Arbeit an! mit sich
herumträgt) und all die anderen Begleiterscheinungen von 1929? Sie halten
es für Ausflucht, auf die zunehmende Gefährlichkeit des Bahnfahrens
zu verweisen. Dass die Finanzierungskrise der Staaten eher über kurz
(haha!) als über lang zur Privatisierung, diese jedoch zu
Streckenstillegungen und Einsparungen an der Sicherheit auf Teufel komm raus
führen wird, der Autoverkehr zunimmt und die ökologische Krise
dadurch zusätzlich neue Nahrung bekommt, gerät nicht in den Blick.
Ja, die Ökokrise wird praktisch nicht wahrgenommen, sondern lediglich als
diskursiver Tummelplatz für Ökofaschisten und die beliebten
antisexistischen, vegan lebenden Hundehalter aus der
Wagenburg(6) angesehen.
Ausweg aus dem antideutschen
Labyrinth Krisenbewusstsein
Um der Witzelsucht mancher ANG-Vertreter gleich mal das Wasser abzugraben:
Nicht HOLZ-, nicht FELD-, nein: AUSWEG. Haha!
Auch wenn es nicht wirklich nett formuliert ist: Das folgende ist ein Angebot
v. a. an die ANG, sich aus der Umklammerung von Friedrich Pollock (Was zu
Ende geht, ist nicht der Kapitalismus, sondern nur seine liberale Phase)
zu befreien und zu einer Gesellschaftsanalyse durchzustoßen, die keinen
Determinismus in der Geschichte kennt, sie aber auch nicht als gesetzloses
Herumsegeln auf dem Meer vielfältiger Widersprüche
missversteht.
Wer von der Krise aus denkt, muss die Augen offen halten. Einerseits versuchen,
sich von den Verhältnissen nicht blenden zu lassen, mindestens immer gegen
sie zu denken, andererseits, nicht jeden Feldweg und dunklen Wald sofort als
nur faschistisches Symbol zu dechiffrieren. Krisenbewusstsein speist sich aus
der Registrierung auch feinster Veränderungen im Alltag, die es zum
fundamentalen Grundwiderspruch des Kapitals, der heute in sein Reifestadium
tritt, ins Verhältnis setzt. Es benötigt nicht
70er-Jahre-Keynesianismus als Negativ-Folie, wie die ANG und auch Michael
Heinrich unterstellen (das wäre das pure
Öko-/Stammtisch-Ressentiment: Wird sowieso alles immer schlechter,
hier geht bald alles vor die Hunde...), sondern es ist Ausdruck eines
Denkens, das gezwungen ist, sich mit einer Realität abzugeben, die
selbstwidersprüchlich ist einer Realität, die die
Zerstörung dessen ist, worauf sie beruht.
Die folgenden Beispiele dienen zur Illustration, was mit
Krisenbewusstsein gemeint ist. Da das theoretische Argument
über den unaufhebbaren Grundwiderspruch des Kapitals nicht durchzudringen
scheint, sei dieser Umweg gewählt, auf dem evtl. besser deutlich wird, was
es heisst, von der Krise aus zu denken. Diese Beispiele (unter denen hard und
soft facts gemischt sind) sind kein ultimativer Beweis für das morgen
anstehende Ende des Kapitalverhältnisses. Mir ist klar, dass sich ANG und
Sympathisanten auch durch diese Versicherung wahrscheinlich nicht abhalten
lassen werden, weiter mit den einschlägigen Flapsigkeiten hausieren zu
gehen (Wann kommt denn nun die Krise? Also ich merke nix.). Keine
Frage, dass diese nützlich sind: Sie bewahren vor schmerzhaften
theoretischen Einsichten. Oder wie Robert Kurz sagt: Ein gesunder Glaube
hat noch keinem Bergbauern geschadet in seinem abgelegenen Tal.
