Was ist gegen Politik-und-Markenklamotten zu sagen?
Eine Kurzreplik auf einen Artikel in der Wochenzeitung jungle World
Zu der Zeit, als Thomas Anders starb und man
für immer Punk sein wollte (Die Goldenene Zitronen), spaltete
sich die gute alte linksradikale Jugendbewegung oder die, die sich
dafür hielt der Anti-AKWler, Antiimpler, Hausbesetzler, Feministen
und Kiezautonomaten u.s.f. kleidungsästhetisch in eine Trashpop- und eine
arbeiterbewegungstechnische stahlhelminische Lederjackenfraktion. Das Ergebnis
war, daß bei Demos oder ähnlichen Aktionen letztere Combo immer vorne lief und die andere hinten- und mittenmang.
Mit der Zeit setzte sich medial das Klischee vom schwarz-lederbejackten,
Hassi-tragenden kollektivistischen Einzelkämpfer durch, der sich als
kollektivistische Einzelkämpfer |
besonders schicklich noch den Helm auf den Kopf stülpte. Der Stil des
mutmaßlichen Pragmatismus ward geboren und zum Allgemeinplatz erklärt: alles eine schwarze Horde.
Nun fiel der Wochenzeitung jungle World unter der Rubrik
Antifashion in ihrer ersten Januar-Ausgabe des neuen Jahres,
namenlich ihrem Autor Ivo Bozic, auf, daß der Style der neunziger Antifas
nicht mehr dem Schick der 80er Autonomen entspricht. Erschrocken stellt Bozic
fest: Schwarz ist schon fast peinlich.
Autor Bozic kann, trotz aller verkrampfter Spaßanleihen und Lustischkeit
in seinem Artikel namens Den Basic Style erobern, tendenziell nicht
verdrießen, daß Klamottenlabel eben auch auf Antifas ihren Reiz des
Konsummagnetismus ausüben: Ja, Marken sind wichtig! Genaugenommen
sind sie das Wichtigste. Antifa heißt Marke tragen. Da trennt sich die
Spreu vom Weizen, meint Bozic, und behält damit, anders als er
denken mag, recht. Neben der verschwindend geringen Nostalgie-verhangenen
Alt-Autonomen-Fraktion und ihren oben beschriebenen Kleidungsrequisiten hat
sich schon vor etlichen Jahren ein Großteil der Folklore-Traumtänzer
von der Antifa-Arbeit verabschiedet. Jene Fraktion zeichnete sich innerhalb der
Antifa-Szene jahrelang durch ökologisch korrekte Batikgewänder,
-pumphosen, -blusen, -schals und -tücher aus. Sie pochte immer darauf,
daß man erst Politik machen könne, wenn man sich ein Leben lang
kenne und trug zum Zeichen der Liebe die verrücktesten Ornamentmuster aus
nah und fern auf den Klamotten. Daß diese in der Hauptsache von Frauen
getragen wurden, erklärt sich aus der Nähe zu so manchem
feministischem Ansatz, der sehr viel mit entsprechender
Selbsterkenntnis und anderem Eso-Blödsinn zu tun hat.
Im Gegensatz zu der Zeit, als Gegenbewegung gleich Jugendbewegung und linke
Bewegung gleich Gegenmacht war, als alles eine Frage der Abgrenzung im
Selbstlauf schien, weil Subkultur, Jugendkultur und Linksbewegung
fließend ineinander übergingen, läßt sich am
Kleidungsstil heutzutage ablesen, wer mitten im Leben oder aber neben sich
steht. Davon hängt letztendlich auch ab, ob die Realität geblickt
wird oder ihr ausgewichen. Die Weckung des Bedürfnisses, entweder eine
Labelklamotte oder zumindest ein gutgemachtes entsprechendes Duplikat zu
tragen, belegt, daß man sich der kapitalistischen Verlockungen durch
Trendsettertum und Scoutismus medial nicht entzieht. Und das ist ein Vorteil.
Die angenommene Beliebigkeit der Vermainstreamung, wenn ein Kleidungsstück
oder ein Label den dynamisch abgesteckten subkulturellen Rahmen
verläßt, ist trotz der Popularisierung im Hauptstrom eine zweite
Ebene eingeschrieben, nämlich die der Anwesenheit in der
Konsumtionssphäre. Den Konsumterror zu bejammern, hilft uns
letztendlich nur weiter, wenn wir durchschauen, warum es ihn im Kapitalismus
geben muß. Ihm zu entsagen aber, kommt einer Herauskatapultierung aus dem
falschen Leben (Adorno) gleich, was letztendlich nur dazu anhält, die
Verhältnisse Verhältnisse sein zu lassen, weil einem alles als so
unglaublich schlimm vorkommt. Ralf |