im folgenden dokumentieren wir den Aufruf der
Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) zum
revolutionären Antifablock, auf der am 15. Januar 2000 in Berlin
stattfindenten Luxemburg/Liebknecht-Demonstration
Am 15. Januar 2000 jährt sich zum 81. Mal die
Ermordung der RevolutionärInnen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht durch
von der Sozialdemokratie beauftragte reaktionäre Freikorps. Auch dieses
Mal beteiligt sich die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation
(AA/BO) an der Demonstration und der anschließenden Veranstaltung an
der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Friedhof
Friedrichsfelde, bei der mit steigender Teilnehmerlnnenzahl ca.
100 000 Menschen zusammen auf die Straße gehen. Unter dem Motto
Für eine starke Linke!
internationalistisch-antifaschistisch-revolutionär rufen wir zum
revolutionären Antifablock auf, der seit vier Jahren fester Bestandteil
der Demonstration ist. Im letzten Jahr beteiligten sich 3000 Menschen. darunter
zahlreiche AntifaschistInnen aus ganz Europa, an diesem Block nicht nur
um gemeinsam zu gedenken, sondern um den Kampf, mit dem Rosa Luxemburg und Karl
Liebknecht verbunden sind, fortzuführen. Das Ziel heißt heute wie
damals: Abschaffung des Kapitalismus und Aufbau einer internationalen
sozialistischen Gesellschaft ohne Ausbeutung, Unterdrückung, Faschismus
und Krieg. Dies sind die zentralen Inhalte, die wir auf der
Luxemburg/Liebknecht-Demonstration am 9. Januar 2000 auf die Straße
tragen werden.
...denn es gibt keine Alternative zu dem revolutionären Kampf einer
starken außerparlamentarischen Bewegung um eine grundsätzliche
Veränderung der Gesellschaft!
In diesem Sinne Auf, auf zum Kampf! Beteiligt Euch an dem
revolutionären Antifablock
kapitalismus ist nicht ahwählbar! kapitalismus abschaffen!
Mit der Wahl der einen oder anderen Partei in die Bundesregierung lässt
sich kein einziges Problem lösen. Weder Sozialismus, noch Antifaschismus
sind wählbar. Im Rahmen der bürgerlichen Demokratie, dem
Parlamentarismus, ist keine Regierung in der Lage, entgegen kapitalistischer
Interessen Arbeitsplätze zu schaffen, Atomkraftwerke abzuschalten oder
für soziale Sicherheit zu sorgen. Selbst dann nicht, wenn sie das wirklich
wollte. Kanzler und Kabinette sind zwar an der Regierung, aber nicht an der
Macht. Ihre Rolle beschränkt sich mehr und mehr auf die Verwaltung des
Staates. Über Macht verfügt in einem kapitalistischen System
prinzipiell ausschließlich das Kapital. Der Kern des Systems bleibt
Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, Verwertung seiner Arbeitskraft zur
Steigerung des Profits um jeden Preis. So können durch Wahlen zwar
Verwaltungsnormen bzw. der rechtliche Rahmen verändert werden,
jedoch tastet das Wählen dieser oder jener Regierung bzw, das Ändern
dieses oder jenen Gesetzes das Grundprinzip der Verwertunslogik
kapitalistischer Gesellschaften nicht an. Gerade die jüngere Geschichte
entwickelter Industriestaaten hat gezeigt, daß sich der Parlamentarismus
als leistungsfähige und flexible Organisationsform
für den jeweiligen Staat erwiesen hat, um das Grundprinzip der Ausbeutung
der menschlichen Arbeitskraft auf lange Zeit aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig
erfährt er dabei aber durch Wahlen immer wieder eine
demokratische Legitimation. In diesem Zusammenhang ist es durchaus
