Logo haben und cool sein.
Alles nur eine Frage des linken Zeitgeistes?
Das Massenornament ist der ästhetische
Reflex der von dem herrschenden Wirtschaftssystem erstrebten
Rationalität.
(Siegfried Kracauer, Ornament der Masse, 1927)
Kultur ist eine paradoxe Ware. Sie steht so völlig unterm
Tauschgesetz, daß sie nicht mehr getauscht wird; sie geht so blind im
Gebrauch auf, daß man sie nicht mehr gebrauchen kann. Daher verschmilzt
sie mit der Reklame.
(Horkheimer/Adorno, Dialektik der Aufklärung)
Man ist derzeit in den Kreisen leichtgläubiger Protestliebhaber
euphorisch. Nicht nur, daß der Begriff von Globalisierungsgegnerschaft
die Hirne im Nebel des Wahnsinns versinken läßt, entsteigen
demselben auch folgerichtig ihre Koryphäen. Zu einer solchen ist die unter
anderem vom linksliberalen Wochenblatt für Langweiler und Laberhälse,
der Jungle World, und dem Regierungsblatt taz abgefeierte Naomi
Klein geworden, die sich zum Vorwurf machen lassen muß, ein Buch namens
No Logo verfaßt zu haben. In freimütigem Bekenntnis
räumt die Klein ein, worum es ihr geht: einfach mal darüber reden,
daß ein Produkt noch keine Marke ist, daß Optimismus (...)
auch eine Form des Widerstands ist, die Markenwelt auch sowas böses
wie Totalitarismus sei, irgendwie alle die Sprache der Werbung und der Reklame
sprechen müssen, kurzum, wie schlimm das alles sei, was uns so umgibt.
Nicht müde werdend, weist Klein uns auch den Ausweg über den Protest
zur Befreiung. Der Ausweg aus der Ohnmächtigkeit vor den Unternehmen
wäre die Ablehnung von Lifestyle-Politik und zugleich (...) neue
Formen von Kreativität und Spaß als hedonistischer
Aspekt einer neuen Bewegung gegen die globalen Unternehmen. Das wäre
die neue Reflektiertheit und Aufrichtigkeit. Und da wir im
ironischen Zeitalter lebten, sei das durchaus radikal.
Radikal mit dem Ziel echter Gemeinschaften, echter Demokratie, echter
Macht des Einzelnen im globalen Zeitalter.
Das Schmalz des Widerstands-Kitsches tröpfelt von den Wänden der
eigenen beschränkten Sicht auf die Welt. Und ganz im Sinne der harm- und
zahnlosen Maschinenstürmer-Banden der Reclaim The Streets-Spinnerei
läßt sich nun vortrefflich in den Szenelöchern, innerhalb von
Aktionsgruppen und Universitäten über neue Formen von
fantasievollem Widerstand und antiautoritärer Spontaneität labern.
Das Schlimme dabei: dieser umherschwirrende Gedankenmüll, dessen
exemplarisches lächerliches Häufchen Elend die Klein nur darstellt,
interessiert die Leute wirklich. Es ist ihnen falsches Bedürfnis
angeblicher linker gesellschaftlicher Gestaltungspflicht.
Es ist schon belustigend, wie verdattert die Klein formuliert, daß sie
die Frage, wie man eine Antimarketingkampagne am besten vermarktet,
für ein extrem heikles Dilemma hält. Hier zeigt sich, was
dabei herauskommt, den Kapitalismus auf das zurechtzustutzen, was er
nicht ist: ein reines Machtimperium von multinationalen Unternehmen. Es
offenbart sich hier, daß die größten linken Antikommunisten,
die sich schon aus dem eigenen Verständnis heraus nur in der sogenannten
Bewegungslinken tummeln können, den traditionskommunistischen Irrglauben
des Marxismus-Leninismus unfreiwillig aber folgerichtig beerbt haben. Den
Irrglaube nämlich, daß das kapitalistische
Ausbeutungsverhältnis in erster Linie eine Frage der
Eigentumsverhältnisse im Sinne des Privateigentums an Produktionsmitteln
in den Händen der Wenigen wäre. Unangenehm von M-Lern aber
unterscheidet die linken Bewegungsnudeln, daß ihre eigenen
persönlichen Problemchen hier als kritischer Widerstand in die Welt
posaunt werden und noch nicht mal eine falsche Abstraktion gesellschaflicher
Verhältnisse erfolgt wie bei ersteren. Diese bewegten Knallos haben
niemals gelernt, was apersonale bürgerliche Verhältnisse sind, weil
sie niemals die Abstraktionskraft (Marx) des Denkens erfahren
konnten. Das muß und kann man ihnen nicht explizit zum Vorwurf machen,
weil ihr Denken und ihre falsche Kritik nur Ergebnis und Ausdruck eines
erbärmlichen Zustandes linker Gesellschaftskritik ist. Von diesem
geistigen Dünnschiß aber wegzukommen, gelingt nur, wenn man das
Denken der Linken auf Trab bringt, in dem man es nicht propagandistisch
umgarnt, sondern mit den eigenen Denkgebäuden konfrontiert und diese
kritisiert. Harmoniesucht, nicht zufällig ein konstitutiver universeller
Charakterzug jeder Widerstandsbewegung ist dem nur hinderlich und
muß demzufolge hintangestellt bleiben.
