Die BSE-Krise betrifft uns ausnahmslos alle!
(...) Die moderne bürgerliche Gesellschaft,
die so gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht
dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen
vermag, die er heraufbeschwor. Seit Dezennien ist die Geschichte der Industrie
und des Handels nur die Geschichte der Empörung der modernen
Produktivkräfte gegen die modernen Produktionsverhältnisse
(...).
In den Handelskrisen wird ein großer Teil nicht nur der erzeugten
Produkte, sondern der bereits geschaffenen Produktivkräfte
regelmäßig vernichtet. In den Krisen bricht eine gesellschaftliche
Epidemie aus (...) die Epidemie der Überproduktion. Die
Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei
zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg
scheinen alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel
scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel
Lebensmittel, zuviel Industrie, zu viel Handel besitzt. Die
Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur
Beförderung der bürgerlichen Eigentumverhältnisse; im Gegenteil,
sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden von
ihnen gehemmt.
(...) Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch
die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften, andererseits
durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung
alter Märkte.
Was Marx und Engels da im Kommunistischen Manifest schrieben, paßt mal
wieder wie die Faust aufs Kuh-Auge der sogenannten BSE-Krise.
Da hat also die Produktivkraft wissenschaftliche Forschung irgendwie einen
Zusammenhang zwischen verfüttertem Tiermehl und der
Creutzfeldt-Jacob-Krankheit ausgemacht. Jener Zweig des Kapitals also, dessen
übergeordneter Zweck allein darin besteht, auf verschlungenen Pfaden den
perfekten Menschen das bürgerliche Subjekt an sich als biologisches
Wesen möglich zu machen. Daß der freie autonome Wille der
Wissenschaft ohnehin ein bürgerlicher Treppenwitz und üble Verarsche
ist, können Linke teilweise immer noch nicht verstehen.
Skizzieren wir zum Verständnis mal ganz kurz und vereinfacht, wie es der
deutschen Kuh auf dem Agrar-Markt so ergeht. Daß sie geboren worden ist,
liegt zum einen daran, daß sie vernutzt werden soll und zum anderen
daran, daß die Mutterkuh nur effektiv Milch gibt, wenn sie einmal
jährlich kalbt das hat die Forschung herausgefunden. Ein
Großteil der Kälber kommt also nur deshalb zur Welt, damit die
Mutter ordentlich Milch erzeugt. Von dieser Milch aber gibt es auf dem EU-Markt
soviel, daß unzählige Liter mit Subventionen der EU einfach in die
Gosse gekippt werden müssen, damit der Markt-Preis ordentlich Profit zum
Überleben abwirft. Man kann die Milch eben auch nicht einfach so in
ärmere Länder exportieren. Zum einen kann die dort, wo sie fehlt,
niemand bezahlen, zum anderen würde das den Literpreis auf dem Weltmarkt
in den Keller und die europäischen Bauern in den Ruin treiben. Aber
zurück zu unserer Jungkuh. Das Kälbchen wird größer und
größer und die Mutter älter und älter. Damit letztere noch
was einbringt, muß sie also geschlachtet werden. Weil man aber nicht
alles von der Mutterkuh dem Metzger verkaufen kann, hat die Forschung im
Auftrag der Bauern geforscht und geforscht, wie der bisher unverwertbare Teil
auch noch Gewinn erbringen könnte. Da kam man auf die tolle Idee, aus dem
Kadaverrest der Mutterkuh Mehl zu mahlen und das dann vermengt mit
Futter-Getreide, was in Unmegen in den armen Ländern der Welt
monokulturell nur zur Verfütterung an unsere deutsche Kuh angebaut wird,
an unser Kälbchen zu verfüttern. Die Forschung hat dabei genau nach
Risiken und Nebenwirkungen für die Menschen geforscht. Sie hat haargenau
den Grenzwert berechnet, wann der Mensch als Ware Arbeitskraft an
einer Überdosis Tiermehl verrecken und wann er weiter den Mehrwert als
doppelt freier Lohnarbeiter apgepreßt bekommen kann. Die EU
hat diesen von der Forschung ermittelten Grenzwert dann so verrechtlicht,
daß nun amtlich ist, bis zu welcher Dosis Tiermehl die Arbeitskraft des
Menschen nicht nachläßt.
