Who the fuck is the new Germany?
Deutschland ist der gute Botschafter Israels in
Europa. (Bild, 17.02.2000)
Ivan Nagel, der diesjährige Träger des
Moses-Mendelssohn-Preises zur Förderung der Toleranz, hat den Deutschen
vorgehalten, sie hätten im üppigen Wohlstand der Nachkriegszeit keine
Generosität für das Andere, das Fremde entwickelt. Die
Amerikaner seien da ganz anders: offener und großzügiger im Umgang
mit anderen Kulturen. Der Zusammenhalt der Amerikaner als Nation beruhe eben
nicht auf dem Pragmatismus reiner Wohlstandsmehrung, sondern auf den tragenden
Ideen ihrer Geschichte. (...)
Offen für das Fremde ist, wer sich des Eigenen sicher ist. Die
Deutschen haben nichts mehr, was ihnen heilig ist. Sie sind nicht
selbstbewußt. Sie dürfen es nicht sein. Die medialen Schulmeister
hämmern es ihnen ein: Deutsche Bestimmung sei es, sich bis ans Ende aller
Tage dafür zu schämen, jenem Volk anzugehören, das den
schrecklichsten Völkermord der Geschichte auf dem Gewissen hat. Stolz darf
ein Deutscher allenfalls darauf sein, daß er sich dieser Verantwortung
bewußt ist. (...)
Welcher deutsche Klassiker ist noch nicht vom Sockel geholt worden, um der
unkritischen Verehrung entzogen zu werden? Worauf soll man noch
aufbauen, wenn sogar das Wort deutsche Tugenden mit einem negativen
Vorzeichen versehen ist? (...)
Um sich wie ein Deutscher zu fühlen, müßte ein
Ausländer seinen Nationalstolz gegen einen Nationalkomplex eintauschen;
seinen Atatürk, seinen Pilsudski oder Garibaldi hergeben für
Nationalhelden mit Verfallsdatum wie Boris Becker oder Michael Schumacher.
(...)
Wer sich der Frage nach der Leitkultur verweigert, wird auch die Lösung
für die andere, die Ausländerfrage, nicht finden.
(Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ vom 25.10.2000)
Statt einer Antwort soll die Lösung her. Das ist es, was die
Deutschen derzeit an- und umtreibt. Wie eine Hammelherde tappelt das deutsche
Fußvolk den Leitkultur-Tieren hinterher. Und es stellt sich nicht zu
hunderttausenden gegen die Entfacher der ganzen Kampagne zur endgültigen
Transformation deutscher Corporate Identity, sondern maximal ergänzend an
ihre Seite.
Was uns im Namen der Zukunft geboten wird, ist in Wahrheit kaum mehr
als Vergangenheitsbewältigung. (FAZ, 9.11.2000)
Wenn man einmal von einer Ära Schröder sprechen wird und den
politischen Gezeitenwechsel beschreiben will, den sie bedeutete, dann wird man
auf dem Gebiet der Geschichtspolitik vielleicht die deutlichsten Spuren finden.
Kohl hing der deutsche Geschichtsboden schwer an den Füßen, und
schnaufend kämpfte er sich seinem Die deutsche Einheit und die
europäische Einheit sind zwei Seiten ein und derselben Medaille
entgegen. Bei Schröder ist das abgehakt. Im Verbund der europäischen
Linken arbeitet er an der Europäisierung des Holocaust. Das entlastet die
Deutschen (...). (FAZ, 11.02.2000)
Und sie marschieren (...) an der Spitze der europäischen
Integration, weil ihnen die europäische Idee eine neue, unbelastete
Identität bot. (FAZ, 03.04.2000)
Ein Staat wie Deutschland ist, wie Außenminister Fischer sagt,
wegen seiner Größe und Lage ein objektiver Machtfaktor, ob er
es will oder nicht. Wie alles menschliche Handeln wird auch das
staatliche von Interessen geleitet. (...)
Auch wenn Schröder und Fischer noch nicht alle Feinheiten der
Interessenvertretung eines großen Landes beherrschen, folgt die deutsche
Außenpolitik doch weiter den Leitlinien, die von einer traumatischen
historischen Erfahrung, aber auch vom Selbstverständnis einer modernen
erfolgreichen und sich ihrer internationalen Verantwortung bewußten
Demokratie geprägt sind. (...)
Vor zehn Jahren, als in Berlin die Mauer fiel, war die Bereitschaft der
Deutschen und ihrer Nachbarn groß, an Wunder zu glauben. Selbst damals
hätte jedoch als wilde Fantasterei gegolten, was seither die kaum noch
bestaunte deutsche Wirklichkeit geworden ist: daß ein
sozialdemokratischer Kanzler und sein grüner, einst pazifistischer
Außenminister deutsche Soldaten in einen europäischen Krieg
schicken, Deutschland eine Großmacht nennen und von legitimen nationalen
Interessen sprechen. (...)