aufschlußreich, sich in Erinnerung zu rufen, was Lenin und Rosa Luxemburg
über die Beteiligung von sozialistischen Parteien an bürgerlichen
Regierungen gedacht haben. Anlass ihrer Überlegungen war der Eintritt des
französischen Sozialisten Millerand in eine bürgerliche Regierung
1899, in eine Regierung, der auch der Henker der Pariser Commune, General
Gallifet, angehörte. Lenin sah in Millerand ein Beispiel, worin
das Wesen der Politik der gesamten internationalen Bourgeoisie gegenüber
der Arbeiterbewegung des 20. Jahrhunderts bestand. Man kann
diese Bewegung jetzt nicht mehr mit brutaler Gewalt unterdrücken, man
muß sie von innen heraus korrumpieren, indem man ihre Oberschicht
kauft. Rosa Luxemburg sah die Aufgabe sozialistischer Parteien so:
In der bürgerlichen Gesellschaft ist der Sozialdemokratie
(die damals noch sozialistisch war) dem Wesen nach die Rollo einer
oppositionellen Partei vorgezeichnet, als regierende darf sie nur auf den
Trümmern des bürgerlichen Staates auftreten. Mit anderen
Worten. Aufgaben von Sozialistlnnen im Parlament sind die Aufklärung, die
Entlarvung und die systematische permanente Kritik herrschender Politik, also
reine Opposition. Das Parlament kann als Bühne benutzt werden, nie als
Hauptschauplatz sozialer Kämpfe. In der Quintessenz ihrer Auffassungen
resümiert sie den Widerspruch: Der Sozialismus, der zur
Beseitigung des Privateigentums an den Produktionsmitteln und zur Aufhebung der
bürgerlichen Klassenherrschaft berufen ist, nimmt an der Regierung des
bürgerlichen Staates teil, welche die Aufgabe hat, das Privateigentum zu
konservieren und die KIassenherrschaft der Bourgeoisie zu verewigen.
Diese Aussagen haben auch heute noch ihre volle Gültigkeit. Das zeigt
die Geschichte der Grünen als ehemals parlamentarische Vertretung der
Friedensbewegung ebenso deutlich, wie die rasante Entwicklung der PDS. Sobald
ein ernsthaftes Taktieren um parlamentarische Macht beginnt, nur noch auf
Wahlergebnisse als Erfolgsmeldung der eigenen Politik gesetzt wird, ist die
Funktion als parlamentarische Vertretung außerparlamentarischer
Basisbewegungen dahin. Schlimmer noch, ein solcher Weg führt und
das nicht zum ersten Mal in der sozialdemokratischen Geschichte zu
Krieg, wie die neue Position der PDS zu UNO-Truppen und militärischen
Interventionen belegt. Kapitalistische Verhältnisse lassen sich weder
reformieren noch durch Reformen abschaffen. Eine Veränderung muß
erkämpft werden.
kapitalismus und krieg
Kapitalismus ist nicht etwa das Ende der Geschichte, die einzige
denkbare Form gesellschaftlicher Organisation. Kapitalismus bedeutet Elend,
Hunger und Krieg für die meisten Menschen dieser Erde. Am
augenscheinlichsten wird das brutale Streben nach Profit und Macht um jeden
Preis am Krieg. Der jüngste Krieg der NATO auf dem Balkan gegen die
Bundesrepublik Jugoslawien im März 1999 macht aber noch mehr deutlich. Die
Grünen sind Regierungspartei seit Ende 1998. Ehemalige PazifistInnen,
ehemalige KritikerInnen von Nationalismus, ehemalige AntimilitaristInnenn
drehen sich um 180deg. und marschieren geradewegs unter Bemühung der
Berufung auf humanitäre Verpflichtungen in den Angriffskrieg gegen
Jugoslawien.
Auch heute werden Menschenrechte bemüht. Jedoch nicht zum Schutze
derjenigen, die von Krieg und Ausbeutung, Folter und Vergewaltigung bedroht
sind, sondern im außenpolitischen Interesse der BRD.