Da unzählige Rinder innerhalb der EU nur deshalb subventioniert
geschlachtet werden, damit der Warenwert des Stückgutes Rind nicht in den
Keller fällt, macht das die Sache besonders attraktiv. Zu schlachtendes
Vieh wegen Überproduktion kann so sinnvoll als Tiermehl wieder
verfüttert werden.
Bei unserem jugendlichen Kälbchen wird nun diagnostiziert, daß der
Grenzwert des Tiermehls doch nicht ganz so stimmig sein könnte
und jemand im Forschungszentrum vermutet gar, daß es einen Zusammenhang
zwischen der Creutzfeldt-Jacob-Krankheit und dem verfütterten Tiermehl
gibt. Irgendwann dringt das an die Öffentlichkeit und alle sind
hysterisch. Seit den 70er Jahren wissen Industrie, Bauern und Politik von
den Problemen im Tierfutter, gibt sich der geschaßte Sozialstaatler
Oskar Lafontaine beispielhaft selbstbetroffen. Und die Krise, erzeugt einzig
und allein durch Überproduktion der Produktivkräfte, verlangt, wie
Marx und Engels oben schrieben, die Vernichtung der krisenhaften
Produktivkräfte.
Gefordert ist nichts geringeres als das Ende der Massentierhaltung, das
Abschmelzen des Bestandes von 14,5 Millionen auf 10 Millionen Rinder,
konstatiert der Spiegel, was nichts anderes heißt, als daß,
wie Marx und Engels schrieben, die herkömmliche Produktivkraft der
Massentierhaltung zu gewaltig für diese Verhältnisse
geworden ist: Die Bourgeoisie kann nicht existieren, ohne die
Produktionsinstrumente, also die Produktionsverhältnisse, also
sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse fortwährend zu
revolutionieren, heißt es im Kommunistischen Manifest.
Unser jugendliches Kälbchen, um die Geschichte abzurunden, wird wegen des
Verdachts auf BSE zusammen mit weiteren 400 000 Viechern in Deutschland
ungefähr 10 Prozent der jährlichen gesamten Menge geschlachtet
und dann verbrannt, weil sonst der Markt zusammenbricht
(Bild). Dafür bekommt der Bauer statt der handelsüblichen DM
760,- glatte DM 1000,- pro Tier Entschädigung aus
Bundesmitteln. Marktbereinigung nennt man das
betriebswirtschaftlich. Daß auch die Verbrennung einen Marktwert haben
muß, damit sie überhaupt stattfindet, wen verwundert das noch. Die
Forschung hat erforscht: Tiermehl hat einen Heizwert von 20 Megajoule je
Kilogramm, etwas mehr als Braunkohle (Spiegel).
Gemeinhin weiß man, daß im Wahnsinn Kapitalismus nicht mal der Tod
umsonst ist. Die persönliche Würde (ist) in den Tauschwert
aufgelöst und an die Stelle der zahllosen verbrieften und wohlerworbenen
Freiheiten die eine gewissenlose Handelsfreiheit gesetzt (Kommunistisches
Manifest). Der bürgerliche Schleier von Interessengegensätzen als
Ausdruck demokratischer Willensbildung verdeckt die Logik der totalen
Produktions- und Lebensweise. So nennt die Bild wie aus dem Nichts die
Massenschlachtung pervers, fragt der Spiegel entsetzt, ob
der Mensch einfach so totschießen und totspritzen dürfe,
was sonst zu billig würde oder stellt die FAZ aus
innerster bürgerlicher Überzeugungstäterschaft fest, daß
dieser Irrsinn, der in der jetzigen Situation nicht mehr aufgehalten
werden könne, nur das Ergebnis einer verfehlten, auf
Industrialisierung abzielenden Landwirtschaftspolitik sein kann, an dem
sich erst etwas ändern würde, wenn es in ganz Europa zu einem
Sinneswandel in der Öffentlichkeit und in der Politik käme.
Die gesellschaftliche Vermitteltheit der abstrakten Warenform als konkreter
Tausch also Marktwert, hat die Menschen so in ihren Fetisch-Bann
gezogen, daß im behandelten Fall nicht der Wahnsinn, der den sogenannten
Rinderwahnsinn erzeugt, ins Blickfeld geraten kann, sondern bloß die
Wirkung des alltäglichen und gewöhnlichen Kapitalismus: Es tun, ohne
es zu wissen (Karl Marx) ist notwendig falsches Bewußtsein (Georg
Lukacs).
Ralf
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