Ostdeutschland wird nur noch verpflegt. Die marktwirtschaftlichen
Fassaden verdecken eine Mangelwirtschaft, die nur deswegen nicht als solche
erscheint, weil bei den Alten der Vergleich zum Realsozialismus noch
präsent ist und die Jungen den Westen kaum kennen. Geht doch mal mit
offenen Augen einkaufen! Ist es ein Einzelfall, dass 17 Uhr einfach Milch und
Brot alle sind? Ist es wirklich Einbildung eines Apokalypseheinis, dass
massenweise Postfilialen schließen und irgendwelche Leute im
Konsum mit normalen Postdienstleistungen völlig
überfordert sind? Ist es ein Einzelfall, dass sich im Osten Schlangen vor
den verbliebenen Postämtern bilden? Entwickelt doch mal Gespür
für das Bizarre der Situation, wenn im Osten mit dem selben Werbeaufwand
ein ungleich schäbigeres Gesamtprodukt unter die Leute gebracht wird.
Nochmals, liebe ANG, lieber Michael Heinrich: Der Kapitalismus bricht
nicht deswegen zusammen, weil das östliche Konsumniveau nicht mit dem
westlichen mithalten kann. Ja, ja, ja, auch ich weiß, dass Kapitalismus
noch nie das Ziel hatte, Menschen optimal zu versorgen. Mir kommts auf
die Erkenntnis an, dass sich hier in der Zone die Marktwirtschaftspropaganda
von Aufbau Ost und neuen Märkten an der Krisenrealität bricht. Ich
will, dass wenigstens die Tendenz wahrgenommen wird die Tendenz zum
Abbruch der Marktwirtschaftszelte.
Fast keine Tageszeitung hat mehr einen Berlin-Teil, die FAZ
plant, hunderte (!) Redakteure zu entlassen.
In Argentinien herrscht Tauschhandel. Eine normalkapitalistische
Zirkulation existiert nahezu nicht mehr. Brasilien geht gerade zu Boden, der
Crash hier betrifft allerdings im Gegensatz zu Argentinien auch
in dieser Region engagierte deutsche Unternehmen wie VW, Bayer, BASF.
In Dresden wird jede zweite Straßenlaterne ausgeschaltet.
Der Osten wird dunkel. Wieso auch nicht?
Die Alterssicherung per Rente lässt sich finanziell nicht
mehr halten. So what?, würden die scheinelaborierten
Kapitalismuskritiker von der ANG wohl fragen. Ist es die Aufgabe des
Kapitalismus, Renten zu sichern? Na also! Außerdem ist das ja wohl nur
deutsches verstaatetes Denken, anzunehmen, dass es ein Krisensymptom sei, wenn
das staatliche System der Altersvorsorge zusammenbricht. Dann springt eben
Privatvorsorge ein und wer zu der nicht in der Lage ist, bleibt eben auf der
Strecke. In einem Satz: Der Kapitalismus stirbt nicht, er wird
härter. Wenn man das Ganze gründlicher betrachten würde
und den oft und gern zur Schau getragenen Widerwillen gegen das Durchdenken
ökonomischer Zusammenhänge für ein paar Minuten
niederkämpfte, käme man zu folgendem Schluss: Dass man eine
Volkswirtschaft geradezu zu Tode sparen kann, sollte seit Keynes bekannt sein.
In (auch mehr oder weniger dumpf) gefühlten Krisensituationen locken auch
noch so fetzige Konsumbedingungen den Leuten das Geld nicht aus der Tasche. Nun
ist es möglich, bspw. durch staatlichen Zwang zu privater Vorsorge
(Stichwort: Riester-Rente) die Gesamtsparsumme zu drücken, die
freiwerdenden Mittel flössen auch in Aktienmärkte, Unternehmen
bekämen frisches Geld in die Hand, investierten, alle schöpften
wieder Vertrauen und ein kräftiger Boom wäre die
Belohnung(7). Doch der Zusammenbruch der staatlichen Rente
führt in erster Linie zur Verschärfung der Verwertungsbedingungen,
indem er über die erzwungene private Vorsorge dem unmittelbaren Konsum
Geld entzieht; da damit zahlungsfähige Nachfrage wegbricht und die
Anstrengungen zu Prozessinnovationen dennoch nicht nachlassen, verschwindet die
Konjunktur im Strudel der Überproduktionskrise. Das frische Kapital
für die Aktienmärkte dient bei den Unternehmen zur Finanzierung
weiterer Rationalisierungsanstrengungen bzw. zum Aufbau weiterer
Überkapazitäten. Fazit: Es ist kein moralisches Genöhle, den
Zusammenbruch des Kapitalismus zu konstatieren, sondern diese Diagnose ergibt
sich aus der ökonomischen Realanalyse seiner gegenwärtigen
Verfasstheit. Zugespitzt: Der Kapitalismus kann nicht so hart werden, dass er
das Wertgesetz stillstellt.