Nur die ehemaligen 68er um Gerhard Schröder und Josef Fischer waren im
Stande, einerseits im Namen der Menschenrechte sich dafür auszusprechen,
Jugoslawien in die Steinzeit zu bomben, und andererseits die ehemalige
Friedensbewegung ideologisch in den Krieg zu führen. Mit
Versatzstücken vormals antifaschistischer Rhetorik haben sie die meisten
KriegskritikerInnen auf die Seite der Kriegshetzer gezogen. Sie setzten
Milocevic mit Hitler und die Vertreibung von Kosovo-AlbanerInnen mit der
fabrikmäßigen Vernichtung europäischer JüdInnen in den KZs
von Auschwitz gleich. So wird in einem Atemzug die faschistische Vergangenheit
Deutschlands bewältigt und damit relativiert, die
KritikerInnen integriert und im internationalen Geschehen der Weltpolitik die
Machtinteressen der BRD und der NATO in eine lupenreine Menschenrechtsmoral
gekleidet. Der Wegfall der Blockkonfrontation durch den Zusammenbruch der
realsozialistischen Staaten Ende der 80er Jahre führte zur rasanten,
ungehemmten Ausbreitung des Kapitalismus. Der Streit um die Weltherrschaft trat
in eine neue Phase. Die großen Wirtschaftsmachtblöcke um die USA und
Japan sowie Europa greifen nach geopolitischen und ökonomischen Regionen,
die ihre Macht festigen und ausbauen. Der Krieg in Jugoslawien ist ein
unmittelbares Resultat, der Neuaufteilung von Interessengebieten. Den
NATO-Staaten ging es darum, ihre Rolle als handlungsfähige Weltpolizei zu
demonstrieren, die überall dort Krieg führen wird, wo ihre
Vormachtstellung gestört wird. Die herausragende Rolle in der NATO nimmt
nach wie vor die USA ein. Dennoch, die BRD im Gewand der neuen
rot/grünen Regierung schickt sich an, ihre eigenen wirtschaftlichen
und machtpolitischen Interessen nun auch militärisch durchzusetzen. Nicht
nur innerhalb Europas will sie neben ihrer wirtschaftlichen Machtrolle nun auch
militärisch die Souveränität eines Führungsstaates
erlangen, auch gegenüber der USA innerhalb des NATO-Bündnisses will
die BRD zeigen, das mit ihr zu rechnen ist. So treten nicht nur der EURO und
Dollar als Weltwährungen in Konkurrenz, auch auf dem Boden des Balkans
wird der Wettbewerb blutig ausgetragen. Noch sind es die USA, die ihre Bomber
flächendeckend und stets als erste von der Rampe schicken, aber die
europäischen Staaten ein Großteil durch die Neue
Mitte der sozialdemokratischen Parteien verwaltet stehen Gewehr
bei Fuß. Der nächste Krieg kommt bestimmt.
Die Formel der Menschenrechte ist nicht nur für die NATO ideologisches
Werkzeug auf der internationalen Bühne. auch innenpolitisch nutzte der
grüne Außenminister Josef Fischer die Waschkraft dieser
Humanität, mischte nationalistische Töne hinzu, um mit
der speziellen deutschen Geschichte von Auschwitz die speziellen Interessen der
BRD auf dem Balkan an der Heimatfront zu vermitteln. Mit der
Aussage, daß er nur noch deutsche und keine grüne Außenpolitik
kenne, machte Fischer schon bei seinem Amtsantritt deutlich, wie er seine
Machtposition in Zukunft verstanden haben will.
selbstorganisieren, kämpfen
Der historisch entstandene Kapitalismus ist ebenso, wie er durch und mit den
Menschen geschaffen wurde, durch den Menschen wieder abschaffbar. Abschaffen
werden ihn diejenigen, die ihn nicht als Ende der Geschichte
begreifen oder die Hoffnung nicht verloren haben, daß es noch etwas
anderes geben kann, als das tagtägliche Veräußern ihrer
Arbeitskraft und die Zurichtung des Menschen durch erzeugte Bedürfnisse.
