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• »The Great Connewitz Swindle« oder wie der Mythos nach Connewitz kam
• interview: »Die Fettnäpfchen sind uns egal. Nur wenn man die Dinge diskutiert, kommt man zum Kern.«
• review-corner buch: Historischer Materialismus der Computerspiele
• review-corner event: „Allein unter Briten“ – Lesung mit Tuvia Tenenbom
• position: »Das ist kein Antisemitismus...« – Warum #FreeGazaFromHamas immer noch heißen muss, auch die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen zu kritisieren
• doku: Redebeitrag des Bündnis gegen Antisemitismus
• doku: Antisemitismus im Postkolonialismus
• doku: Gedichte von Hilde Domin
• »Antizionismus ist Antisemitismus, und die Welt kann diese Tatsache nicht ignorieren«
Die Dokumentationsplattform chronik.LE dokumentiert einen Redebeitrag der Israelin Coral Guter, den sie am 21. Mai bei der Kundgebung »Schalom – Solidarität mit Jüdinnen und Juden in Leipzig« vor dem Neuen Rathaus in Leipzig gehalten hat. Vorausgegangen war ein antisemitischer Angriff auf sie und ihre Partnerin am 3. Mai im Stadtteil Gohlis.
Der Angriff, den sie selbst veröffentlicht hat, wurde auch in der Dokumentation festgehalten und ereignete sich wie folgt:
Eine aus Israel stammende Jüdin wurde über einen längeren Zeitraum von einer Nachbarin belästigt, antisemitisch beleidigt und schließlich körperlich angegriffen. Als eine zunächst interessiert erscheinende Nachbarin herausfindet, dass beide Bewohnerinnen Hebräisch sprechen, reagiert diese abrupt abweisend und bezeichnet Hebräisch als »schlechte Sprache«. Sie fragt die beiden, weshalb sie dann nicht in Israel lebten, und fordert die beiden in rassistischer Manier auf, in Deutschland nur Deutsch zu sprechen. Im Anschluss fragt die Nachbarin, ob beide Juden seien. Die beiden Betroffenen versuchen fortan, die Antisemitin zu ignorieren. Diese lauert ihnen jedoch immer wieder im Treppenhaus auf und öffnet stets überwachend ihre eigene Wohnungstür, wenn die beiden ihre Wohnungstür öffnen.
Die Übergriffigkeit der Antisemitin erreicht ihren Höhepunkt am 03. Mai gegen 22 Uhr, als eine der beiden jüdischen Nachbar_innen mit einem großen Koffer die Wohnung verlässt. Anscheinend erfreut über den vermeintlichen Auszug bekundet sie, dass die »Jüdin«, als die sie sie abwertend bezeichnet, nun endlich fortziehe. Sie verfolgt die Person bis vor die Tür des Wohnhauses, wo diese den Koffer in ein Auto lädt, und verweigert ihr wieder das Haus zu betreten, in dem sie in herrischer Pose den Hauseingang blockiert. Als die jüdische Person an ihr vorbei will, wird sie von der größeren und stämmigeren Deutschen zurückgestoßen. Währenddessen wird sie fortlaufend beleidigt und ihr gesagt, sie dürfe das Haus nicht mehr betreten und solle auf der Straße schlafen. Die Betroffene ruft ihre Mitbewohnerin zu Hilfe. Gemeinsam schaffen sie es, wieder in ihre Wohnung zu gelangen und die Tür vor der Antisemitin zu verschließen. Diese randaliert fortan und tritt gegen ihre Wohnungstür. Auch keine_r der Nachbar_innen eilt den beiden zu Hilfe oder ruft die Polizei. Nach mehrfachen Notrufen erscheint die Polizei erst nach einer Stunde. Die Betroffenen schildern ihre Perspektive, die sie durch Videoaufnahmen belegen können. Die antisemitische Nachbarin leugnet den Angriff. Als die Polizei sich gegen 2 Uhr entfernt, randaliert die Nachbarin wiederum und versucht ihrerseits, Aufnahmen von den Betroffenen anzufertigen und in deren Wohnung zu gelangen. Dabei beleidigt sie die Betroffenen weiter antisemitisch. Die Polizei erscheint dieses Mal schneller und droht der Nachbarin, sie bei einem weiteren Angriff mit auf die Wache zu nehmen.
Die beiden Betroffenen sahen sich nicht hinreichend geschützt und verlassen in der Folge ihre Wohnung und die Stadt Leipzig.
