Währenddem auf politischer Ebene in derselben
Beziehung alle Messen gesungen sind, stellt sich das Verhältnis von
Palästina und Israel im sportwissenschaftlichen Kontext weitaus
abenteuerlicher dar. Zwei Nationen, in unmittelbarer Nachbarschaft liegend,
tragen ihre fußballerischen Schlachten auf verschiedenen Kontinenten und
in nämlichen Fußballverbänden aus die einen
(Palästina) in Asien, die anderen (Israel) in Europa. Doch dabei besteht
auch Einigkeit darüber, dass die sportlichen Erfolge beider nur am Rande
interessieren können. Im Mittelpunkt des Interesses stehen im jeweiligen
Fall andere Aspekte. Und die geben sowohl-als-auch nicht zu Freudenfesten
Anlaß.
Teil einer Tugendbewegung
Lenkt die Nationalmannschaft die Menschen, in den
palästinensischen Autonomiegebieten, von ihren alltäglichen Sorgen ab? |
Emad Abou El Kair wollte die ganze Welt umarmen. Gerade hatte er
seine Mannschaft in Führung gebracht und sich damit einen Platz in den
Geschichtsbüchern seines Volkes gesichert. Jetzt ließ sich der junge
Palästinenser von seinen Mitspielern ausgiebig feiern. Selbst der
späte Treffer des Teams aus Hongkong zum 1:1-Endstand konnte diese Freude
nicht trüben. Die Mannschaft Palästinas war auf die Landkarte des
internationalen Fußballs zurückgekehrt. Viel Zeit ist vergangen seit
dem letzten Versuch einer palästinensischen Mannschaft, sich für eine
Fußball-Weltmeisterschaft zu qualifizieren. Der Nahe Osten stand noch
unter der Herrschaft der Briten, als der Traum einer WM-Teilnahme am Gegner
Ägypten scheiterte: In Kairo setzte es im März 1934 eine herbe
1:7-Schlappe. Das Rückspiel ging drei Wochen später in Jerusalem mit
1:4 verloren. Ägypten fuhr zur Endrunde nach Italien. Und während der
Fußball in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Welt
eroberte, geriet das palästinensische Volk zunehmend in Vergessenheit.
67 Jahre später haben sich nicht nur die politischen Umstände
geändert. Die Gegner heißen heute Hongkong, Katar und Malaysia, und
die Weltmeisterschaft findet zum ersten Mal in Asien statt. Mit dem Punktgewinn
gegen Hongkong ist der Auftakt in der Qualifikationsgruppe geglückt.
Mit dem Resultat sind wir sehr zufrieden, sagte Palästinas
ägyptischer Trainer nach dem Spiel. Bei all den Problemen im Land sei es
für die Spieler nicht leicht, sich auf Fußball zu konzentrieren.
Tatsächlich stand die Vorbereitung unter keinem guten Stern. Der
palästinensische Verband kann sich keine Profis leisten, die Spieler sind
allesamt Amateure. Ihren Unterhalt verdienen die Männer aus Gaza, Ramallah
und Jericho als Angestellte in den Ämtern und Sicherheitsdiensten der
Autonomiebehörde von Jassir Arafat. Nach dem Ausbruch der
Intifada vor einem halben Jahr musste der Spielbetrieb in der
heimischen Liga eingestellt werden. Gemeinsame Trainingseinheiten auf den
sandigen Plätzen der Westbank waren selten und Auslandsreisen zu
Testspielen lange Zeit gar unmöglich, da selbst nationale
Fußballhelden von israelischen Ausgangssperren nicht verschont blieben.
Wenn nun ein ganzes Volk voller Stolz nach Fernost blickt, um die Auftritte
ihrer unerfahrenen Mannschaft zu verfolgen, sind die Resultate im Grunde
zweitrangig. Denn einen politischen Sieg haben die Palästinenser schon
alleine durch die Teilnahme an der WM-Qualifikation errungen.