Diese wenigen Beispiele können illustrieren, dass das System hohldreht.
Doch wer heute mit solcherart Beispielen argumentiert und nicht mit der
Negativen Dialektik Adornos läuft Gefahr, lächerlich zu
wirken. Hardcore-Theoretiker, die sonst vor jedem ökonomischen Datum
zurückschrecken und statt dessen lieber was von der Trennung von geistiger
und körperlicher Arbeit erzählen (die in letzter Instanz erst zu
einem System geführt hat, in der bezahlte wissenschaftliche Faktensammler
sich einbilden können, sie erführen etwas über die
Wirklichkeit), werden plötzlich die schlichtesten Positivisten und
argumentieren mit dem Penny-Markt um die Ecke, der immer gut gefüllt sei
(folgt: Schenkelklopfen und Übergehen zur Tagesordnung, d.h.: Adorno
lesen).
Es ist so unendlich billig, die Einsicht in die selbstdestruktive Tendenz des
Kapitals mit der Begründung zu verweigern, diese Einsicht sei nur vom Ende
der Geschichte her zu formulieren.
Merkt man denn nicht, dass man bei Verweigerung der o.g. fundamentalen Einsicht
eine Drübersteher-Position einnimmt (um es zu wiederholen: Gemeint ist
eine Position, die so lange nicht widerlegt werden kann, bis nicht alle Akteure
der Debatte an den Ergebnissen dieser Widersprüche physisch verreckt
sind(8))? Wer kann schon genau wissen, dass, nur weil die
Hälfte der Mitglieder von ANG, Antirassistischer Gruppe und Krisis-Gruppe
Leipzig/Halle von paramilitärischen Banden niedergestreckt wurde, dies nun
das Ende des Kapitalismus anzeigt? Wo sind die Beweise? Wo ist denn hier eine
Abstiegstendenz zu erkennen?! Wir wollen Beweise! Wer hat gesagt, dass es im
Kapitalismus allen gut gehen soll?! Der Verwertung gehts einfach etwas
schlechter, das ist alles! Finale Krise kann nie sein, denn final bezeichnet
die letzte und das sei schließlich bis zum Kommunismus bzw.
zum Tod fast aller Erdenbewohner nicht ausgemacht. Never say never. Im
übrigen wissen wir, dass alles ein Ende und nur die Wurst zwei
hat.
Solange Friseure frisieren und dafür Geld erhalten, wird auch Wert
produziert, meinen die Initiative Sozialistisches Forum (ISF) und die ANG. Der
Wert ist bei ihnen keine die gesamte Gesellschaft umklammert haltende Macht,
die sich als ökonomische Größe fassen lässt, sondern
Platzhalter für schlechthin alles(9). Wenn in einer
Wertgesellschaft etwas geschieht, ist es Wert und der existiert, solange er
bzw. in ihm gedacht wird hier ist kein Platz für den fundamentalen
Widerspruch des Kapitals, den Marx in den Grundrissen
konstatiert(10). Konsequent leugnet man die Determination der
Wertgröße durch gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, bei ihnen
ist jedes Produzieren Wert und das Nicht-Produzieren auch. Was um Himmels
willen soll in die (auch nur zyklische) Krise geraten, wenn man nicht
weiß, was es ist (in mündlichen Äußerungen von
ANG-Angehörigen: erkenntnistheoretisch nicht greifbar). Seit
einiger Zeit wird diese Diskussion unter dem Label Betrachtung des
Einzelkapitals Betrachtung des Gesamtkapitals geführt. Die
Konstellation ist die immergleiche: Was fürs Einzelkapital gelte (die
Sicht, die der Einzelkapitalist einnimmt, die noch einigermaßen
erklärbare Verwertung), gelte eben nicht für das Gesamtkapital (die
Selbstbewegung des automatischen Subjekts). Seit der Kybernetik ist klar: Das
Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Geschenkt. Ganz und gar unklar ist,
welche anderen Gesetze, als das Wertgesetz denn dieses automatische Subjekt
antreiben. Das, was da, esoterisch verblasen, als unerklärlich dargestellt
wird, ist so verrückt wie jedes rückbezügliche Verhältnis.
