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Sprache als Kitsch | |
Daß es also schön ist, wenn das eine auf das andere trifft, mag die
Literaturwissenschaftlerin Lerke von Saalfeld bewegt haben, eine
Zusammenstellung mit dem Titel Ich habe eine fremde Sprache gewählt
Ausländische Schriftsteller schreiben deutsch herauszugeben.
Ihre These aber ist nicht einfach, daß das schön sei, sondern
ausländische Schriftsteller, die Deutsch zu ihrer Literatursprache
gewählt haben, ... belegen, in welcher Vielfalt sie der deutschen
Literatur Farbe und Reichtum verleihen. Und es gelangt eine
Lebendigkeit und Vielseitigkeit in die deutsche Literatur, die den
hausgemachten Eintopf zu einer wohlschmeckenden Kost verwandelt. Als
Beleg für die Nützlichkeit der Autorinnen und Autoren für das
Deutsche gibt es zum jeweiligen Gespräch einen kurzer Textauszug von so
unterschiedlich Schreibenden wie Rafik Schami, Hung Gurst, Franco Biondi oder
Galsan Tschinag. Und so steht man glaubt es kaum, aber Papier ist
geduldig der Prager Frühlings-68er Ota Filip neben der
anmutigen Könnerin Yoko Tawada. Neben dem Beklagen der wenigen Einflüsse von außerhalb auf die deutschsprachige Literatur, was im Gegensatz zu Kolonial- bzw. Einwanderungsländern wie England, Frankreich oder USA steht, versündigt sich von Saalfeld bereits im Vorwort mit gewagter Bildersprache an ihrem Anliegen. So heißt es auf Seite 17: Ota Filip haßt Wurzeln, sie riechen ihm zu stark nach blutgetränkter Erde also gibt es für ihn auch keine Ent-Wurzelung. Nur interessiert das eine Seite später nicht mehr, denn da sind Filips Themen hingegen ... verwurzelt in der Mitte Europas, in Mähren und Böhmen. An anderer Stelle ist von der Wiederbelebung versunkener Gefühls- und Erlebniswelten in der Türkei die Rede. Aber auch: Von Meridian zu Meridian knüpft der syrische Lyriker Adel Karasholi poetische Bande, um das ungleiche Paar Ölbaum und Eiche in sich zu vereinigen. Und nicht nur das, denn frei von jeder sentimentalen Nostalgie gelingt es einem Autoren, die Welt der albanischen Minderheit in Kalabrien wieder zum Leben zu erwecken, eine Welt, die selbstverständlich eine vergessene und unbekannte ist. Und Rafik Schami muß sich von der Herausgeberin unterstellen lassen: Seine Geschichten sind gewebt aus den blumenreichen Metaphern des Arabischen und der realistischen Präzision des Deutschen listig miteinander verschlungen. An dieser Stelle habe ich das von Herrn Wieland anempfohlene Buch in die zuständige Ecke geworfen. Sicher ist von Saalfeld eine Rassistin nicht. Dem Negerlein würde sie wohl eine Identität backen, denn diese wirkt sich ja so unglaublich befruchtend auf die Kultur aus. Und auf die eigene Sprache als solche ums Ganze sowieso. Es ist ja ganz gut, wenn Menschen gut sind, doch manche von ihnen sind es dermaßen, daß es den sensibleren ihrer Artgenossen sehr weh tut. P. S. Was soll das für ein Buch über die Fremdheit von Sprache sein, in welchem der bekannteste Sprachnomade in seinem Niemandsland namens Nirgendwo, der Lutz Rathenow nämlich, nicht einmal erwähnt wird? Gibt es denn ein besseres Beispiel als diesen André Brie der literarischen Salons, dem jedwede Sprache eine fremde ist, dem Sprache als Fremdsein in einer unwirtlichen Welt gilt? Gunnar Schubert
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