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Fatoni
Kummer
Second Encounter
Schmutzki
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• doku: Jean Améry
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Fatoni

Fatoni ist einer von vier Feature-Gästen, die im November gemeinsam mit Max Herre den Song Dunkles Kapitel herausgebracht haben. Neben Megaloh und Sugar MMFK ist auch Dirk von Lowtzow mit von der Partie. Textlich und musikalisch würde dieser Track auch auf das im Juni erschienene Fatoni-Album Andorra passen. Zwar ist hier kein Song so explizit auf die deutsche Geschichte und deren Einordnung in die Gegenwart bezogen, aber die Beats von Dexter und der Gastauftritt vom Tocotronic-Frontmann zeigen schon einige Parallelen.
Inhaltlich ist Andorra die Auseinandersetzung mit den großen und kleinen, eigenen und fremden Krisen. Schon die Tracklist liest sich wie der Soundtrack zur Midlife-Crisis mit Mitte dreißig: Nein Nein Nein Nein Nein Nein, Krieg ich alles nicht hin, Ich glaub mit mir stimmt was nicht. Und am Ende steht dann das große OK OK OK.
Das Album ist also eher keine Ode an den Zwergstaat zwischen Spanien und Frankreich. Vielmehr können sozialpsychologisch affine Hip-Hop-Fans dahinter eine Anspielung auf das Andorra-Phänomen vermuten. Dieses beschreibt, wie sich Menschen oft an die Beurteilungen und Einschätzungen durch die Gesellschaft anpassen – und dies völlig unabhängig davon, ob diese ursprünglich korrekt gewesen sind oder nicht. Der Effekt beschreibt damit eine selbsterfüllende Prophezeiung. Am Ende verhält sich die Person genauso, wie man es ihr vorausgesagt hat, dies ohne die Prophezeiung aber nicht getan hätte.
Stellt sich die Frage, ob Fatoni also irgendwann durch Zufall in eine Hiphop-Spirale geraten ist. Alle gingen davon aus, dass er dieser Rapper mit dem Hut ist, bis er es dann tatsächlich geworden ist? Und seit sich die Kritiker nach Yo, Picasso dem Im Modus-Mixtape und auch nach dem gemeinsamen Album mit Mine über Genialität der sympathisch zynischen Betrachtungen einig sind, muss das ja was werden mit der Prophezeiung. Dabei wollte Fatoni doch Tatortkommissar werden und in einer Punkband spielen. (Ob hier Bernd Michael Lade sein Vorbild ist? Der spielte zumindest in den Achtzigern als Schlagzeuger und Sänger in verschiedenen Punkbands und ermittelte dann ab 1992 in Dresden und Leipzig.) Wie auch immer das Andorra-Prinzip funktioniert – sicher ist, dass man ja schon auch selbst entscheiden kann, was so passiert. Für die Tour hat Fatoni sich dann nämlich doch noch die traditionelle Bass-Gitarre-Schlagzeug-Punkband organisiert, die er sich immer gewünscht hat. Bass übernimmt sein ständiger Wegbegleiter und DJ V.raeter. Am Schlagzeug sitzt Philo Tsoungui. Die dürften Fatoni-Fans noch von der gemeinsamen Tour mit Mine aus deren Band kennen. Und wer sich die Verleihung des Preises für Popkultur angesehen hat, wird schwerlich um ihre Schlagzeugkünste herumgekommen sein. Hier übernahm sie die musikalische Begleitung des gesamten Abends.
Wenn Fatoni am Nikolaustag den Eiskeller betritt, dann also nicht allein, sondern mit seiner eigens zusammengestellten Band. Und hier wird wieder die Frage laut, die sich alle schon beim Dirk-von-Lowtzow-Feature gefragt haben: Ist das noch Hiphop? Als Antwort reicht ein einfaches Ja. Fatoni rappt mit Sarkasmus ohne Zynismus. Es werden Geschichten erzählt, keine Stories. Seine Musik hat Tiefe (nicht zu verwechseln mit ›Deepness‹). Es geht nicht um Gewichte, sondern um Dinge von Gewicht. So fühlt man sich beim Hören von Fatonis Texten irgendwie verstanden und zugleich aber auch etwas ertappt. Sei es, weil man selbst im Deutsch-Rap-Generationenkonflikt steckt oder die besungenen Probleme des Kulturprekariats doch ein bisschen zu nah an den eigenen sind. In jedem Fall wird ein Fatoni-Konzert mit neuem Album und Band wohl nun noch weniger Wünsche offen lassen als sonst.