Aber als solches ist es auch bezeichen- und kritisierbar. Theoretische
Erkenntnis muss vor ihm nicht die Waffen strecken es sei denn, sie
gefällt sich in der ISF-Attitüde des Nicht-Verstehens. Da Dialektik
aber eben auch die Einheit von alles-Verstehen und nichts-Verstehen ist,
können auch unsere hauptberuflichen Ideologiekritiker den Betrieb
weiterklappern lassen. Immer wissen sie schon alles. Jede Agenturmeldung besagt
ihnen nur das, was ohnehin schon in der Negativen Dialektik steht:
Es gibt nix Neues unter der Sonne, solange das Kapital prozessiert. Der
Verblendungszusammenhang besteht entweder, oder er besteht nicht: solange
Menschen den Wert denken, tun sie ihn auch und solange sie ihn tun, lässt
sich sein Absturzprozess nicht mit Sicherheit konstatieren. Wohl wird vieles
schlimmer (auch Antideutsche sprechen ja seit einiger Zeit wieder von der
Krise, nachdem sie eine österreichische Frischzellenkur genossen haben),
aber das Ende der Wertvergesellschaftung sei daraus einfach nicht ableitbar.
Vielmehr habe die Geschichte gezeigt, dass das Wertgesetz mit Barbarei gut
harmoniert (Auschwitz). Da der Wert besteht, solange Menschen ihn denkend
handeln, ist auch jederzeit die Möglichkeit gegeben, dass seine Herrschaft
aufhören kann. Aufgabe sei es also, die Geschichte offen zu halten,
Schlimmstes (u.U. auch durch Parteinahme für Schlimmes) zu verhindern und
konkret den kapitalistischen Normalalltag gegen die in ihm schlummernden
barbarischen Potenzen zu verteidigen.
Wird die an sich vernünftige, ja sympathische Haltung, sich nicht jeder
gesellschaftlichen Intervention mit Verweis aufs sowieso Immergleiche zu
enthalten, sondern bspw. durchaus für den Staat Israel Partei zu ergreifen
mit der Verweigerung jeder Einsicht in die Fundamentalkrise des Kapitals
kombiniert, führt dies von den Beteiligten ungewollt zur
Reproduktion des Kapitalprinzips mittels kritischer Theorie: Sie analysieren,
denunzieren, machen Vorschläge zur Rettung des Etwas-weniger-Schlechten
vorm Ganz-Schlechten und sagen auf bohrende Nachfragen, dass sie nach wie vor
Probleme mit dieser Gesellschaft haben der Theoretiker wird zum Wert.
Und der ist und bleibt das Grundproblem: Wer keinen Begriff von
Luft hat (bzw. für wen Luft alles ist und damit
nichts), kann sich unter ihr nichts vorstellen sie gibt es einfach immer
und nie. Damit sind ihre Eigenschaften nicht bestimmbar und es ist auch nicht
erkennbar, dass sie gerade aus einem Luftballon pfeift, denn sie ist ja per
Definition immer da bzw. nie, also niemals auf dem Weg vom real life ins
Nirwana. Man kann sich noch so sehr anstrengen und noch so ehrlichen Herzens
seine Liebe zum Kommunismus beteuern: Mit dieser Analyse bleibt einem gar
nichts anderes übrig, als das jeweilige weniger schlechte Gestern gegen
das schlechte Heute und dieses gegen das noch schlechtere Morgen zu verteidigen
ungewollt wird man Kritiker im Dienste der Affirmation eines
selbstzerstörerischen Prinzips. Linkspopulistisch schielt man auf die
Zustimmung auch noch des letzten antikommunistischen Dorfprolls und scheint zu
glauben, dass dessen Wahl für Sherry, gegen Scharia ein Zeichen für
die Fortgeschrittenheit westlicher Werte sei. Plötzlich ist die
Aufklärung gar nicht mehr so dialektisch, wie man immer gedacht hatte,
sondern materialisiert sich direkt im Alkohol. Ich hoffe, dass nicht er es ist,
der die ANG den innigen Zusammenhang zwischen westlichen Werten und
instrumentell völlig vernünftigen islamistischen Attentätern
vergessen ließ(11).
