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Im Folgenden dokumentieren wir ein Flugblatt der Rote Hilfe Ortsgruppe Leipzig, welches sich mit der DNA-Analyse und deren inflationären Anwendung, auch gegen Linksradikale, auseinandersetzt.
Da bleibt die Spucke weg
DNA-Analyseverfahren in Leipzig

Spätestens seit 1997 hat sich die DNA-Analyse zu einem der tragenden Sachbeweise in Ermittlungsverfahren entwickelt. Mit der Änderung der StPO (Strafprozeßordnung) bzw. deren Ergänzung um die [[section]][[section]] 81e und 81f ist es dem Repressionsapparat möglich geworden, an aufgefundenem, sichergestelltem oder beschlagnahmten Spurenmaterial molekulargenetische Analysen durchzuführen. Gleiches gilt bei Spurenmaterial, das bei körperlichen Untersuchungen gewonnen wurde. Die schon seit Jahren angewandte Praxis bekam so eine gesetzliche Legitimation.
Eine vollständige Etablierung und Verbreitung von DNA-Analysen erfolgte ein Jahr später im Rahmen von DNA-Massenscreenings nach einem Sexualmord an einem Mädchen im Raum Cloppenburg. Etwa 18 000 Männer haben damals ihren genetischen Fingerabdruck abgegeben, um die Ergreifung des Täters voranzutreiben. Der öffentliche Diskurs um diesen Sachbeweis war nicht zuletzt aufgrund solcher Fälle streng mit der Bekämpfung von Vergewaltigung und Kindesmißbrauch gekoppelt. Diese „Bekämpfung“ erschöpfte sich allerdings in der Forderung nach einem starken Staat, ohne die patriarchalen Herrschaftsverhältnisse innerhalb dieser Gesellschaft auch nur annähernd in Frage zu stellen. Der „genetische Fingerabdruck“ wurde zur konstruierten Lösung des Problems, auf das die verantwortlichen Behörden bei jeder neuen Ausweitung der DNA-Analysen mit Nachdruck verwiesen. In diesem Sinne ließ der damalige Innenminister Kanther Anfang 1998 eine bundesweite Gen-Datei beim BKA erstellen, die am 07.09.98 durch das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz legalisiert wurde. In dem Gesetz wird die Speicherung, Verarbeitung und Nutzung der erhobenen Gen-Merkmale für zulässig erklärt. Der in die StPO eingefügte [[section]] 81g sollte das strafprozeßual absichern.
Die geltenden Regelungen beschränken sich (erwartungsgemäß) nicht auf Sexualstraftäter, sondern zielen auf alle „Verbrecher“ ab, die im Verdacht stehen, eine „Straftat von erheblicher Bedeutung“ begangen zu haben oder denen eine solche nachgewiesen werden konnte. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich zusammenzureimen, daß auch politisch intendierte Delikte in den Rahmen des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes fallen. Mit zunehmender Häufigkeit waren und sind Menschen aus der linksradikalen Bewegung von dieser Ausformung staatlicher Repression betroffen. Der im folgenden beschriebene Fall ist dafür exemplarisch.
Am Abend des 20. April 2000 (dem Geburtstag Adolf Hitlers) wurden im Leipziger Stadtteil Grünau bei einer Auseinandersetzung drei Neonazis verletzt. Laut staatsanwaltschaftlicher bzw. polizeilicher Ermittlung sollen die Täter teilweise vermummt gewesen sein, während sie mit Knüppeln auf die geschädigten Neonazis einschlugen.
Vierzig Minuten später wurde ein Auto in der Nähe des Tatortes durch die Polizei gestoppt. Unter dem Vorwurf einer „gemeinschaftlich begangenen schweren Körperverletzung“ ([[section]][[section]] 223, 224 I 2 und 4, 25 II StGB) in oben erwähntem Fall nahmen die Beamten die fünf Insassen des PKW in Gewahrsam, wo sie einer erkennungsdienstlichen Behandlung zugeführt wurden. Neben dem Erstellen von Fingerabdrücken und Fotografien, legten die Bullen den Betroffenen die freiwillige Abgabe einer Speichelprobe (vergeblich) nahe.
Etwa eineinhalb Monate später suchten zivile Polizeibeamte die betroffenen Personen in ihren Wohnungen auf, um ihnen einen richterlichen Beschluß des Amtsgerichts Leipzig zur Abgabe eines Speicheltests gemäß [[section]] 81a StPO (Strafprozeßordnung) auszuhändigen.
Dabei machten sich die Bullen sogar die Mühe, im sozialen und familiären Umfeld der Angeklagten nach deren tatsächlichem Aufenthaltsort zu forschen. So wurde z.B. in einem Fall ein ehemaliger Mitbewohner befragt, oder in einem anderen an der Schule eines Beschuldigten recherchiert.
Das von der Polizei überreichte Papier begründet die Abgabe einer DNA-Probe, sinngemäß, als Maßnahme zur Beweissicherung bzw. zur Feststellung von für das Verfahren bedeutsamen Spuren. In Anbetracht der Tatsache, daß weder an beschlagnahmten Gegenständen der Beschuldigten noch an den am Tatort gefundenen Beweismitteln molekulargenetische Untersuchungen durchgeführt wurden, läßt diese Eingebung mehr als zweifelhaft erscheinen.