Coral hat den folgenden Redebeitrag am 21. Mai 2020 auf der Kundgebung »Schalom – Solidarität mit Jüdinnen und Juden in Leipzig« vor dem Neuen Rathaus in Leipzig gehalten. Dazu aufgerufen hatten der Oberbürgermeister der Stadt Leipzig sowie mehrere Religionsgemeinschaften. Ziel der Kundgebung war die Solidarisierung mit Leipziger Jüdinnen und Juden vor dem Hintergrund antisemitischer Vorfälle im Zusammenhang mit dem am 10. Mai beginnenden Raketenbeschuss aus Gaza auf Israel und den Reaktionen der israelischen Armee. Weltweit kam es in diesen Tagen zu einseitigen Verurteilungen Israels sowie Demonstration mit offen zur Schau gestelltem Antisemitismus. Auch in Leipzig fand am 15. Mai eine antiisraelische Demonstration statt.
Es folgt der Redebeitrag:
Thank you all for coming to support our cause during these difficult times.
I’m Coral and I have been living here in Leipzig with Shirel for 5 years.
We are both Israeli Jews and we are partners not only for business but also for life.
When we came here, we met friends, community, and lovely people.
I was always welcomed here, in Leipzig.
Me, my identity, and my culture.
I have also learned a lot about the German culture.
We have been welcomed in by Germans when they realized how far we are from our families.
The Jewish community here in Leipzig is a second family to me.
A place with friends who can understand us.
Also, a place to meet more Israelis.
As I said, a second family.
We all here are seeing and hearing the rise of Anti-Semitism and other forms of hate speech against different groups.
There are different forms of anti-Semitism and they are everywhere.
The raise of fake news and the unbalanced media helped to spread antisemitism.
In these days, the social media became a shooting gun by blind users.
Our key belief is understanding and the willing to learn about the other.
Not only in Germany, but in the entire world,
You know, there is a discussion if anti-Zionism is anti-Semitism.
The Jews are an ethnoreligious group, both religious and ethnic group with more than 3,000 years of old historical, cultural, religious and heritage roots to Israel.
That is why antizionism is antisemitism, and the world cannot ignore this fact.
Before I finish my speech, I will ask you one thing.
When you hear or see someone near you in danger, do not ignore!
And it doesn’t matter which background they are from!
It’s important that everyone will feel safe here in Leipzig, Germany, in Europe, in the Middle East in the entire world
Once again, thank you for coming and we all hope for peaceful days.
Danke schön
Deutsche Version:
Danke an alle, dass ihr heute gekommen seid, um unsere Sache in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen.
Ich bin Coral und mit Shirel seit fünf Jahren in Leipzig.
Wir sind beide israelische Jüdinnen und sind Partner, nicht nur beruflich, sondern auch fürs Leben.
Als wir hier ankamen, trafen wir Freunde, Gemeinschaft und liebevolle Menschen.
Ich habe mich in Leipzig immer willkommen gefühlt.
Ich, meine Identität und meine Kultur.
Auch habe ich viel über deutsche Kultur gelernt.
Wir wurden in Deutschland willkommen geheißen, als klar wurde, wie weit wir von unseren Familien entfernt sind.
Die jüdische Gemeinschaft in Leipzig ist für mich wie eine zweite Familie.
Ein Ort mit Freunden, die uns verstehen.
Ebenso ein Ort, um mehr Israelis zu treffen.
Wie ich schon sagte, eine zweite Familie.
Wir alle hier sehen und hören den Anstieg des Antisemitismus und andere Formen von Hassrede gegen unterschiedliche Gruppen.
Es gibt verschiedene Formen des Antisemitismus und es gibt sie überall.
Der Aufstieg von Fake News und die aus dem Gleichgewicht geratenen Medien helfen dabei, Antisemitismus zu verbreiten.
Heutzutage ist Social Media zu einer geladene Waffe für blinde Benutzer geworden.
Wir glauben daran, zu lernen und einander zu verstehen.
Nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten Welt.
Ihr wisst, dass es eine Diskussion darüber gibt, ob Antizionismus Antisemitismus ist.
Die Juden sind eine ethnisch-religiöse Gruppe, sowohl religiös als auch ethnisch, die mit mehr als 3000 Jahren altem historischen, kulturellen Erbe in Israel verwurzelt sind.
Das ist der Grund, warum Antizionismus Antisemitismus ist, und die Welt kann diese Tatsache nicht ignorieren.
Bevor ich meine Rede beende, will ich euch um eines bitten.
Wenn ihr hört oder seht, dass jemand um euch herum in Gefahr ist, ignoriert das nicht!
Dabei spielt es keine Rolle, welchen Hintergrund sie haben.
Es ist wichtig, dass sich jeder sicher fühlen wird, in Leipzig, Deutschland, Europa, dem Mittleren Osten und der ganzen Welt.
Noch einmal danke ich euch für euer Kommen und wir alle hoffen auf eine friedlichere Zukunft.
Danke schön