Zudem findet sich bei Adorno und Horkheimer nix über finale
Krise, die Supermarktregale sind noch relativ gut gefüllt und auch
Carhartt liefert immer noch und so verweigern unsere
Theorie-Asse ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit, bei jedem Furz der USA das
Transzendentalsubjekt zu erläutern, die Würdigung eines
theoretischen Arguments und mobilisieren den gesunden
Geldverdiener-Verstand gegen radikale Krisentheorie (vgl. dazu das
Interview mit Robert Kurz in konkret 8/2002). Deren Einsichten bzw. auch
Alltagsbeobachtungen, die mit einem auf sie zentrierten Denken möglich
werden, erscheinen im wohleingerichteten Zimmerchen der
Ideologiekritik(12) als positivistischer Quark, der dumm mache
und dem man sich nur durch forcierte Kritische Theorie entziehen könne.
Ein Wunsch zum Schluss
Es wäre schön, wenn hier nicht Berliner Verhältnisse
einzögen, und wir, mit Messern bewaffnet, die VertreterInnen der
jeweiligen Opposition angreifen nur weil die das falsche über den
Wert denken. Schließlich könntens wunderbare GenossInnen sein,
Leute mit Verstand, Geschmack und Leidenschaft nur eben völlig
unterbelichtet in der Beurteilung dessen, was in der jetzigen Situation die
richtige Analyse ist.
Wir können ja weiter in der Art und Weise des vorliegenden Heftes
kommunizieren, obwohl ich mir nicht sicher bin, dass das noch was bringt und
man nicht zur Abwechslung mal an realen Alltagsereignissen, statt an der
Denunziation des Missverständnisses von anderer Leute Lektüre die
jeweiligen Unterschiede deutlich machen sollte.
Was bleibt? Sekt trinken, Frühstücken, Badengehen. Und versuchen,
sich nicht ganz so kindisch zu benehmen wie die aus der großen Gruppe.
Fußnoten
(1) gemeint ist: die Antirassistische Gruppe Leipzig
(2) Ein Text, der bei allen Schwächen sympathisch ist,
zeigt er doch, dass der Kapitalismus als Gesellschaftsprinzip wieder der Kritik
unterworfen wird, was bei ostdeutschen Antideutschen ja nicht immer der Fall
war.
(3) Ein Beispiel für liefert die Redaktion Bahamas, wenn
sie der USA in einem aussichtslosen Kampf viel Glück wünscht. Der
Kampf ist auf ganz andere Weise, als es sich die Berliner Theoriemackerchen so
gedacht haben, von Anfang an aussichtslos gewesen. Im Übrigen ist die
Scharia in Afghanistan geltendes Recht.
(4) Knapp gesagt: Soziale Frage steht für etwas, was ganz
und gar nicht verabschiedet gehört für das Bewusstsein davon,
dass das menschenfeindliche Verwertungsverhältnis, das auf die beiden Pole
Kapital und Arbeit zwingend angewiesen ist, nicht das letzte Wort der
Geschichte sein muss.
(5) Nicht, dass die einen Beweis für die Endkrise des Kapitals abgeben
könnten, denn Beweise für die kann es ja an sich gar nicht geben.
Hier hilft ihnen der früher viel geschmähte Michael Heinrich aus der
Patsche, der ja meinte, dass er eine finale Krise dann am Werk
sähe, wenn das Wüten der Kapitalherrschaft nur noch zwei Menschen
überlebt hätten.
(6) Ein Kalauer von ANG und antideutschem Umfeld, an dem sich die
Guten erkennen. Wer kein Fleisch isst, einen Hund hat, den
post-popantifaüblichen Wasch- und Kleidungszwang verweigert und
Wälder nicht auf Anhieb als Symbol deutscher Tiefe dechiffriert, sondern
ganz angenehm, wenn nicht lebensnotwendig findet, gehört definitiv nicht
dazu.
(7) Krisentheoretische Abschweifung: Das Land, dessen Konjunktur
über Wohl und Wehe der Weltwirtschaft entscheidet, die USA nämlich,
hat mit die geringste Sparquote pro Haushaltseinkommen, die eine entwickelte
Volkswirtschaft überhaupt haben kann (1 bis 2 %) heisst: Dort gibt
es überhaupt kein Potenzial mehr für die Anwendung des
erläuterten Mechanismus'.
