Mit ein wenig Geschick läßt es sich als junger
deutscher Mann so einrichten, daß der staatlich verordnete Zivildienst
dazu taugt, dem Leben mehr abzuringen, als acht Stunden täglich knuffen zu
gehen natürlich gegen den eigentlichen Zweck des Zivildienstes als
Ausprägung individuellen Gemeinsinnes. Notwendig ist dafür nur die
rechtzeitige Suche nach der mellowsten Zivistelle. Diese erst einmal gefunden
und den Dienst angetreten, gelingt es oft, dem Leben ein paar nette Seiten
abzuringen: mehr Zeit ohne Arbeit, weil Arbeit ohnehin scheiße ist.
ideelle Gemeinschaftstölpel Diskussion im Focus 47/97
|
Dem Zivildienstjahr als Zwangsdienst gebührt trotz dieser potentiell
sonnigeren Lebensseite eine grundsätzliche Kritik. Gegen die
Staatskonformität zu rebellieren, in dem das Zivijahr als Einstieg in den
Bruch mit dem geordneten Arbeitsleben verstanden wird, setzt voraus, dem Staat
als ideellen Gemeinschaftstölpel nichts zu geben, da er
sowieso alles nimmt, was man ihm nicht vorenthält. An diesem wichtigen
konstitutiven Gegensatz zwischen Gemeinschaftsgeist und ehrlicher
Betrügerei festzuhalten, empfiehlt sich allenthalben auch in Zeiten
angeblicher Deregulierung und Verschlankungsdiäten von Staats wegen.
Daß die Rente im Ergebnis dessen wohl minimal ausfallen wird, darf einen
dabei nicht stören. Arbeiten um quasi zu sterben entspricht dem
Lebenscredo, dem sich Abermillionen in diesem Lande unterwerfen. Den
Allerwenigsten wird bewußt, wie sehr man innerhalb einer
Warengesellschaft so oder so nur als Ware zählt. Die schlaueren,
konvertierten Ex-Gesellschaftskritiker nennen das den unumgänglichen
Sachzwang, dem man unterworfen wird. Der allumfassende Arbeitsfetisch hat sich
seit Bestehen des Kapitalismus bisher so gut wie jeden kritischen Ansatz
Waren-produktiv einverleibt. Die Wenigen, die dem widerstanden, sind entweder
in Richtung Wälder und Wüsten entschwunden, Esoteriker geworden oder beides zusammen.
Nichts treibt die Gesellschaft derzeit mehr um als der Sicherheitswahn.
Keineswegs jedoch ist das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerungsmasse
von oben manipuliert, wie linke Schlauberger allenthalben vom Stapel lassen.
Die law and order - Allianz ist eine allumfassende, die dem
Einschwören auf nationalistische Standortpolitk von oben explizit
zuarbeitet, weil sie von unten so oder so niemals in Frage gestellt wurde und
wird. Erst durch diese Konstellation gelingt es, der Renationalisierung
über das subsidiäre Regionalisierungsmodell jene Bedeutung zu geben,
die ihren Ausdruck nicht zuletzt in der Kampagne zur Inneren Sicherheit findet.
Im Gegensatz zu der schon immer rassistisch aufgeladenen Projektion von unten,
ist die von oben erst seit dem Ende der Systemauseinandersetzung zum
erwünschten Vehikel vor-ökonomistischer
Zugriffssicherung (Stefan Eggerdinger) geworden.
Nun hat Innenminister Kanther anfang November den brillianten
(Die Woche) Vorschlag gemacht, Zivildienstleistende bei der
Polizei sinnvolle Aufgaben übernehmen zu lassen. Getrieben von der
zero tolerance gegenüber der angeblichen Bagatellkriminalität
z. B. Ladendiebstahl, Graffiti-Schmiererei, Schwarzfahren
strickt Kanther an dem Sicherheitsnetz im Kampf gegen das
Verbrechen. Er tut es ohne heiße Nadel. Den Einsatz von
Kanthers Zivibullen, wie die taz den Vorschlag umschreibt,
will der Innenminister, um mehr Kräfte für die
Verbrechensbekämpfung und die allgemeine Präsenz in der
Öffentlichkeit frei zu haben.
Kanthers Schnellschuß-Vorschlag stieß allenthalben sofort auf
heftige Kritik (Die Welt). Der omnipräsente Vorsitzende
der Polizeigewerkschaft (GdP), Hermann Lutz, plädiert dann auch
entsprechend für die weitere Aufblähung des Polizeiapparates:
Wenn Personalbedarf bei der Polizei erkannt wird, muß die Polizei
verstärkt werden. Schließlich sei die Polizei kein
Taubenschlag. Die Berliner Zeitung ergänzt: Kanther
diskreditiert die Arbeit der Beamten, wenn er ungelernte Hilfskräfte
für hinreichend qualifiziert zu deren effektiver Entlastung erachtet.
Dabei ist das, was Kanther da abläßt, mit linker Brille betrachtet
gar nicht mal so ablehnenswert, wie es auf den ersten Blick zu vermuten steht.
Einen neuerlichen Beweis dafür, daß die FAZ wirklich in jeden
linken Briefkasten gehört, lieferte die Zeitung für
Deutschland mit ihrem Kommentar zum Thema. Für Manfred K., so das
Blatt, spiele der hoheitliche Charakter der Polizeiarbeit keine wichtige
Rolle. Und die Zeitung konstatiert bei Kanther eine
merkwürdige Nonchalance in Rechtsfragen. Jetzt mal ehrlich, welcher
Linke wenn man mal von Gremliza und Elsässer absieht
hätte das tatsächlich so analysiert? Die bürgerliche
Presse inklusive taz gegen den Strich zu lesen
(Günther Jacob), birgt tatsächlich den Bruch mit dem ach so schweren
konstruktiven Politikgeplänkel linker Etikettierung in sich. Nur daraus
kann eine den Verhältnissen angemessene Form von Subversivität
erwachsen, die im Gegensatz zur verbal-hippen
Kommunikations-Guerilla und deren Handbüchern den Symbolismus
politischer Praxis nicht nur einkalkuliert und damit zur linken Antwort auf das
bürgerliche lart pour lart macht, sondern tatsächlich die
Gesellschaft als solche zerstörerisch unterminieren will.
Wäre also linker Rat teuer, so müßte er lauten: Zividienst bei
der Polizei sofort! Und beim BGS noch dazu!
Aber, wie gesagt, den Haken linker Minorität erfährt man wiederum aus
der bürgerlichen Presse. Diesmal gar aus der Provinz der
Leipziger Volkszeitung: Denn welcher Zivi käme ernsthaft auf
den Gedanken, nachdem er den Dienst an der Waffe abgelehnt hat, sich von sich
aus zu Polizeihilfsdiensten zu verpflichten?
Sich von sich aus das gehört zwar gut und gerne in die
Rubrik Das Letzte diese Heftes, doch immerhin steht dort das
Problem schwarz auf weiß. Denn, wie selbst der GdP-Chef Lutz weiß:
Bei der Polizei werden schließlich keine Kartons gefaltet.
Und auch ich weiß: Nicht die Kartons sind das Problem, sondern die, die
sie falten. Ralf |