Nachdem für die Repressionsbehörden ersichtlich wurde, daß die betroffenen Personen den ergangenen Beschluß soweit wie möglich herauszuzögern gedachten, folgte am 21. Juli 2000 eine weitere, ungleich schärfer verfaßte Anordnung des Amtsgerichts. Die Entnahme des genetischen Fingerabdrucks wird darin mit einer zusätzlichen polizeilichen Vorführung, sowie einer der Ergreifung der Beschuldigten dienenden Wohnungsdurchsuchung nach [[section]] 102 StPO angeordnet.
Die durch das Gericht implizierte „Stärke des Tatverdachtes“, auf die sich der DNA-Entnahmebeschluß berief, erwies sich nicht erst nach erwirkter Akteneinsicht als haltlose Unterstellung. So konnten Polizei und Staatsanwaltschaft bislang keinerlei begründete und rechtlich haltbaren Verdachtsmomente gegen die Beschuldigten vorweisen. Diesem Umstand ist bspw. die Tatsache geschuldet, daß es den Beschlüssen des Amtsgerichts, einer nach [[section]] 34 StPO erforderlichen Begründung ermangelt. Offensichtlich reichten die Indizien nicht aus, um die verhängten Maßnahmen argumentativ hinreichend zu fundieren.
Aus diesem und anderen Gründen legten die AnwältInnen der Betroffenen beim Amtsgericht Leipzig Beschwerde gegen die ergangenen Beschlüsse ein und beantragten, deren Vollzug auszusetzen.
Das Landgericht Leipzig stellte sich jedoch in dritter Instanz hinter die Beschlüsse des Amtsgerichts, indem es deren Entscheidungen als der Sach- und Rechtslage entsprechend und im Ergebnis als nicht beanstandenswert beurteilte. Die oben genannten Anordnungen wurden damit endgültig bestätigt. Die letzte noch verbliebene juristische Option zur Abwendung der DNA Untersuchung stellte der Gang vor das Landesverfassungsgericht dar, den schließlich drei der Betroffenen am 04.12.2000 beschritten.
Trotz dieses noch laufenden Rechtsstreit wurden die Beschuldigten am Tag darauf erneut durch die Polizei heimgesucht, die in Berufung auf die ja noch gültigen DNA-Entnahmebescheide des Amtsgerichts zur Abgabe des genetischen Fingerabdrucks drängte. Während einer der Betroffenen sich dem richterlichen Beschluß noch in seiner Wohnung beugte, wurde die DNA-Entnahme bei den übrigen Beschuldigten auf der Wache vollzogen. Dieses Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft entbehrt jeder rechtlichen Legitimation, weil die Beschlüsse des Amtsgerichts bis zur Klärung der Verfassungsbeschwerde außer Kraft gesetzt waren!
Dieser Fall stellt den ersten Berührungspunkt der Leipziger linksradikalen Szene mit dem „genetischen Fingerabdruck“ dar, bei dem es die hiesigen Behörden jedoch nicht bewenden ließen. Seit Abgabe der DNA am 05.12.2000 (siehe oben) sahen sich bereits zwei weitere Menschen mit Speichelproben konfrontiert.
Mit der Entnahme und Speicherung von DNA-Proben hat sich der Staat ein neues Instrumentarium geschaffen, das sowohl „präventive“, als auch „repressive“ Ziele verfolgt, die zu Gesetzeskonformität mahnen. Waren herkömmliche Beweismittel, die Rückschlüsse auf die Identität eines Menschen zuließen, wie etwa Fingerabdrücke partiell umgehbar, steht die DNA Analyse für eine neue Qualität der Kontrolle. Nicht zuletzt aus diesem Grund erfreut sich der genetische Fingerabdruck in staatlichen Kreisen wachsender Beliebtheit, die sich in einer bisweilen inflationären Anwendung niederschlägt. Neben den bereits flächendeckend erstellten DNA-Identifizierungsmuster von Häftlingen werden auch MigrantInnen, denen die verantwortlichen Behörden das Recht auf Asyl verwehrten, immer häufiger zur Abgabe ihrer Erbinformationen gezwungen. In der Zukunft dürfte sich parallel mit der geplanten Einrichtung einer DNA-Kartei auf europäischer Ebene die Entnahme von Speichelproben als ein standardisierter Sachbeweis in der polizeilichen Praxis etabliert haben. Eine ED-Behandlung ohne genetischen Fingerabdruck ist in den nächsten Jahren wohl kaum mehr vorstellbar. Jedoch sind DNA-Analysen nur im Kontext einer Überwachungsgesellschaft zu begreifen, die auf die rote hilfe logo, 3.2k völlige Transparenz und Kontrolle menschlichen Lebens abstellt!

Gegen Repression und Überwachungslogik!
Für eine unkontrollierbare radikale Linke!

Rote Hilfe OG Leipzig



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last modified: 28.3.2007