Achtung, Fernsehdeutschland: Jetzt kommt das ganz üble TV. So
bereitete BILD die Leserschaft auf den Start der US-Zeichentrickserie
South Park vor. 30 Minuten lang schlimme Sprüche auf Kosten von
Schwulen, Juden, Farbigen. Witze über Jesus, Dicke, Selbstmörder.
Kein Satz ohne Obszönitäten, Beleidigungen, Fäkalsprache. (...)
Schlimmer gehts wirklich nimmer! Ein Blitzkrieg gegen
PC-Deutschland solle geführt werden, könnte man da intepretieren.
Doch die Ernüchterung folgt auf dem Fuß: Sonntagabend auf RTL die
erste Folge. Alle, fast alle, hatten sie gesehen. Und am Montag berichteten von
Hinz bis Kunz, von Escher bis Schowange alle fast alle. Doch sie fanden
nicht das wirklich Anstößige. Allgemeiner Konsens:
Die erste Folge war durchaus okay und zumutbar für die deutsche TV-Nation.
Was war passiert? Schon im Vorfeld wies der RTL-Sprecher Wolfgang Osinski
(50) darauf hin, daß diese Serie (...) nun mal
politisch völlig unkorrekt und überhaupt nicht für Kinder
gemacht sei. Ohne Umschweife definierte er damit exemplarisch, was in
Deutschland bekanntlich unter Politically Correctness (PC) verstanden wird: PC
ist, wenn die Kinders es glotzen können wie die Alten auch wenn
also die Jugendfreiheit durch die Freiwillige Selbstkontrolle (FSK) beglaubigt
wurde. Kurzum: PC ist wie Kinderkacke.
Mit derlei Theorie eingerüstet, wird der Maßstab für PC die
jeweilige Sendezeit. RTL-Osinski meinte im Vorfeld, South-Park sei politisch
unkorrekt, und das laufe in Deutschland erst nach 23 Uhr. Tja,
gesagt-getan: Vorläufige Sendezeit (bis auf weiteres): 23.15 Uhr.
Das daraus folgende eigentliche Problem deutscher Medien-Arbeiter
läßt sich allerdings nur im Subtext lesen: wenn nämlich die
Serie harmlos ist, wie die erste Folge ja bewiesen habe, dann kann sie auch der
arbeitsamen Normalbevölkerung zu einer arbeitsfreundlicheren Sendezeit
vielleicht so zwischen 19 und 22 Uhr zugemutet werden. Der
Vorteil dabei: die Zielgruppe verschöbe sich deutschfreundlich von den
arbeitsscheuen PC-befürwortenden Spätaufstehern hin zu den für
PC sowieso kaum anfälligen normalen deutschen Menschen.
Außerdem stellt sich die Frage, warum in Deutschland keine
Tabus bricht, was in den USA laut BILD
Menschenrechts-Organisationen, empörte Eltern und
Schulbehörden auf die Palme bringt. South Park rührt nicht am
vermeintlichen Tabu der deutschen Gesellschaft. Eigentlich ist damit alles
gesagt. Es führt sie alle vor, die seit Jahren öffentlich abgesegnet
gegen Windmühlen (PC) in Deutschland kämpfen, aber westliche
bürgerliche Grundwerte und alle anderen links davon sowieso
meinen: Den Spiegel/Focus/Die Zeit/die Junge
Freiheit/den Schäuble/den Cohn-Bendit/die Vollmer/den Botho
Strauß/den Walser/Enzensberger/den Fischer/den Schröder/den
Sloterdijk/und und und.
Doch etwas ist tendenziell realitiv neu: das deutsch-nationale
Selbstbewußtsein wird über kurz oder lang die längst
proklamierte deutsche Überlegenheit über eine PC-zerfurchte
USA-Gesellschaft triumphieren lassen. Die deutsche Sichtweise unterstellt
dabei, daß der idealtypische gute Mainstream-Ami ohnehin keinen Bock auf
Minderheiten hat wie der Mainstream-Deutsche hierzulande. Insofern spielt die
deutsche Haßliebe auf Amerika ebenso eine Hauptrolle: Im
Umkehrschluß, so die Folgerung, sind die Amis genauso wie die Deutschen.
Und weil das so ist, gelten die Amis als die Noch-Weltherrscher
immer als Maßstab.
Das, was Anfang der Neunziger als akademische Reform der US-amerikanischen
Gesellschaft gerechter verteilte kapitalistische Ungerechtigkeiten für
alle mit staatlichen Sanktionen gegen Diskriminierung, Rassismus und
Antisemitismus per Gesetz bringen sollte und PC genannt wurde, befindet
sich in den Staaten selbst in den von der Affirmative Action geprägten
Akademien auf dem Rückzug, weil in den USA von vielen inzwischen ein
halbwegs normalisiertes annehmbares Verhältnis konstatiert wird.
Sicherlich ist der Ausgang dieser (doch) Rückentwicklung mit einem
Fragezeichen versehen.
Für Deutschland und seine Verhältnisse aber gilt, daß die als
gesellschaftliche Minderheiten stigmatisierten oder anerkannten
Bevölkerunsgruppierungen so gut wie keine Möglichkeiten haben, von
ihrem Status der Minderheit aus, nachhaltige Rechte einzufordern, weil sie
diese nämlich in aller Regel gar nicht haben.
Das, und letztlich nur das, läßt eine auf Tabubruch und -verletzung
der US-amerikanischen Gesellschaft angelegte Serie wie South Park in
Deutschland gründlich ins Leere laufen. Denn, eine diskriminierende
Äußerung kann nur dann als tabubrecherisch ankommen, wenn das
gesellschaftliche Tabu tatsächlich in einer weitgehenden Ächtung von
Diskriminierung besteht. In Deutschland kann man das weder für die
Gesetzeslage nicht einmal ein Anti-Diskriminierungsgesetz existiert
noch für den Alltag sagen. Diese tatsächliche Differenz immer
wieder zu benennen, ist in Deutschland eine Lebensaufgabe und entfiele nur
dann, das steht felsenfest, wenn Deutschland nicht mehr wäre ...
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