• Titelbild
• Editorial Nr. 2021
• das erste: OMG Katja
• inside out: Die Unterstützungsgruppe stellt sich vor
• inside out: Die U-Gruppe sucht Verstärkung
• neues vom: Neues vom ... Viertel
• position: Conne Elend: Ein Abgesang
• review-corner event: »Nikol, du bist ein Verräter!«
• doku: Fuck the Family
• doku: Positionierung der Radicals Crew
• doku: »Antisexistische Arbeit ist in erster linie auch ganz viel frustrierende Arbeit«
• leserInnenbrief: Zeichen pflastern die Misogynie
• das letzte: Sachsen seucht sich weg
Graffiti gehört für uns schon immer ausnahmslos auf die Straße.
Deswegen führen wir als Gruppe auch keinerlei Social Media-Accounts.
Zudem betrachten wir die allgemeine Entwicklung, dass einseitige Wahrnehmungen Einzelner im Internet zu Fakten werden und die oftmals unkontrollierbaren Folgen daraus, sehr kritisch.
Es ist jedem Menschen freigestellt, den eigenen Freundeskreis frei zu wählen und wir können nicht akzeptieren, dass aus dem Verhalten einzelner Akteure in deren externen Freundeskreisen ein Stigma für unsere Gruppe bzw. für den Großteil der gesamten Graffiti-Szene abgeleitet wird. Dennoch nehmen wir die Vorwürfe gegen uns und unsere Mitglieder sehr ernst und haben daher – neben sehr vielen persönlichen Gesprächen – beschlossen, folgendes Statement öffentlich zu machen.
Zur Sache
Auch wenn sich die Ereignisse unseren Erkenntnissen nach zum Teil anders zugetragen haben, möchten wir an dieser Stelle zum Schutz der Betroffenen darauf verzichten, diese im Detail zu kommentieren.
Die Situationen an sich sind uns bekannt und werden von uns keineswegs geduldet, durchgewunken oder gar dazu animiert. Nicht erst nach der medialen Aufbereitung, sondern bereits unmittelbar nachdem uns die Ereignisse bekannt wurden, gab es intensive persönliche Gespräche mit den Tätern und eine Aufarbeitung innerhalb der Gruppe. Diese führten zu Einsichten, Veränderungen im persönlichen Verhalten und zur Definition einer klaren Erwartungshaltung der Gruppe an ihre Mitglieder. Übergriffe auf Frauen werden ausdrücklich nicht geduldet.
Zur Gruppe
Wir sind eine Gruppe von Sprühern und haben in erster Linie Bock auf Graffiti als das Medium, mit dem wir uns als Gruppe auf der Straße ausleben und ausdrücken. Unserer Ansicht nach kann sich jede Person/Gruppe dieses Mediums bedienen und in der Szene mitmischen. Die Stadt gehört uns allen. Wer zuerst kommt, malt zuerst. Andere Leute haben andere Vorstellungen von Graffiti, die sie auf der Straße ausleben. Damit sind wir cool. Wir haben zu keinem Zeitpunkt den Standpunkt vertreten, dass irgendwer nicht sprühen sollte. Unsere Gruppe besteht aus Individuen, die außerhalb dieser auch einer Vielfalt an anderen Aktivitäten und Interessen nachgehen. Dabei bewegt sich jedes Mitglied in diversen, von der Crew absolut unabhängigen Freundeskreisen. Daher ist die Gruppe auch nicht als die alleinige soziale Kontrollinstanz ihrer Mitglieder anzusehen. Einen Grundsatz, dass Mitglieder der Gruppe zwingend männlichen Geschlechts sein müssen, gibt es nicht und gab es nie.
Zum Thema
Nach unserer Erfahrung wird jede Person/Gruppe, die viel Output bringt und viel Energie in die eigene Sache steckt, auch von der Szene wahrgenommen. Abgesehen davon, ist der Urgedanke des Graffiti, seine persönliche Identität zu verschleiern. Oftmals ist gar nicht bekannt, welche Personen sich hinter einem Pseudonym verbergen. Somit spielen dann deren Aussehen, Geschlecht, Auftreten oder persönliche Einstellung bei der Bewertung der jeweiligen Outputs auch keine Rolle.
Gegen ein diverses Spektrum im Graffiti haben wir nichts. Jede Person/Gruppe kann die Szene frei mitgestalten. Dazu empfehlen wir, möglichst viele Buchstaben an reale Wände und Züge zu schreiben anstatt in virtuellen Spots. Für Gestaltungsvorschläge von Personen und Interessengruppen, die im Graffiti nicht aktiv sind, ist die Szene unserer Einschätzung nach wenig empfänglich. Uns ist bewusst, dass Graffiti ein überwiegend männlich dominiertes Business ist, welches einen hohen Leistungsethos abverlangt. Daraus schlussfolgernd ist uns klar, dass die Zugänge teilweise erschwert sind. Jedoch sehen wir es nicht als unsere Aufgabe an, jeglichen Personen/Gruppen ihren Platz oder Anteil in oder an der Szene zu- oder abzusprechen.
Es gibt zum Beispiel in der Schweiz, in Spanien, skandinavischen Ländern, aber auch in anderen Städten Deutschlands eine Menge sehr gute Vorbilder von Sprüherinnen und Sprüherinnen-Gruppen, die sich mit viel Output und Engagement nachhaltig Respekt und Ansehen in der Szene verschafft haben. Eine derartige Entwicklung halten wir auch in der Leipziger Graffiti-Szene für absolut möglich. Wir sind grundsätzlich offen für alles, was die Szene qualitativ weiterentwickelt. Für die aktive Nachwuchsförderung in diesem Bereich fühlen wir uns jedoch nicht verantwortlich.
Zum Schluss
Festzuhalten bleibt: Übergriffe auf oder Gewalt an Frauen sind für uns absolut inakzeptabel. Passieren sie dennoch, müssen sie thematisiert und aufgearbeitet werden. Die Graffiti-Szene nimmt da aus unserer Sicht, im Vergleich mit anderen Subkulturen, keine Sonderstellung ein. Nichtsdestotrotz sind und bleiben wir überzeugt: Graffiti gehört auf die Straße und muss nicht diskutiert oder gepostet, sondern gemacht werden! Deshalb werden wir uns, über dieses Statement hinaus, nicht an weiteren Diskussionen im Internet beteiligen.
Radicals Crew