home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[75][<<][>>]

das Erste, 1.3k

Die BSE-Krise betrifft uns ausnahmslos alle!

Ralf, 15.1k “(...) Die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor. Seit Dezennien ist die Geschichte der Industrie und des Handels nur die Geschichte der Empörung der modernen Produktivkräfte gegen die modernen Produktionsverhältnisse (...).
In den Handelskrisen wird ein großer Teil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus (...) – die Epidemie der Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg scheinen alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel, zuviel Industrie, zu viel Handel besitzt. Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Eigentumverhältnisse; im Gegenteil, sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden von ihnen gehemmt.
(...) Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften, andererseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte.”
Was Marx und Engels da im Kommunistischen Manifest schrieben, paßt mal wieder wie die Faust aufs Kuh-Auge der sogenannten BSE-Krise.
Da hat also die Produktivkraft wissenschaftliche Forschung irgendwie einen Zusammenhang zwischen verfüttertem Tiermehl und der Creutzfeldt-Jacob-Krankheit ausgemacht. Jener Zweig des Kapitals also, dessen übergeordneter Zweck allein darin besteht, auf verschlungenen Pfaden den perfekten Menschen – das bürgerliche Subjekt an sich als biologisches Wesen möglich zu machen. Daß der freie autonome Wille der Wissenschaft ohnehin ein bürgerlicher Treppenwitz und üble Verarsche ist, können Linke teilweise immer noch nicht verstehen.
Skizzieren wir zum Verständnis mal ganz kurz und vereinfacht, wie es der deutschen Kuh auf dem Agrar-Markt so ergeht. Daß sie geboren worden ist, liegt zum einen daran, daß sie vernutzt werden soll und zum anderen daran, daß die Mutterkuh nur effektiv Milch gibt, wenn sie einmal jährlich kalbt – das hat die Forschung herausgefunden. Ein Großteil der Kälber kommt also nur deshalb zur Welt, damit die Mutter ordentlich Milch erzeugt. Von dieser Milch aber gibt es auf dem EU-Markt soviel, daß unzählige Liter mit Subventionen der EU einfach in die Gosse gekippt werden müssen, damit der Markt-Preis ordentlich Profit zum Überleben abwirft. Man kann die Milch eben auch nicht einfach so in ärmere Länder exportieren. Zum einen kann die dort, wo sie fehlt, niemand bezahlen, zum anderen würde das den Literpreis auf dem Weltmarkt in den Keller und die europäischen Bauern in den Ruin treiben. Aber zurück zu unserer Jungkuh. Das Kälbchen wird größer und größer und die Mutter älter und älter. Damit letztere noch was einbringt, muß sie also geschlachtet werden. Weil man aber nicht alles von der Mutterkuh dem Metzger verkaufen kann, hat die Forschung im Auftrag der Bauern geforscht und geforscht, wie der bisher unverwertbare Teil auch noch Gewinn erbringen könnte. Da kam man auf die tolle Idee, aus dem Kadaverrest der Mutterkuh Mehl zu mahlen und das dann vermengt mit Futter-Getreide, was in Unmegen in den armen Ländern der Welt monokulturell nur zur Verfütterung an unsere deutsche Kuh angebaut wird, an unser Kälbchen zu verfüttern. Die Forschung hat dabei genau nach Risiken und Nebenwirkungen für die Menschen geforscht. Sie hat haargenau den „Grenzwert“ berechnet, wann der Mensch als Ware Arbeitskraft an einer Überdosis Tiermehl verrecken und wann er weiter den Mehrwert als „doppelt freier Lohnarbeiter“ apgepreßt bekommen kann. Die EU hat diesen von der Forschung ermittelten Grenzwert dann so verrechtlicht, daß nun amtlich ist, bis zu welcher Dosis Tiermehl die Arbeitskraft des Menschen nicht nachläßt.
