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Aktuelles Heft

INHALT #264

Titelbild
Editorial Nr. 2021
• das erste: OMG Katja
• inside out: Die Unterstützungsgruppe stellt sich vor
• inside out: Die U-Gruppe sucht Verstärkung
• neues vom: Neues vom ... Viertel
• position: Conne Elend: Ein Abgesang
• review-corner event: »Nikol, du bist ein Verräter!«
• doku: Fuck the Family
• doku: Positionierung der Radicals Crew
• doku: »Antisexistische Arbeit ist in erster linie auch ganz viel frustrierende Arbeit«
• leserInnenbrief: Zeichen pflastern die Misogynie
• das letzte: Sachsen seucht sich weg

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Zeichen pflastern die Misogynie

Zur Positionierung der Radicals Crew zum Text "Fuck the family"

Graffiti gehört sicher auf die Straße, auf Bahnstrecken, ach Himmel, und von mir aus auch auf alles, was Räder hat, da sind wir uns einig. Graffiti breitet sich aber auch in anderen Räumen aus, namentlich sind Kneipen, Diskotoiletten, Treppenhäuser, Spätis und Bäume im Wald gemeint. Sprüher:innen sind geschützt durch ihre Anonymität, was gut ist. Problematisch wird es, wenn die Narrenfreiheit auf den Oberflächen zu einem misogynen Selbstläufer wird, wie im Statement der RCS herauszulesen. Wo Geschlechterungerechtigkeiten affirmiert werden und zu vorrangig männlicher Identitätsstiftung beitragen, sind patriarchale Verhältnisse nicht weit.

Die Behauptung, dass vereinzelt Männer sowohl Täter als auch einzelne Frauen* Opfer von Übergriffen sind, verkennt leider die systematische Misogynie in unserer Welt. Um es mit Seehofer zu sagen - es gibt keinen Rassismus in der Polizei, weil es verboten ist, analog gibt es also keinen Sexismus bei den RCS, weil es »nicht geduldet« würde! Ein schlechter Scherz. Nach der letzten Veröffentlichung zum Thema, dem Text Fuck the family auf indymedia, einer Art aufklärenden, subjektiven Auseinandersetzung aus einer Minderheitenposition heraus, muss klar werden, dass es in dem Text nicht hauptsächlich um Graffiti geht, sondern um die gesellschaftlichen Ungleichheiten.

Keine Graffiticrew kann sich herausnehmen, zu sagen, dass sie die patriarchalen Verhältnisse überwunden hätte, denn keine Bewegung ist aktuell von Sexismus frei, es bleibt ein andauernder Kampf gegen den strukturellen Täterschutz, der sich auch in dem halbherzigen Distanzierungsversuch eures Statements widerspiegelt. Euer Schweigen über die realen Zustände innerhalb der eigenen Strukturen ist deshalb ein sehr lautes.

In eurer Antwort steht so ungefähr: Wir haben keine Restriktionen, was Geschlechter angeht, wir halten uns in unserer Halbwelt bedeckt, tun dies nicht und das nicht, Angriffe auf Frauen gehen sowieso nicht und die Graffitiszene regelt den Rest schon. Eine dumm-dreiste Reaktion. Von der Verantwortung, sich für die Verbesserung der Zustände einzusetzen, Fälle von Übergriffen zu regeln, die euch zugetragen werden, die Opfer einzubeziehen, nehmt ihr scheinbar Abstand. Lieber in die Männerhöhle eurer Subkultur abhauen, so ist es recht. Die Fuck the family-Autorin fühlt sich offensichtlich von euch nicht gehört, sonst wäre der Text gar nicht erst öffentlich erschienen.

Warum ist die Coolness der einzige Faktor, an dem alle weiblichen, männlichen und ›diversen‹ Mitglieder, die ansonsten individuell und offenbar damit sehr verschieden sind, gemessen werden? Wieso entleert ihr zwischenmenschliche Beziehungen, indem ihr rücksichtslos die ›family fickt‹, zuletzt auch euch selbst? Es ist eine Illusion, dass eure szeneinternen Verhältnisse frei von politischen Konflikten in einer Art Graffiti-Terrarium vor sich hinschimmeln können. So wird sich die Erwartungshaltung, dass ihr euch politisch mal strafft, in nächster Zeit dementsprechend auch nicht ändern. Ihr überseht euer Mackertum, eure toxische Männlichkeit, indem ihr versucht, die Deutungshoheit und Kontrolle über alles, was in eurem Klüngel passiert, zu behalten, Stichwort Täter-Opfer-Umkehr, welche zeigt, dass ihr auf der falschen Seite der S-Bahn ausgestiegen seid. Alle, die kein Bock mehr auf eure Gewalt haben, sollten schnell botten und sich die Belastung nicht mehr antun, weiterhin dem Gruppenzwang ausgesetzt zu sein. Denn: Wer kann dauerhaft im Schwanzvergleichsmodus leben, den ihr internalisiert habt, ohne einen psychischen, in einigen Fällen auch physischen, Schaden zu nehmen und anderen zuzufügen? Wer kommt je aus eurem pseudomafiösen Verschwiegenheitskodex, heraus, ohne völlig diskreditiert zu werden?

Es wird Zeit, dass ihr euch an den Gedanken gewöhnt: Graffiti findet im öffentlichen Raum statt, ihr zelebriert eure Taten in verschiedensten Medien, deshalb wird zukünftig auch weiterhin kritisch darüber diskutiert, mit oder ohne euch, aber immer über euch, so lange ihr weiterhin ein Klima ermöglicht, in dem Übergriffe auf Frauen* konsequenzenlos bleiben.

von der Hausmeisterin von Connewitz

28.04.2021
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