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das Letzte, 1.2k

Jeanne d'Arc des Reflexionsausfalles


Und immer noch nicht das Allerletzte... (siehe auch CEE IEH #87 „LeserInnenbrief“) ... nur, weil ich scheinbar wahnhaft nicht aufhören könnte, Ideologien zu denunzieren? Nein, selbst wenn ich so ums eine oder andere mal, einfach mal aufhören will, weil da wieder mal welche, auch hierzulande, ihren Reflexionsausfall in der Projektion dann kollektiv identifizieren, und mir einfach nur noch das Kotzen kommt, wenn ich höre, sehe und letztlich fühle: es sei immer weiter zu denunzieren und das ebenfalls immer noch nicht Allerletzte an Ideologien wäre abgelassen.
Außerdem, und das habe ich mir auch überlegt, wäre es keine materialistische Denkungsart, von soetwas wie der Existenz eines ALLERLETZTEN auszugehen. Obschon, was mir hin und wieder Anlass gibt, mich hier zu artikulieren, manches in diesem Deutschland dargebracht wird, als sei es das Allerletzte.

Der Antisemitismusvorwurf!

Jetzt hat sich in die Diskussion der radikalen Linken um das „wichtige Thema Antisemitismus“ auch RTL-Chef Helmut Thoma eingemischt. In gewohnt subtiler Weise lässt er zunächst seine antike und mystische Sonntagnachtserienheldin Xena, jenen Jeanne d‘Arc Verschnitt, zu Wort kommen und sich aufs heftigste beschweren, dass „in unsäglicher Manier (...) in letzter Zeit stereotypenartig Antisemitismus denen unterstellt (wird), die sich in irgendeiner Weise gegen die NATO und den schwelenden Krieg in Afghanistan wenden.“ Oho, da geht wohl einiges durcheinander. Denn schon die wertende „unsägliche Manier“ erbringt den Tatbestand des Stereotypes, erinnert sie doch daran, das Manier seine Äquivokation in der Manie findet, in der Psychologie/Psychiatrie unbedingt krankhaftes Begleitsymptom von Depression, immerhin Anlaß die Betroffenen einer Behandlung zu unterziehen. Sollte solches gar die vorsichtige Anempfehlung gewesen sein, sich verrückt erklären zu lassen. Vielleicht ist die „antideutsche Manier“ die mit ihrer „blinden Geilheit“ auch noch den Index des Exhibitionismus aufzeigt, tatsächlich Symptom eines Verrücktwerdens, nämlich des an den immer wieder aufscheinenden normalen deutschen Verhältnissen. Aber am Besten ist, man sperrt die Verrückten weg, genauso wie es die bürgerliche Gesellschaft, jene von links so zurecht kritisierte Zivilgesellschaft, zeitens ihrer Existenz tat. Der Verdacht kommt eher auf, beim Verordnen solcher Perspektive hätten die Drohenden jene Vergessen, die von den Nazis, ob ihrer verordneten Verrücktheit, nicht nur weggesperrt wurden. Zudem sollten die Antideutschen natürlich noch ihre Triebe unter Kontrolle bringen und nur noch sehenden Auges ihre Geilheit postulieren, weil sie sonst immer wieder in die Versuchung kommen könnten „das wirksamste, weil schwerwiegendste und bedeutsamste Mittel (den) Antisemitismus-Vorwurf...“ zu erheben. Da fragt man sich doch, wer sich vom Antisemitismusvorwurf limitiert fühlt, Xena, RTL, oder gar Martin Walser, der noch weiter ging und das antisemitische Stereotyp von der „Auschwitzkeule“ unter stehenden Ovationen von 1200 Deutschen prägte. Da wäre doch vielleicht auch mal die Frage nach der Umkehrung der „Feind-Seligkeiten“ gestattet, die nach den unheimlichen Freundschaften, besser die nach den Verwandtschaften, den geistigen und selbstbestimmten, in denen sich die Deutschen aktuell von ganz Links bis sonstwohin, wieder konstituieren?

Die „Aneinanderreihung von (einseitigen) Fakten...“

Es ist traurig aber wahr, das Geschehen in und um Israel scheint jene Aneinanderreihung schon relativiert zu haben, jedenfalls hinsichtlich der notwendigen zeitlichen Fortschreibung von Fakten über erklärte kriegerische Absichten von Israels arabischen Anrainerstaaten und hinsichtlich des Fortgangs der antisemitischen Terroranschläge. Und in Israel empfindet diese niemand als „Schattenboxen“. Kritisierbar ist alles, sogar Israel. Aber neben der scheinbar unreflektierten, unkritischen Solidarität mit dem „Volk Palästinas“ hierzulande, die allerhöchstens in der Linken noch so geht wie: Antisemitismus darf nicht sein, aber... Kritik an Israel, Kritik am Zionismus, Kritik an Religion muss möglich sein. Zur Kritikfähigkeit gehört nunmal die Wahrnahme, und zwar die von allem möglichen Erkenntnissen, statt sie mittels des unsäglichen Stereotypes der „Einseitigkeit“ zu selektieren und sich damit auf den besten Weg zum Reflexionsausfall in der Erkenntnis, zur pathischen und identitären Gruppenprojektion als Deutsche zu begeben.
Aber nicht nur in und um Israel wird die Lage für jene, die sich noch auf so etwas wie Vernunft beziehen, bei aller notwendigen Kritik des Vernunftbegriffes von Kant bis dato, kritischer.
Ist denn schon wieder „der Jude unser Feind“, hat der verdiente Strick, den man dem Deutschen Julius Streicher in Nürnberg um den Hals gelegt hat, nicht genügend gezogen und wenigstens seinen Geist getötet, so dass antisemitisches Suicid-Bombing, Pogrome in der Ukraine, Bombenanschläge auf Synagogen weltweit, physische Angriffe auf Menschen wegen des rituellen Tragens jüdischer Glaubenssymbole, antisemitische Manifestationen, auch in der Hauptstadt jenes Landes, welches immer noch in der historischen und aktuellen Kontinuität des Reiches der Nazideutschen steht, reflexartig zu nichts anderem führt als zur ideologischen Alibierung latenten Antisemitismus‘ durch das Beharren auf der Möglichkeit zur Kritik an Israel. Natürlich, auch ich habe in Israel verschmutzte Toiletten, unhöfliche Kellner und das Gegenteil von Beidem sowie noch viele andere „kritisierbare“ Bedingungen vorgefunden. Aber eines konnte ich nicht feststellen. Egal wen wir auch trafen und unabhängig aller Sprachschwierigkeiten, die Israelis wissen, dass sie nicht unfehlbar sind. Auseinandersetzung mit den Widersprüchen des Lebens auf der Erde gehört zu ihren Glaubensgrundsätzen. Denen ordnen sie nichts unter außer sich selbst, die sie stets aufs Neue erkennen. Und eine Kritik des jüdischen Staates Israel muss dessen vernünftige Konstitution mit einschließen, was deren Wahrnahme voraussetzt.
Shalom Andreas

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last modified: 28.3.2007