Da unzählige Rinder innerhalb der EU nur deshalb subventioniert geschlachtet werden, damit der Warenwert des Stückgutes Rind nicht in den Keller fällt, macht das die Sache besonders attraktiv. Zu schlachtendes Vieh wegen „Überproduktion“ kann so sinnvoll als Tiermehl wieder verfüttert werden.
Bei unserem jugendlichen Kälbchen wird nun diagnostiziert, daß der „Grenzwert“ des Tiermehls doch nicht ganz so stimmig sein könnte und jemand im Forschungszentrum vermutet gar, daß es einen Zusammenhang zwischen der Creutzfeldt-Jacob-Krankheit und dem verfütterten Tiermehl gibt. Irgendwann dringt das an die Öffentlichkeit und alle sind hysterisch. „Seit den 70er Jahren wissen Industrie, Bauern und Politik von den Problemen im Tierfutter“, gibt sich der geschaßte Sozialstaatler Oskar Lafontaine beispielhaft selbstbetroffen. Und die Krise, erzeugt einzig und allein durch Überproduktion der Produktivkräfte, verlangt, wie Marx und Engels oben schrieben, die „Vernichtung“ der krisenhaften Produktivkräfte.
„Gefordert ist nichts geringeres als das Ende der Massentierhaltung, das Abschmelzen des Bestandes von 14,5 Millionen auf 10 Millionen Rinder“, konstatiert der Spiegel, was nichts anderes heißt, als daß, wie Marx und Engels schrieben, die herkömmliche Produktivkraft der Massentierhaltung „zu gewaltig für diese Verhältnisse“ geworden ist: „Die Bourgeoisie kann nicht existieren, ohne die Produktionsinstrumente, also die Produktionsverhältnisse, also sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse fortwährend zu revolutionieren“, heißt es im Kommunistischen Manifest.
Unser jugendliches Kälbchen, um die Geschichte abzurunden, wird wegen des Verdachts auf BSE zusammen mit weiteren 400 000 Viechern in Deutschland – ungefähr 10 Prozent der jährlichen gesamten Menge – geschlachtet und dann verbrannt, „weil sonst der Markt zusammenbricht“ (Bild). Dafür bekommt der Bauer statt der handelsüblichen DM 760,- glatte DM 1000,- pro Tier „Entschädigung“ aus Bundesmitteln. „Marktbereinigung“ nennt man das betriebswirtschaftlich. Daß auch die Verbrennung einen Marktwert haben muß, damit sie überhaupt stattfindet, wen verwundert das noch. Die Forschung hat erforscht: „Tiermehl hat einen Heizwert von 20 Megajoule je Kilogramm, etwas mehr als Braunkohle“ (Spiegel).
Gemeinhin weiß man, daß im Wahnsinn Kapitalismus nicht mal der Tod umsonst ist. „Die persönliche Würde (ist) in den Tauschwert aufgelöst und an die Stelle der zahllosen verbrieften und wohlerworbenen Freiheiten die eine gewissenlose Handelsfreiheit gesetzt“ (Kommunistisches Manifest). Der bürgerliche Schleier von Interessengegensätzen als Ausdruck demokratischer Willensbildung verdeckt die Logik der totalen Produktions- und Lebensweise. So nennt die Bild wie aus dem Nichts die Massenschlachtung „pervers“, fragt der Spiegel entsetzt, ob „der Mensch einfach so totschießen und totspritzen“ dürfe, „was sonst zu billig“ würde oder stellt die FAZ aus innerster bürgerlicher Überzeugungstäterschaft fest, daß „dieser Irrsinn, der in der jetzigen Situation nicht mehr aufgehalten werden“ könne, nur das „Ergebnis einer verfehlten, auf Industrialisierung abzielenden Landwirtschaftspolitik“ sein kann, an dem sich erst etwas ändern würde, „wenn es in ganz Europa zu einem Sinneswandel in der Öffentlichkeit und in der Politik“ käme.
Die gesellschaftliche Vermitteltheit der abstrakten Warenform als konkreter Tausch – also Marktwert, hat die Menschen so in ihren Fetisch-Bann gezogen, daß im behandelten Fall nicht der Wahnsinn, der den sogenannten Rinderwahnsinn erzeugt, ins Blickfeld geraten kann, sondern bloß die Wirkung des alltäglichen und gewöhnlichen Kapitalismus: Es tun, ohne es zu wissen (Karl Marx) ist notwendig falsches Bewußtsein (Georg Lukacs).
Ralf


home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[75][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007