Politik = griech. Kunst der
Staatsverwaltung (Wörterbuch der Allgemeinbildung)
Auf keinem Gebiet kann man eine Entwicklung durchlaufen, ohne seine
frühere Existenzweise zu verneinen.
(Karl Marx: Die moralisierende Kritik und die kritisierende Moral. In:
Marx/Engels: Werke, Band 4, S. 336)
Das Verständnis von einer Anti-Politik als Ausdruck von kompletter
Negation braucht, um eine solche zu sein, den Erfahrungsschatz der
affirmierenden Politik. Weil das so ist, tut sich in Berlin gerade sonderbares:
die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) kopiert in ihrem Aufruf zum
revolutionären 1. Mai das Verständnis der
antideutschen Bahamas-Redaktion: Heißt es bei den einen,
daß jeder Protest, der nicht mit den zentralen Formprinzipien der
kapitalistischen Vergesellschaftung bricht, diese reproduzieren muß,
unabhängig vom Bewußtsein der Protestierenden
(Bahamas), heißt es bei den anderen: (...) Radikale Kritik
kann (...) nicht darauf verzichten, auch Politik als Form bürgerlicher
Vergesellschaftung zu kritisieren. Auch Politik ist kein Ort außerhalb
der bürgerlichen Gesellschaft, und sie scheint ihn auch nicht ohne
weiteres zu eröffnen (AAB).
Was ist da los? Treffen sich Bahamas und AAB, um gemeinsam die neue
Mitte der radikalen Linken zu bilden?
Auch wenn der diesjährige AAB-Aufruf zum ersten Mai seinesgleichen bei
AAB-Veröffentlichungen sucht, muss man eben zur Kenntnis nehmen, daß
dieser von der zahlenmäßig relativ großen Gruppe gemeinsam
verabschiedet wurde. Fakt ist, dass somit so einiges zur Disposition
stünde, folgte die AAB dem eigenen Aufruf konsequent in Rat und Tat. So
findet sich dort Hammer an Hammer: So notwendig und nützlich all die
sozialen und politischen Kämpfe gewesen sind, bisher konnten sie den
Kapitalismus nur verschieden gestalten; es kommt aber darauf an, ihn zu
überwinden. Dass man innerhalb des Kapitalismus nichts machen kann, um ihn
zu überwinden (...), diese Ausweglosigkeit ist der eigentliche
Ausgangspunkt einer radikalen Kritik des Kapitalismus. (...)
Antikapitalistische Kritik 2000 ist (...) auf sich selbst zurückgeworfen,
sie ist für sich selbst verantwortlich und sie muss alles selber machen.
(...) Jede politische Bewegung, Organisation oder Partei (...) ist auf die
allgemeinen Formen der Politik, des Rechtes und des Staates angewiesen. (...)
Entsprechend läuft alle Politik, die im Namen allgemeiner Freiheit und
Gerechtigkeit auftritt bzw. erst unterdrückten Minderheiten zu ihrem
allgemeinen Recht verhelfen will, immer nur auf eine Verbesserung von Staat,
Recht & Gesetz oder Besitzverhältnissen hinaus, ja jede Organisation
und Partei trägt meist selbst schon die Keimform eines neuen, besseren
Staates in sich. (...) Die Linke war (bisher) sozusagen die Selbstkritik des
Kapitals.
Im Gegensatz dazu führt die Bahamas bei sich wieder einen Begriff
ein, den sie eigentlich mit Freuden jahrelang der AAB & Co. überliess
den der praktischen Agitation. So heißt es dort:
Auch radikale Gesellschaftskritik steht vor dem Dilemma, dass sie ihren
Bemühungen ein subjektives Potential zugrunde legen muss, ohne es aber als
Subjekt setzen zu können. (...) Prinzip der Agitation muss die Sabotage
der allzu gut funktionierenden Vermittlung zwischen den Geboten des objektiven
Zwangsgefüges und der Mikrologie der Einzelnen sein, um so den
womöglich noch vorhandenen Ekel am eigenen Mittun nach Kräften zu
schüren.
Wie hervorragend dies mit dem Text der AAB korrespondiert, ist fast schon
erschreckend: Ins Zentrum der Kritik muß gerade diese ausweglose
formimmanente Versöhnungsdialektik der kapitalistischen
Widersprüche geraten: also, dass das Kapital stets zwei gleichermassen
schlechte Seiten hervorbringt, die die Linke heimatlos machen.
Ich wollte das hier mal nur zum Besten geben. Und ausserdem auch erstmal setzen
lassen. Aber schaun mer mal, wie es weiter geht.
Sendestörung oder Fortsetzung folgt? Wir halten Sie auf dem Laufenden.
Ralf
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