(8) Der Vorwurf, die ANG würde sektenartig argumentieren,
stößt immer wieder auf Unverständnis und Protest. Doch wie soll
man eine Argumentation nennen, die sich gar nicht auf das Feld möglicher
Widerlegung begibt, also immer recht behalten muss auf ihrem Feld?
Final deutet auf Ende das Ende des
Gesellschaftszusammenhanges aber kann höchstens der letzte
Übrigbleibende feststellen. Ein Überraschungseffekt a la Monthy
Python: Der Attackierte (hier: die Krisis-Position) glaubt sich schon durch
Argumentation entkommen, da lässt der antideutsche Opponent unmotiviert
von oben ein 20-Tonnen-Gewicht, in Gestalt dieses rein sprachlichen
Arguments auf ihn fallen.
Nachdem der fundamentale Grundwiderspruch des Kapitals auf diese Weise
wegeskamotiert ist, ist der Weg frei, alle, die an diesem theoretischen
Argument festhalten, als Krisengläubige zu denunzieren. Das erinnert an
Marx' Ausspruch über Theologen, die mittlerweile soweit seien, alle
Religionen schlüssig als Aberglauben zu entlarven und ihre eigene als
Offenbarung Gottes zu behaupten.
(9) Wenn eine Eigenschaft allem Bezeichneten zukommt, kann sie weggelassen
werden, denn sie fügt der Bezeichnung des zu Bezeichnenden nichts hinzu.
Eine Bezeichnung wird nur möglich durch eine zuvor gesetzte
Unterscheidung, die darin besteht, etwas anderes (hier: etwas anderes als den
Wert) dadurch zu schaffen, dass man im Gleichen eine Grenze zieht. Das heisst:
Wenn alles Werteigenschaft hat, hat nichts Werteigenschaft. Zum Thema:
Spencer-Brown, George: Gesetze der Form, Bohmeier Verlag, Lübeck, 1997.
(10) Marx nennt ihn den Widerspruch zwischen der Grundlage der
bürgerlichen Produktion (Wertmaß) und ihrer Entwicklung
selbst. Sobald die Arbeit in unmittelbarer Form
aufgehört hat, die große Quelle des Reichtums zu sein, hört und
muß aufhören die Arbeitszeit sein Maß zu sein und daher der
Tauschwert [das Maß] des Gebrauchswerts. Die Surplusarbeit der Masse hat
aufgehört Bedingung für die Entwicklung des allgemeinen Reichtums zu
sein, ebenso wie die Nichtarbeit der Wenigen für die Entwicklung der
allgemeinen Mächte des menschlichen Kopfes. Damit bricht die auf dem
Tauschwert ruhnde Produktion zusammen .... Marx, Karl: Grundrisse der
Kritik der politischen Ökonomie (Rohentwurf 1857-1858), Europäische
Verlagsanstalt Frankfurt Europa Verlag Wien, fotomechan. Nachdruck der
Moskauer Ausgabe von 1939 und 1941; S. 592 f.
(11) Nun ja, so ganz vergessen haben sie ihn nicht, fühlen sie sich
doch bei solcherlei Polemik sympathischerweise- ungerecht behandelt. Die
Gruppe verhält sich wie ein gewisser Ralf, dem ich vor einiger Zeit schon
vorwarf, dass für ihn alle unangenehmen Zusammenhänge dazu da sind,
sofort zugegeben und ad acta gelegt zu werden. Frage an die ANG:
Gibts es einen Zusammenhang zwischen dem amerikanischen Versuch,
mit militärischen Mitteln Ruhe für die Verwertung der noch
funktionierenden westlichen Industrie herzustellen und dem mächtiger
werdenden Islam? Na klar gibts den. Und weiter
gehts im Text mit der Verteidigung eben dieses kleineren Übels
westlicher Kapitalismus, der doch wie oben zugegeben mit
einer Erstarkung des Islam einhergeht. Es ist etwas zu verteidigen, von dem man
weiß, dass es die Kräfte der Selbstdestruktion freisetzt? Das
begreife wer kann - ich nicht.
(12) Ein Widerspruch? Nö. Auch ein von Trauer komplett
durchtränkter Grufti richtet sich sein Wohnzimmer nett ein.
|