So richtig überrascht hat das Wahlergebnis bei den
Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt nicht. Die Deutsche Volksunion des Verlegers
Frey konnte in einem spektulär geführten Wahlkampf unter
männlichen Jung- und Erstwählern 38% der abgegebenen Stimmen für
sich verbuchen. In den Medien wurde dieses Wählerverhalten schnell unter
der Rubrik Protestwahl abgelegt. Es wurde von hoher
Arbeitslosigkeit, sozialen Spannungen, orientierungslosen Jugendlichen
gefaselt. In das Spannungsfeld aus rechter Dominanzkultur (hier im Sinne von
rechter Jugendsubkultur, in weiten Teilen des Landes dominierend),
akzeptierender Sozialarbeit, kleinbürgerlichen Ressentiments und deutschem
Arbeitswahn als Gegenstand der Analyse wagte sich kaum jemand. Parallelen zur
NSDAP oder zum Wahlverhalten in den 30er Jahren werden selten gezogen. Im
Braunbuch DVU wird der Versuch unternommen, den Nährboden
für die Wahlerfolge der DVU zu analysieren und die Zusammenhänge
zwischen Sozialprotest und völkischem Hass, zwischen diffusem
Antikapitalismus und Antisemitismus darzustellen. Jürgen Elsässer
weist darauf hin, daß es sich dabei durchaus nicht um neue Phänomene
handelt. Die nationalrevolutionären Vorstellungen des Strasserflügels
der NSDAP bilden die Grundlage für die Ideologie sowohl der NPD als auch
der DVU, die sich in einer Art Doppelstrategie bestens ergänzen.
Während die NPD via Jugendorganisation JN das Feld der Jugendsubkultur
beackert (wichtiger den je, Nazibarden und unsägliche Faschorockbands zur
zünftigen Beschallung der national befreiten Zonen), scheint
sich die DVU eher um das Medienecho durch Einzug in die Parlamente zu
kümmern. Das bemerkenswerte am DVU-Wahlkampf ist das Fehlen
vergleichsweise charismatischer Kandidaten, das Fehlen auch nur des Versuchs
eines Programmes, was über die Anrufung dumpfer Rassismen und
Antisemitismen hinausgeht. Die DVU repräsentiert die deutschen Stammtische
in ihrer ekelhaftesten Form derart gut, daß es mich wundert, nicht
größere Prozentzahlen beim Wahlergebnis für die DVU gesehen zu haben.
Elsässer stellt die Unterschiede in den verschiedenen Nationalismen von
Republikanern als Vertreter einer bürgerlichen Form des Rechtradikalismus
bis hin zur DVU als vormoderne dumpfe Blut- und- Boden- Nationalisten
(Faschodreck ist beides) dar. Es wird weiterhin die sichtbare Nähe
zwischen Teilen der PDS und dem rechten Rand ausgeleuchtet. Die fatale Wirkung
akzeptierender Sozialarbeit und des Aktionsprogrammes gegen Aggresion und
Lesung und Diskussion:Jürgen Elsässerwird am
Donnerstag, den 17.9.1998 um 20 Uhrdie Thesen des Braunbuches referieren und zur Diskussion stellen. |
Gewalt als Aufbauhilfe für faschistische Strukturen wird kurz angeschnitten.
Arbeitslosigkeit als alleinige Ursache für Rechtsradikalismus, also eine
nur auf ökonomische Ursachen zurückzuführende Erklärung des
Phänomens, lehnt der Autor ab (Der arbeitslos Italiener fängt
Fische, der arbeitslose Deutsche jagt Fidschis). Es werden einige
psychoanalytische Erklärungsmodelle unter Berufung auf Wilhelm Reich,
Erich Fromm und Siegmund Freud angeboten, die durchaus Teilbereiche des
Verhaltens rechter Jungwähler und Schläger klären könnten.
Für mich ist allerdings fraglich, ob man Wahlerfolge rechter Parteien nur
mit sexuellen Verdrängungskomplexen und symbiotischen Mutterbeziehungen
erklären kann. Wer mehr und besser vögelt, wird kein
DVU-Wähler??? Diskussionswürdig ist dieser Ansatz im Hinblick auf die Massenpsychologie dennoch.
Was also tun? Der kleinste gemeinsame Nenner ist: Schluß mit dem
Verständnis. Bisher wird die DVU-Klientel für ihr Wahlverhalten
belohnt: Alle Welt ruft nach Arbeitsplätzen, Lehrstellen und
Fördermaßnahmen zur Besänftigung der Wildgewordenen. Wäre
es nicht höchste Zeit, diesen Mechanismus umzukehren? Warum soll ein
Stadtteil ein Jugendzentrum bekommen, der eine Hochburg der DVU ist?... Warum
will man die Tariflöhne der deutschen Bauarbeiter durch ein Entsendegesetz
schützen,solange Umfragen zeigen, daß sie zu den fanatischsten Anhängern der Faschisten gehören?
Offen faschistische Parolen sind parlamentsfähig geworden, es gibt keine
wie auch immer gearteten rechten Protestwähler, es gibt nur gute
Deutsche... KAY |