[abr]

Gar nicht so lange ist es her, dass er das letzte Mal bei uns zu Gast war. An das letzte Konzert kann ich mich noch sehr gut erinnern. Eine kleine Anekdote zum Fatoni-&-Mine-Konzert im Dezember 2017:
Ich war mittlerweile ein knappes Jahr in Leipzig und begann nach anfänglichen Schwierigkeiten endlich Fuß zu fassen und mich - in mir sympathischen Strukturen - etwas zu etablieren.
Fatoni war mir schon länger ein Begriff: Bekannt durch Kollaborationen mit Edgar Wasser und der Zugehörigkeit zu dem - nicht unbekannten - kleine »Zecken«-Rap 1x1. Mine kannte ebenfalls primär aus Features und gewann meine Sympathie, während ich in der Promophase meinem ›guilty pleasure‹ fröhnte, in dem ich stundenweise Interviewmaterial der beiden konsumierte. Das Konzept des dann releasten Albums Alle Liebe nachträglich, taugte mir ebenfalls. Also kam ich zu dem Schluss: »Tiptop. Konzert? Sollte ich mir mal angucken«.
Das Angebot, das Konzert sogar kostenlos sehen zu können und im Gegenzug dafür eine ehrenamtliche Schicht zu übernehmen, nahm ich dankend an. Die anstehende Backstageschicht machte mir sehr Spaß, einerseits, weil ich mal wieder etwas zum ersten Mal machte und andererseits, weil ich schon im Kopf hatte, mehr am Laden machen zu wollen.»Ey, irgendwann bist du ständig hier und das ist alles nur noch halb so aufregend für dich«. Daraus schloss ich, dass meine Mission des Abends sein müsse, nochmal ordentlich zu fanboyen.Zur Erfüllung meiner Mission erzählte ich allen Leuten, ob sie es hören oder auch nicht hören wollten, wie toll es war, meinen größten Idolen Essen bringen zu dürfen. Auf der Bühne erwähnten die beiden sogar das außerordentlich gute Catering. Also erzählte ich den Freunden, die ich beim Konzert traf, dass ich Fatoni das Essen gebracht hätte und diese mich dafür bestimmt ganz dolle mögen würden, da sie mich mit dem gelungenen Werk der Küche assoziieren würden.
Schlussendlich hat sich das ganze Abgehype der beiden tatsächlich nochmal gelohnt, da ihr Merch eine Hand voll Fatonivinyls vergessen hatte, diese nicht zurück forderte und die Platten somit im Laden verschenkt werden konnten. Ein Freund, den am Laden kannte, erinnerte sich an mein Fantum und hielt mir eine der Platten zurück.
Diese Platte wird - neben dem dieses Jahr erschienen Album Andorra - auf jeden Fall die nächsten Tage noch öfter mal aufgelegt, um mich auf das Konzert am 6.12. einzustimmen.
Das nächste Konzert muss ich dann aber vielleicht booken, da ich beim letzten meine erste Ehrenamtsschicht gemacht habe und zu diesem Konzert - mit diesem Text - als Autor im CEE IEH (Anm. der Red.: Wer Kulturtexte fürs Heft schreibt, kann dann zum 50-Cent-Solipreis auf das entsprechende Konzert gehen) debütiere. Sprich zum nächsten Konzert muss ich auch wieder etwas zum ersten Mal machen. Vielleicht reicht ja aber auch erstmal eine Abendverantwortlichkeit oder so.

[costa]

 

13.12.2019
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