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Veranstaltungsankündigung |
Ball & Birne | |
Zur Kritik der herrschenden Fußballkultur Dieter Bott/Marvin Chlada/Gerd Dembrowski
Fußball ohne Grenzen lautete das Motto,
als sich mit den Niederlanden und Belgien erstmals zwei Länder im
Doppelpack um die Austragung der EM 2000 bemühten. Schön hatten sie
sich das ausgedacht, doch seit sie den Zuschlag bekamen, setzten die
Veranstalter alles daran, ihre ursprüngliche Idee ad absurdum zu
führen. Beide stellten sich auf einen Belagerungszustand ein.
Schnellgerichte inklusive Geldautomaten zur problemlosen Strafgeldentnahme
werden installiert, Räume für provosorische Knäste
bereitgestellt. Wer ärger macht, wird sofort verhaftet sagt
Belgiens Innenminister Antonie Duquesne.
Der Sport ist der Kitt, der in der modernen Gesellschaft vor allem unter Männern alles zusammenhält. Mit diesen Worten beginnt das Buch Ball und Birne und diese These bildet auch die Grundlage bei der Kritik der herrschenden Fußballkultur (so der Untertitel), die auf den folgenden Seiten vorgenommen wird. Dabei werden Themen wie Fußball als Menschenrecht oder Wider den durchkapitalisierten Fußballsport aufgegriffen und Vergleiche mit den verschiedensten Lebensbereichen angestellt: Was hat Fußball mit Sexualität, Religion oder Militär zu tun? Die von der bürgerlichen Gesellschaft reduzierte Sexualität auf Männerbündelei, Härteideal und Leistungszwang überträgt sich ebenfalls auf das übertriebene männliche Verhalten in Fußballstadion, wenn es heißt, Fummel nicht so lange rum und Fackel nicht so lang, sondern mach ihn rein. (>>Schieb ihn rein<< Fußball und Sexualität) Wie beeinflusst dieser Sport die Politik oder die Kulturlandschaft? Die kurzen Kommentare setzen sich sehr kritisch, vielfach auch satirisch und bewusst provokant mit der Stellung des Fußballs in der heutigen Gesellschaft auseinander. Auch Fußball war out und verpönt erinnert sich gramvoll der heutige Anwalt Mike Knöss, der sein vielversprechendes Stürmertalent einer Marburg-Elf entzog und der Studentenbewegung opferte. Diese trostlosen und Sportschau-abstinenten Zeiten währten jedoch nicht lange. Anfang/Mitte der 70er Jahre, als die militanten Frankfurter Häuserkämpfer durch die kontrollierte Offensive der Polizei zurückgedrängt worden waren und auch die Irritationen der Frauenbewegung abzuschütteln begannen, wurden immer entschlossener wieder die Fußballstiefel geschnürt. Und stets vorneweg: die beiden Bellizisten Daniel Cohn-Bendit und Joschka Fischer. Foule Spielweisen und unsinniges Kultgehabe werden offengelegt, teilweise mit verbalen Blutgrätschen gegen die Beseitigung der Stehplätze in Stadien und den immer mehr zum Pseudofußball mutierenden Sport vorgegangen. Im Mittelpunkt der Betrachtungen steht dabei immer wieder der Fußballfan, der zwar immer mehr vom Teil des soziokulturellen Zenariums zu einem stark abnehmenden Wirtschaftsfaktor verkommt, aber durch Vereinigungen wie BAFF (Bündnis Aktiver Fußball Fans) oder durch verschiedene Fanzines seine Meinung vertreten und auf sich aufmerksam machen kann. Auch das Verhältnis zwischen dem Volkssport Fußball und der Politik ist innig: Politiker drängen in die Mannschaftskabinen und sitzen in den Stadien, denn hier kann das Wir-Gefühl gestärkt werden. Die akuten gesellschaftlichen Probleme dagegen stehen im Abseits. Neben zahlreichen Zitaten von Persönlichkeiten aus Politik, Sport, Kultur und Philosophie (Schopenhauer, Adorno, Freud) lockern vor allem die Karikaturen von Burkhard Fritsche dieses Buch auf, das insbesondere für diejenigen interessant sein dürfte, die den Fußball mal aus einem nicht Knüppel statt Kultur Blickwinkel betrachten wollen, wie er uns im Fernsehen immer vorgegeben wird. Alles im allem, Pflichlektüre für aber nicht nur alle Fans und das große Umfeld des RSL zum jetzigen Zeitpunkt, spätestens in zwei Jahren beim Abschied aus der Kreisklasse! |
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