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Das Gespräch mit der Zeitschrift stern vom Juli des Jahres wird nun
sein Vermächtnis bleiben. Ein Gespräch, das gekennzeichnet ist von
Desillusionierung und Traurigkeit. Traurigkeit über die
Unzulänglichkeit des eigenen Handelns. Desillusionierung dahin gehend,
dass eine jüdischen Normalität in Deutschland nach der Shoa wohl eine
praktische Unmöglichkeit geblieben ist. Ignatz Bubis starb am 13. August 1999. Er habe nichts oder fast nichts erreicht, sagte der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland der Illustrierten. Ich habe immer herausgestellt, daß ich deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens bin. Ich wollte diese Ausgrenzerei, hier Deutsche, dort Juden, weghaben. Er wollte die Ausgrenzerei weghaben, weshalb er mehrfach sehr heftig mit Heinz Galinski, seinem Vorgänger im Amt, aneinandergeriet. Der Gegensatz zwischen den beiden Zentralratsmitgliedern über das Judesein in Deutschland heute ging so weit, dass Bubis 1991 versuchte, den unaufhörlichen Mahner und eigenwilligen Sozialdemokraten Galinski abzulösen. Erst ein Jahr nach dem Tod Galinskis, den sein Kontrahent spöttisch einen Juden von Beruf nannte, während er ein Jude mit Beruf sei, konnte er das Amt einnehmen. Wieder und wieder betonte der in Frankfurt/Main Lebende seine deutsche Staatsbürgerschaft. Nicht müde wurde er für das neue, das wiedervereinigte Deutschland zu werben. Dies so oft und anhaltend, für viele unverständlich, dass sich eine taz-Journalistin in einem Porträt zum siebzigsten Geburtstag zu einer wohlwollenden, doch in der Wortwahl erschreckenden Laudatio genötigt sah: Ist man Ignatz Bubis dafür dankbar, daß man den höchsten jüdischen Repräsentanten in Deutschland begegnen kann, ohne sich in Schuld zu winden? ... Für die Nichtjuden hingegen ist er ein Glücksfall. Der Antisemitismus, insbesondere der eliminatorische, hatte Ignatz Bubis bis zuletzt begleitet. Seinen Vater sowie zwei seiner Geschwister verlor er während der Nazi-Zeit. Er selbst entging der Ermordung nur durch die Befreiung seitens der Roten Armee. Nach verschiedenen Stationen, u.a. war er in Dresden für die Sowjetische Militäradministration tätig, kam er in den fünfziger Jahren nach Frankfurt/Main. Als Immobilienmakler wurde er zur Zielscheibe des vermeintlich Revolutionären Kampfes von Joseph Fischer und Daniel Cohn-Bendit. Durch eine Bühnen-Besetzung verhinderten er und andere Antifaschisten 1985 die Aufführung des Faßbinder-Stückes Der Müll, die Stadt und der Tod, das das antisemitische Klischee vom raffenden Juden bediente. Bubis war seit Anfang der achtziger Jahre Mitglied im Zentralrat der Juden. Ein schwieriges Verhältnis hatte er zu Juden und Gemeinden in den neuen Bundesländern, deren DDR-Geschichte ihm fremd geblieben ist - nicht zuletzt, weil er als bekennender Deutscher jüdischen Glaubens die Wiedervereinigung begrüßt hat. Doch auch für positive Überraschungen war Bubis gut: So benannte er - anders als von mir im letzten newsflyer verkürzt dargestellt wurde - anläßlich der Rostocker Pogromnächte 1992 deutlich die Verantwortlichkeit der Bundesregierung sowie die von ihr betriebene Asylhetzdebatte, die die Situation bewußt provoziert habe. Dafür mußte er sich von der CDU beschimpfen lassen. Ihr Land ist doch Israel, sagte etwa der Vorsitzende des Innenausschusses der Rostocker Bürgerschaft. Er wolle in Israel begraben werden, so Ignatz Bubis zuletzt im stern, und verwies auf das im letzten Jahr mehrfach geschändete Grabmal Heinz Galinskis. Er, der Galinski so heftig angriff, weil dieser die deutsche Realität nach 1945 nicht sehen wolle und ausschließlich rückwärtsgewandt argumentiere, was ein Zusammenleben zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen wie er, Bubis, es sich vorstelle, erschwere, dieser Ignatz Bubis kommt wenige Wochen vor seinem Tod zu einer traurigen Bilanz: Heute bin ich Galinski näher, auch was das Verbittertsein anbetrifft. Gunnar Schubert |
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