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#271, Februar 2022
#272, März 2022
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Aktuelles Heft

INHALT #271

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Alles ist viel zu anstrengend
• kulturreport: Gedicht
• position: Nieder mit Erdogan! Zum Angriff auf DITIB, seiner Rezeption und dem Racheakt in Connewitz
• doku: »Islamophobie«, das Kopftuch und westliche Linke
Mark Fisher – Niemand ist gelangweilt, alles ist langweilig
• review-corner buch: Pizza mit Ketchup und Mayo
Zum Release von "nine to five? - Perspektiven auf Arbeit"

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Zum Release von "nine to five? - Perspektiven auf Arbeit"

Lange war es still um uns und unser Output durchaus spärlich. Doch im Hintergrund wurde weiter gelacht, geweint und gewerkelt. Letztendlich können wir euch freudig eine bunte Sammlung an Texten präsentieren, die Mitte Januar 2022 veröffentlicht wurde. Falls ihr keines der rar vorhanden Exemplare abgreifen könnt, findet ihr die vollständige Broschüre nine to five? - Perspektiven auf Arbeit unter utopieundpraxis.noblogs.org. Nachfolgend als ersten Einblick: Das Editorial.

»Hello, ich wollte mal wieder von mir hören lassen: Ich schaffe es heute leider nochmal nicht zum Plenum, möchte aber ab nächster Woche dann auch wieder regelmäßig am Start sein. Zu meinen Texten: Ich hatte mir viel vorgenommen und war dann aber in den letzten Wochen und Monaten mit meinem Kopf überall, nur nicht bei den Texten und der Broschüre. Das lag nicht daran, dass ich das Projekt plötzlich nicht mehr gut fand oder kein Interesse mehr an meinen gewählten Themen hatte, sondern eher an mangelnder Motivation, die ja doch recht anstrengende Textarbeit anzugehen. Wenn ich Energie dafür hatte, musste ich meist irgendwelche Hochschul-Sachen vorziehen – z.B. eine zweistellige Anzahl an Bewerbungen für mein Praktikum schreiben. Dass ich mich und euch nun in die blöde Situation gebracht habe, die von uns selbst gewählten Deadlines nicht einhalten zu können, tut mir auf jeden Fall leid und nervt mich auch selber. [...] Vielleicht könnt ihr heute auf dem Plenum darüber sprechen, was euch nun die liebste Option wäre? Könnte ich noch bis zum 30.9. Zeit haben [...]? Ich persönlich würde mich freuen, wenn es mein(e) Text(e) noch in die Broschüre schaffen, aber hätte auch voll Verständnis, wenn ihr das stressig fändet, wenn sie erst in den nächsten Tagen kommen. LG und bis bald :)«

Diese Nachricht ging durch unsere Kanäle und in ähnlicher Weise nicht nur einmal. Sicher geht das nicht nur uns so. Andere Zwänge haben eine höhere Dringlichkeit und politische Arbeit bringt leider meist kein Geld oder gute Noten. So muss Lohnarbeit und Ausbildung vorgehen. Und neben einer 40+-Stunden-Woche, gefüllt mit Vorlesungen, unbezahlten Praktika, unterbezahlten Teil- und Vollzeit-Jobs findet sich auch nicht immer Zeit für politische Organisation, Reproduktionsarbeit, soziale Kontakte und dann noch das Schreiben einer eigenen Broschüre abseits der Tagespolitik. Die eigenen Ansprüche an inhaltliche Breite und Tiefe zu senken war die Folge. Die direkte Erfahrung vom Dilemma der Arbeit verschonte uns also auch hier nicht. Das zeigt gleichzeitig gut auf, warum es geboten ist, über Arbeit, Arbeitskritiken und -kämpfe zu sprechen.