Völkerrechtlich gibt es nämlich noch keinen Staat Palästina
trotzdem wurden sie vor drei Jahren in den Fußball-Weltverband
Fifa aufgenommen. Die Fifa folgte damit dem Beispiel des Internationalen
Olympischen Komitees (IOC), das die Palästinenser durch die Einladung zu
den Sommerspielen in Atlanta 1996 sportpolitisch hoffähig gemacht hatte.
Ohne die politische Entwicklung im turbulenten Nahen Osten abzuwarten, gingen
die Funktionäre des IOC und der Fifa dabei ihren eigenen Weg. Denn Israel,
ansonsten dem palästinensischen Sport gegenüber positiv eingestellt,
wertete die Verwendung des Namens Palästina als eine
unangebrachte Vermischung des Sports mit der Politik.
Unsere Nationalmannschaft sorgt dafür, dass uns die Welt nicht
vergisst, sagt der Präsident des palästinensischen
Fußballverbandes voller Überzeugung. Sie ist Teil unseres
Kampfes für einen eigenen Staat, unabhängig davon, wie die Spiele
ausgehen. Neben dieser politischen Funktion erfülle die
Nationalmannschaft gerade jetzt noch eine andere Aufgabe. Sie lenke die
Menschen in den palästinensischen Autonomiegebieten von ihren
alltäglichen Sorgen ab. Emad Abou El Kairs historisches Tor ließ die
Bevölkerung für einen kurzen Augenblick ihre wirtschaftlichen
Nöte und den festgefahrenen Friedensprozess vergessen.
Der politischen Bedeutung der Nationalmannschaft war sich auch Hosni Mubarak
bewusst, als er vor drei Monaten die palästinensische Auswahl zu einem
Trainingslager nach Kairo einlud. Und vielleicht hat den ägyptischen
Präsidenten da auch ein wenig das schlechte Gewissen getrieben denn
wer weiß, wie sich die Geschichte des Nahen Ostens entwickelt hätte,
wenn Palästina 1934 Weltmeister geworden wäre?
Probanden der Völkerverständigung
Jörg Haider hat das Klima in Österreich bestimmt. Er hat
menschenverachtenden Wahlkampf geführt. Er hat die
Beschäftigungspolitik der Nazis als ordentlich bezeichnet und
ehemalige SS-Soldaten als anständige Menschen mit Charakter.
Seine FPÖ darf in Österreich trotzdem regieren. Aber Haider hatte
immer noch nicht genug. Vor den Kommunalwahlen in Wien hat er noch mal richtig
hingelangt. Er verspottete Ariel Muzicant, den Präsidenten der
Israelitischen Kultusgemeinde in Wien (Wie kann einer Ariel heißen,
der so viel Dreck am Stecken hat), und einer israelischen Zeitung sagte
er, in der Entschädigungsfrage dürfe es zwischen
Holocaust-Opfern und österreichischen Wehrmachtsangehörigen keinen
Unterschied geben.
Jörg Haider ist ein Antisemit, schrieb daraufhin ein
Nachrichtenmagazin, Wien erlebte die widerwärtigste Kampagne, die
sich eine Partei seit fast 70 Jahren bei demokratischen Wahlen leistete.
Antisemitismus war zuletzt bei den Wahlen 1932 ein Stilmittel gewesen. Damals
errang die NSDAP (...) in Wien 17 Prozent. Die FPÖ verlor zwar acht
Prozent, hat aber immer noch 20 trotz Haider oder gerade wegen ihm. 27
Prozent der Österreicher, halten Haiders Aussagen nach wie vor für
kein besonderes Problem.
In dieses Klima kam die Fußball-Nationalelf Israels. Sie bestritt ein
WM-Qualifikations-spiel in Wien.