Ohne die Selbstorganisierung der außerparlamentarischen Linken,
gemeinsame Analyse und Reflexion der politischen Verhältnisse wird es
keine grundsätzliche Veränderung geben. Und das bedeutet, Beteiligung
am Aufbau der Linken und Organisierung der politischen Praxis. Denn ohne
politische Praxis läuft nichts außer der Warenproduktion.
Ansatzpunkt unserer Politik ist der revolutionäre Antifaschismus. Es wird
jedoch immer deutlicher, dass der rechte Vormarsch in der Gesellschaft zwar in
Wechselwirkung mit der faschistischen Ideologie der Nazis voranschreitet, die
wesentlichen Entwicklungen reaktionärer Tendenzen jedoch aus der Mitte der
Gesellschaft kommen. Die antifaschistische Bewegung muß zum Ziel haben,
in gesellschaftlichen Bereichen zu intervenieren. Nichtsdestotrotz bleibt der
Kampf gegen den organisierten Neofaschismus ein bedeutender Schwerpunkt unserer
Politik. Dass die Auseinandersetzung mit dem Faschismus ein zentrale Rolle in
der bundesrepublikanischen Gesellschaft spielt, haben nicht zuletzt die
neuerliche Debatte um die Verbrechen der Wehrmacht, der Abbruch der
Wehrmachtsausstellung, die Verweigerung der deutschen Industrie ehemaligen
ZwangsarbeiterInnen Entschädigungszahlungen zu leisten und die
antisemitischen Äusserungen des Schriftstellers Martin Walser
verdeutlicht.
internationalistischer antifablock
In den internationalen Medien findet die Demonstration als die
größte linke Veranstaltung in der BRD starke Resonanz. In den Medien
der BRD wird dagegen ein anders Bild gezeichnet. Und das ist kein Zufall. Trotz
des immer größeren Anteils an jungen DemonstrantInnen wurde in den
letzten Jahren durch bewusste Provokation und Angriffe auf die Demonstration
seitens der Polizei die Konfrontation mit den knüppelnden Vertretern der
Staatsmacht in den Vordergrund der Berichterstattung gedrängt. Das
Anliegen der Demonstration blieb dadurch weitestgehend ausgeblendet. Denn was
nicht sein darf, soll auch nicht sein. Ausgerechnet in der neuen Hauptstadt der
Berliner Republik findet alljährlich die größte Veranstaltung
der Linken statt, die nicht allein gegen das kapitalistische System gerichtet
ist, sondern, zumindest an diesem Tag, die Einigkeit der Beteiligten, trotz
unterschiedlicher Ansätze, dokumentiert. Wir wollen auch in diesem Jahr
die Demonstration zusammen mit allen Gruppen bis zum Abschluß am Friedhof
durchführen. Bisher konnte durch das solidarische Verhalten der
beteiligten Organisationen eine Spaltung der Demonstration sowohl im Vorfeld,
bei der Demonstration selbst, als auch im medialen Nachspiel verhindert werden.
Wie in den letzten beiden Jahren auch, wird es auf der Demonstration eine
Beteiligung von Genossinnen und Genossen aus anderen Ländern geben. Am
Antifablock werden AntifaschistInnen beispielsweise aus Dänemark,
Frankreich, Italien, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz, Spanien und
der tschechischen Republik teilnehmen.
Mit unserer Parole und einer Veranstaltung mit AntifaschistInnen aus den
europäischen Nachbarländern am Vortag der Demonstration wollen wir
unterstreichen, dass revolutionäre antifaschistische Kämpfe nicht
isoliert und in einem Land geführt und auch dort nicht alleine entschieden
werden.
Together we stand divided we fall!
November 1999
Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation
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