Schon im Vorwort zum Kapital stellt Marx klar, worum es ihm bei seiner Kritik
der bürgerlichen Gesellschaft nur gehen kann: Weniger als jeder
andere kann mein Standpunkt (...) den einzelnen verantwortlich machen für
Verhältnisse, deren Geschöpf er sozial bleibt, so sehr er sich auch
subjektiv über sie erheben mag. Genau das muß man mit der
gleich darauf folgenden Marxschen Feststellung zusammenbringen, daß
die jetzige Gesellschaft kein fester Kristall, sondern ein
umwandlungsfähiger und beständig im Prozeß begriffener
Organismus ist. Hier also schon benennt Marx drei der wichtigsten
Wesensmerkmale des Kapitalismus: Erstens, die grundsätzliche
Apersonalität der bürgerlichen Verhältnisse. Zweitens, die
permanente Veränderlichkeit bürgerlicher Verhältnisse. Und
drittens, die objektiven Grenzen dieser Veränderlichkeit, das heißt
die Außengrenzen des Organismus bürgerlicher
Gesellschaft als von objektiven und unveränderlichen
Konstitutionsbedingungen gekennzeichnet, die ein außerhalb im
Verhältnis zum Organismus grundsätzlich nicht zulassen.
Nun ist man immer versucht, und das eben ist die bürgerliche Logik, die
als Unlogik durch radikale Gesellschaftskritik am objektiv Ganzen enttarnt
werden muß, den Kapitalismus als etwas wahr zu nehmen, das sich zum einen
doch personifizieren ließe, weil ja Geschichte und Gesellschaft immer von
Menschen und nicht von Strukturen gemacht würden, und zum anderen,
daß diese von Menschen gemachte Gesellschaft sich dermaßen
verändere, daß es keine Objektivitäten und Wahrheiten
gäbe, sondern nur subjektive Wahrnehmungs- und Gestaltungspositionen.
Genau das aber ist die bürgerliche Ideologie, die einer linken
Gesellschaftskritik angreifen muß. Denn diese Ideologie verspricht
Identität, die die Menschen zur Rationalität und Vernunft
nötigt, ihnen einen Sinn im Kapitalismus aufzwingt. Die Menschen im
Zeitalter ihrer Überflüssigkeit, wie der Titel des Buches von
Wolfgang Pohrt lautet, sind in der Allgegenwart der Kulturindustrie darauf
angewiesen, sich ihre eigene Sinnstiftung zu halluzinieren. Dazu brauchen sie
Corporate Design und Corporate Identity als eine Form abstrakter Arbeit, die
den Marxschen Gebrauchswert längst für null und nichtig erklärt,
weil sich die gesellschaftliche Notwendigkeit der Produktion von
Gebrauchswerten längst so sehr erübrigt hat wie der einzelne Mensch
als Ideologie-Träger und Nutznießer. Das Identitätsstifende der
Markenware ist die Coolness als Ideologie vom überflüssigen Dasein.
Etwas, was Autoren wie Ulf Poschardt, der in seinem Buch Cool genau
diesem Begriff affirmativ auf dem Leim geht, nicht verstehen können, weil
sie die omnipräsente Inszenierungssucht der Coolness für das
Wesentliche dieser Gesellschaft halten.
Individualisierung als öffentlich zur Schau getragene Coolness ist
Zwangskollektivierung unter der objektiven Wahrheit der Warenform und des
Tausches. Markenware heißt also nicht zuällig so.
Zwangskollektivität ist die zur freiwilligen Selbstkontrolle mutierte Form
der Unterwerfung des bürgerlichen Subjekts. Im damaligen Dauerbrenner der
68er, Herbert Marcuses Der eindimensionale Mensch, steht alles
drin, was die gesellschaftliche Kontrolle in der fortgeschrittenen
Industriegesellschaft ausmacht dafür braucht es weder den
Objektivitäts- und Wahrheitsleugner Focault noch die Epigone Deleuze und
deren Heidegger-Fetisch des Seienden als die Wirklichkeit vom an
und für sich. Die Wirklichkeit, schreibt Marcuse, bildet
(...) eine fortgeschrittenere Stufe der Entfremdung aus. Diese ist
gänzlich objektiv geworden; das Subjekt, das entfremdet ist, wird seinem
entfremdeten Dasein einverleibt. Es gibt nur eine Dimension, und sie ist
überall und tritt in allen Formen auf. (...) Der Mechanismus selbst, der
das Individuum an seine Gesellschaft fesselt, hat sich geändert, und die
soziale Kontrolle ist in den neuen Bedürfnissen verankert, die sie
hervorgebracht hat.
Auch darauf, warum solche Bücher wie No Logo oder
Cool in angeblich linken Kreisen großen Anklang finden,
wußte Marcuse mit seiner Kritik der gesellschatlichen
Eindimensionalität Antwort: Mit der allmählichen Absperrung
dieser Dimension durch die Gesellschaft nimmt die Selbstbeschränkung des
Denkens eine umfassendere Bedeutung an.
Was kann es also schöneres und radikaleres geben, als diese
bürgerliche Grenze für Kritik aufzusprengen.
Ralf
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