Schon im November 2000 soll es die ersten Besprechungen zwischen dem
Österreichischen Fußball-Bund ÖFB, der israelischen Botschaft
und den österreichischen Sicherheitsbehörden gegeben haben.
Spezialisten des israelischen Geheimdienstes Mossad untersuchen während
des Wien-Aufenthalts den Mannschaftsbus nach Bomben, die Fahrtrouten werden
ständig gewechselt, die Polizeipräsenz ist hoch, die Zuschauer werden
gefilzt. Nach der Einschätzung eines ÖFB-Mitarbeiters seien diese
Sicherheitsvorkehrungen ganz normal, wenn Israel im Ausland spielt. Von einer
besonderen Komponente Österreich-Israel will er demzufolge nichts
wissen.
Natürlich würde auch das Mannschaftshotel der Israelis bestens
bewacht, heißt es. Davon merkte man aber nichts. Am Abend vor dem Spiel
konnte man ungehindert ein- und ausgehen, egal ob man Klosterschüler oder
Waffenhändler ist. Beim Training konnte nicht zugeschaut werden. Die
Ordner, die hinter einem Stahlgitter stehen, weisen alle zurück, auf
Anordnung der UEFA. Wegen Israel? Nein, das wäre immer so. Richard
Möller-Nielsen, Israels dänischer Trainer, kommt vorbei und flachst
mit dem israelischen Fernsehteam, das auch vor dem Gitter warten muss.
Ich komme mir vor wie im Zoo, sagt Möller-Nielsen, der 1992
mit Dänemark Europameister geworden ist.
Ein Fernsehjournalist vom israelischen Sportkanal meint, dass die Spieler
über Politik reden, aber nicht sehr viel. Für die Spieler ist es
wichtig, vom Trainer aufgestellt zu werden, und dass sie gegen Österreich
gewinnen. Er erklärt, in Israel sei man sehr, sehr enttäuscht
gewesen, als Haiders FPÖ vor einem Jahr an die Regierung kam.
Für die Israelitische Kultusgemeinde in Wien sind diese Bedingungen keine
Besonderheit. Seit die FPÖ regiert, hätten die Pöbeleien gegen
Juden spürbar zugenommen. Seit die Politiker so reden, fühlen sich
auch die gemeinen Bürger legitimiert, ihre rechte Einstellung nach
außen zu tragen. Und manchmal werden sie auch handgreiflich.
In Wien leben nur noch knapp 10 000 Juden. Bevor Hitler kam, waren es
260 000. Bevor Hitler kam, gab es auch den großen Sportverein Hakoah
Wien, der in den zwanziger Jahren sogar mal österreichischer
Fußball-Meister war. Der einzige jüdische Fußballverein, den
es heute noch gibt, heißt Maccabi Wien und spielt in der 3. Klasse.
Österreichische Fans pfeifen bei der israelischen Nationalhymne. Weiterhin
hört man im Stadion dieses stakkatohafte Sieg-Sieg-Sieg-Gebrüll der
Fans. Man würde es am liebsten abdrehen, so wie man es am Fernsehen oder
am Radio abdrehen kann. Aber ändern würde es auch nichts. Es ist nun
mal da, genauso wie das Plakat in der rot-weiß-roten Fan-Kurve: Ich
bin stolz, ein Österreicher zu sein. Hier wirkt der Spruch noch
dämlicher als sonst.
Einige Österreicher, mindestens 27 Prozent wahrscheinlich, sehen das
übrigens anders. Gepfiffen werde bei jeder Hymne des Gastes, ob der
Spanien heiße oder Israel. Und Otto Baric, Österreichs
Nationaltrainer, erklärt nach dem 2:1-Sieg seiner Mannschaft, er habe zwar
nicht gepfiffen, aber man möge bedenken, die Israeli hätten
angefangen mit dem Pfeifen, bei unserem letzten Länderspiel in Tel Aviv.
Auge um Auge, wie im Alten Testament.
Teewald
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