Wir haben uns gefragt: Welchen Stellenwert hat Arbeit und warum? Was sind besonders zeitgenössische Aspekte der Arbeit? Gibt es ein »besseres« Arbeiten? Diese Broschüre unternimmt den Versuch, verschiedene Blickwinkel auf das Thema in insgesamt zehn Texten zu bündeln: von historischen Gegebenheiten über ideologische Elemente von Arbeit bis hin zu konkreten Erfahrungen in der Arbeitswelt. So beleuchtet der Text SIND WIR ALLE MEHR-WERT? Arbeit im Kapitalismus von Pünktchen Biberkopf und Spektakel, welche Rolle die Arbeit in der kapitalistischen Produktionsweise einnimmt und wie es zur Bildung von Wert kommt. In unserer Broschüre findet ihr außerdem zwei Interviews. Das erste Interview – Ein ehemaliger Minijobber eines Lieferdienstes erzählt verdeutlicht exemplarisch einmal mehr mit welchen Problemen sich (geringfügig) Beschäftigte herumschlagen müssen. Unser Artikel Vom Deutschen Volksverein bis zum DGB – Geschichte der deutschen Arbeiter*innen-Bewegung zeichnet ausgewählte historische Momente der deutschen Arbeiter*innenbewegung nach. In ihrem Text Von Marx und fliegenden Tomaten – eine Einführung in den materialistischen Feminismus fordert die Emanzipative und Antifaschistische Gruppe einen Feminismus, der die grundlegende Ungleichheit des Geschlechterverhältnisses analysiert, die Verbindung zwischen Patriarchat und kapitalistischer Ausbeutung aufdeckt und diskutiert außerdem Möglichkeiten materialistisch-feministischer Praxis. Warum das Geschlechterverhältnis ohne ein Verständnis vom Kapitalismus, seiner Geschichte und den Subjekten, die er produziert, nicht zu durchschauen ist und welche Auswege es aus dem patriarchalen Verhältnis gibt, darüber schreiben Anna Kow und Virginia Kimey Pflücke in [work in progress]. Wie die Forderung nach möglichst diversen Arbeitskräften Ausbeutungsverhältnisse vernebeln kann, erfahrt ihr in Tina Sanders Aufsatz Zur Rolle von Diversität im postindustriellen Kapitalismus. Lothar Galow-Bergemann beschreibt in seinem Beitrag Arbeitsfetisch und Antisemitismus wie es zu verstehen ist, dass Arbeit in unserer Gesellschaft eine solch hohe Bedeutung innehat(te) und welche antisemitischen Vorstellungen sich dahinter verbergen. Wie und warum sich die Klassenzusammensetzung in den letzten Jahrzehnten in Leipzig verändert hat und wie sich Klassenkonflikte im Leipziger Logistikcluster zuspitzen (werden), davon berichten Amici della Conricerca in Zur Veränderung der Klassenzusammensetzung in Leipzig in den letzten 30 Jahren. Der Vorstellungstext GEWERKSCHAFT FÜR UNBEZAHLTE   TÄTIGKEITEN & SORGE weitet den Blick für Arbeiten und Zwänge außerhalb der Entlohnung. In unserem Interview mit dem Cat-Kurierkollektiv berichtet Lorenz über Herausforderungen von selbstorganisierter Arbeit und dem Verlangen nach ihr.

Wir hoffen, wir haben es mit dieser Bandbreite an Themen in der ersten Ausgabe geschafft, wichtige Punkte anzusprechen und die Beschäftigung mit Arbeit wieder ein Stückchen relevanter zu machen. Dabei haben wir versucht, unsere Ansprüche untereinander zu vermitteln und regelmäßig festgestellt, dass diejenigen Ansprüche, vor allem an Produktivität und Leistung, Einhaltung von Deadlines usw., die klassischerweise in kapitalistischen Produktionsstätten oder klassischen Bildungseinrichtungen zu finden sind und von denen man sich doch eigentlich freisagen will, auch wieder in der eigenen politischen Arbeit zu finden sind. Auf der anderen Seite muss man auch anerkennen, dass es eine andere Sache ist, als junge, basisdemokratisch organisierte Gruppe neben dem Tagesgeschäft eine Broschüre herauszugeben, ohne sich tiefergehend mit anderen Organisationsmethoden abseits von Deadlines und einem gut ausgeklügelten Plan beschäftigt zu haben.

Lieben Dank an die Autor*innen und Zusammenschlüsse Pünktchen Biberkopf und Spektakel, Emanzipative Antifaschistische Gruppe (EAG Berlin), Anna Kow und Virginia Kimey Pflücke (A.V. Schmidt), Tina Sanders, Lothar Galow-Bergemann, Amici della Conricerca und GuTso sowie unsere Interviewpartner, Lorenz vom CAT-Kurierkollektiv und Arthur, einen ehemaligen Rider, die durch ihre Beiträge und Expertisen diese Textsammlung bereichern. Ebenso herzlich danken möchten wir der Rosa-Luxemburg-Stiftung für die finanzielle Unterstützung durch eine Förderung unseres Projektes und E. für das Layout der Broschüre.

Viel Spaß beim Lesen und Diskutieren. Falls ihr Anmerkungen und Kritik habt oder sonstige Gedanken loswerden wollt, dann schreibt uns gern an: up_leipzig@riseup.net

Utopie und Praxis – Herbst 2021

23.05.2022
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