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Dynamite Deluxe
dynamite, 7.9k
It’s TNT
Unlängst wurde dem deutschsprachigen HipHop eine rasante Entwicklung prophezeit. Daß sich diese mehr an marktwirtschaftlichen denn an intellektuellen Ansprüchen messen lassen muß, ist kein Wunder. Im Licht dieser zeitgeistgetreuen Phrasen im Konglomerat mit Kraftausdrücken aller couleur erscheinen die Zeilen eines „I shot the sheriff“ als Werk eines Rundfunkjugendchors.

Der Eimsbush – Slang
Auf den ersten Blick scheinen sie die Revolutionäre von morgen zu sein. Totalverweigerer, kein Aufenthalt an staatlichen Institutionen wie Schule oder Universität. Die Frage nach dem Warum stellt sich zwar nicht überraschend aber dennoch relativ ernüchternd dar. Hier bedarf es keiner tiefgründigen Recherche bezüglich antistaatlichen Politikansätzen. Die Nuß ist mit einem einfachen Wort zu knacken. Reines Profitdenken. Den Kapitalismus in seiner ursprünglichen Form kongenial ausnutzend, ist ihnen jedes Mittel recht. Zumindest auf verbaler Art und Weise. Dem Zwang ständiger Stab- und Kreuzreime unterworfen, ist eine letztendliche Konfrontation der Konsumenten mit „100% Deluxescheiß“ nicht immer ausgeschlossen. Eine differenziertere und dieser Subkultur auch schlechterdings zugewiesene Betrachtungsweise als sie bei landläufigen Volksmusikanten anzutreffen ist, findet nicht statt. So steht latenter Sexismus im Gleichklang mit Heldentaten über den Gebrauch herkömmlicher Betäubungsmittel. Daß sich darauf die Erkenntnis stützt, der „MC aller Klassen“, dem „tausende Frauen zu Füßen liegen“, zu sein, ist nur schwer vorstellbar. Sicherlich auch nicht auf die ständige Verwendung des Verbes „burn“ (deutsch: brennen), das mittlerweile den Status eines Markenzeichens angenommen hat. Ähnlich wie die oft besprochene „Mutter“, die immerhin auch außerhalb kapuzentragender Gangstercliquen Kultstatus erlangte. Betrachtet man die Redensarten dieser selbsternannten Rap-Hooligans, wird nicht nur dem Verein zur Erhaltung der deutschen Sprache angst und bange. Der Konfrontation mit dem Nomen „motherfucker“ sieht man im Laufe der Zeit mit Gelassenheit entgegen. Da ist Routine gefragt. Doch ständig neue Wortschöpfungen, größtenteils seitens der Idole, die unreflektiert innerhalb einer Gruppe weitergegeben wurden, bildeten sich bald zu einem eigenen Slang heraus. Wörter wie „ficken“ und „Schwuchtel“, auch vom Deluxe Soundsystem zelebriert, sind bei dieser Aufzählung nur die Spitze des Eisfeldes. Ihren Ursprung haben diese derben Reime, wie der HipHop auch, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. In Anlehnung an hiesige Verhältnisse verkommt der deutschsprachige HipHop immer mehr zu einem Ableger des sogenannten Gangsterraps. Deren Interpreten fallen hauptsächlich durch ein arg großes Kontingent an goldenem Schmuck und Liedern über das harte Leben in ihren Straßen auf. Bandenkriege, die sich inhaltlich mit nichts anderem als dem Handel von Drogen und dem Ausleben eines offenen Rassismus beschäftigen. Wer da wem feindlich gesonnen ist, entscheidet die Tagesform und das Bein, mit welchem aufgestanden wurde. An Gründen scheint es den Texten zufolge nicht zu mangeln. Vom Klassenkampf ist man weit entfernt, die staatlichen Organe seien zwar verbal, aber nicht reaktionär angreifbar. Fast ein jeder brüstet sich mit Aufenthalten in diversen Strafvollzugsanstalten. Soweit ist es hierzulande noch nicht, doch fehlt auch den hiesigen Künstlern das Selbstverständnis bezüglich ihres Handelns. Die unkritische konsumorientierte Heerschar von „Teilzeitrappern“ und „Feierabend-DJs“ scheidet von vornherein als Wegbereiter aus. Die Verantwortung müssen andere übernehmen. Und zwar der „Prototyp eines Battle MCs“ – Samy Deluxe. Er holt sie alle von ihrem hohen Roß herunter. Vor großen Namen hat er keine Angst, sofern in diesem Genre überhaupt welche existent sind. Wer sich das alleinige und eigenhändige Zufallbringen der Berliner Mauer in ihrem maroden Zustand anno 1989 zutraut, wird mit so ein paar Pappnasen leicht fertig. Ob man allerdings so weit gehen muß, alle anderen MCs „wegzuburnen“, was auch immer die Verlautbarung dieses Wortes meint, sei dahingestellt. Rubrik: coole Vokabel, die sich bestens reimt. Und sie gehen sogar noch ein Stück weiter. Fangen an zu definieren. In erster Linie die „Ladies und Gentlemen“, welche ihre Platten kaufen. Grober Undank wird denen entgegengebracht. Das verwundert etwas, ist es doch eine Art „Meilenstein“ im kritischen Umgang mit dem Auditorium. Funktionell betrachtet ist dieses „Dissen“ wahrscheinlich „Pures Gift“. Doch weit gefehlt, die meisten kaufen und kommen trotzdem. In ihrer Unterwürfigkeit überhören oder verzeihen sie manch bösen Satz, in ihrer Abhängigkeit ist sowieso alles „100% next-shit-level-Funk“. Oder einfach nur dynamite.
Teeluxe

deluxe, 9.1k


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last modified: 28.3.2007