Wenn das Wort Berliner Republik für grundlegende
Änderungen stehen soll, dann am ehesten für solche im
gesellschaftlichen und staatspolitischen Verhältnis zur militärischen
Gewalt. (FAZ, 03.04.2000)
Erst jüngst wurde Tacheles geredet, bei der Kommandeurstagung der
Bundeswehr in Leipzig mitte November, von der kein (linkes) Schwein etwas im
Vorfeld mitbekam, so bleibt zu hoffen wenn nämlich doch Linke davon
Wind bekommen haben sollten, dann wäre einmal mehr bezeichnend für
die absolute linke Handlungs- und teilweise Begriffsunfähigkeit, daß
nichts gegen diese Tagung unternommen wurde.
(...) Die Bundeswehr wird kleiner, aber dafür moderner und
leistungsfähiger. Die unlängst vollzogene Trennung in
Krisenreaktions- und Hauptverteidigungskräfte wird wieder zu den Akten
gelegt. Dafür verdreifachen sich künftig die Einsatzkräfte. Das
ist sinnvoll und entspricht dem grundlgenden Wandel der sicherheitpolitischen
Lage, nach dem die Truppe weniger mit der Landesverteidigung als mit
Krisenmanagement beschäftigt sein wird. (Leipziger
Volkszeitung, 15.11.2000)
Die Veränderung der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee in
ein hochwirksames Instrument der deutschen Außen- und
Sicherheitspolitik hat der Generalinspekteur der Bundeswehr, General
Kujat, als Ziel der von der Bundesregierung beschlossenen Reform der Bundeswehr
bezeichnet. (...)
Deutschland müsse, wenn es in Europa und darüberhinaus die Rolle
spielen wolle, die seiner Lage, seinen Interessen und seinem Gewicht als Staat
eines 80-Millionen-Volkes in der Mitte Europas entspreche, Streitkräfte
unterhalten, die von Größe, Umfang, Ausrüstung und
Fähigkeit entsprechend ausgestaltet seien. (FAZ,
14.11.2000)
Politisches Augenmaß, vorsichtige Politik mit dem Säbel,
das gehört nicht unbedingt zu unseren militärischen Traditionen.
Schön, daß sich die Zeiten auch in Uniform geändert
haben. (Bild, 10.10.2000)
Ohne Kenntnis der Vergangenheit gibt es keinen Weg in die
Zukunft. (Eintrag von mitte Oktober 2000 des deutschen Bundeskanzlers
Gerhard Schröder in das Erinnerungsbuch von Yad Vashem)
Grobe handwerkliche Mängel rügt eine Historiker-Kommission
an der umstrittenen Wehrmachtsausstellung. Nach grundlegender
Überarbeitung soll sie wieder auf Wanderschaft gehen. (...)
Jan Philipp Reemtsma versucht derzeit alles, um den Nimbus seines Instituts
zu retten. Seit dem Frühsommer läßt er junge Historiker eine
revidierte Ausstellung erarbeiten, die nicht einmal mehr den Titel der alten
tragen soll. (...)
Reemtsma hat seine veränderten Vorstellungen im Sommer skizziert. Vom
ursprünglichen didaktischen Ansatz, den Deutschen die Legende von der
sauberen Wehrmacht auszutreiben, rückt er ab. Stattdessen
interessiert ihn, unter welchen Bedingungen Menschen ihresgleichen
umbringen. (Der Spiegel, 13.11.2000)
Die künftige Ausstellung wird die historischen Rahmenbedingungen
durch mehr Dokumente als bisher und durch ausführlichere
Erläuterungen darstellen müssen. Vor allem aber heißt es,
Abschied zu nehmen von der These der 18 Millionen deutschen Täter
so viele Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere waren insgesamt zu
verschiedenen Zeiten an verschiedenen Fronten eingesetzt. (...) Es gab weder
eine saubere noch eine verbrecherische
Wehrmacht. (FAZ, 16.11.2000)
(...) Urwüchsig, ganz ohne Plan und Vorsatz, bildet sich in
Deutschland allmählich ein Bewußtsein vom wesentlichen Gehalt der
Nation und den Möglichkeiten und Grenzen seiner Politik heraus. Gemeinsame
Anschauungen entstehen bei Auseinandersetzungen um heikle Fragen, zum Beispiel
nach dem Umgang mit Neonazis. Was in Deutschland geht und was nicht, was ein
anständiger Deutscher tut und was nicht, ist Kern der Debatte über
die gewalttätige Rechte. (Der Spiegel, 02.10.2000)
Die Behauptung, dieses Land brauche Einwanderer, um überleben und
seine Fortschrittlichkeit beweisen zu können, breitete sich mit solcher
Geschwindigkeit in allen politischen Lagern aus, daß man kaum noch der
Erinnerung an die Zeiten trauen mag, in denen eine regierende Volkspartei die
gegenteilige Position vertreten hatte. (FAZ, 14.11.2000)
Offene Grenzen für alle Menschen in Not (Petra Pau,
stellvertretende Partei- und Bundestagsfraktionsvorsitzende der PDS aus ihrem
Eckpunktepapier zur Einwanderungspolitik von mitte November)
Das ist deutsche Konsenskultur. (FAZ ebenda)
Ralf
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