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Aktuelles Heft

INHALT #260

Titelbild
Alle Jahre wieder
• das erste: Die Transformation des Faschismusbegriffs im 20. Jahrhundert
Fatoni
Kummer
Second Encounter
Schmutzki
Altın Gün
• position: Unteilbare Gutbürger im Dienst fürs Kapital
• doku: Nicht nur »schwarzer Block«
• doku: Jean Améry
• das letzte: Terrifying low-tech-Terrorism

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Alle Jahre wieder

Nach all den Strapazen geht das Superwahljahr 2019 zu Ende. Was haben wir im Sommer (und im Frühjahr) nicht alle mitgefiebert, um doch nur wieder feststellen zu müssen, dass Sachsen richtig scheiße ist und die Wähler*innen zu dumm oder zu reaktionär sind, um dem politischen Gehalt einer Demokratie gerecht zu werden. Mit dem Cover unserer letzten Ausgabe ist dazu eigentlich alles gesagt.


Dass sich diese Dummheit nicht nur in den Wahlergebnissen niederschlägt, sondern auch mehr und mehr in vermeintlich emanzipatorischen Kämpfen zeigt, dürfte all jene, die regelmäßig unser Editorial lesen, nicht überraschen.Wir erinnern uns: Vor einigen Ausgaben kritisierten wir an dieser Stelle die Heimattümelei einiger Leipziger Gentrifizierungsgegner*innen aus dem »widerständigen« Stadtteil der Elster-Metropole. Damals ahnten wir noch nicht, dass jene strukturkonservativen Radikalen nur die Spitze des Eisbergs waren.
In den vergangenen Monaten hat es – um einen staatstragenden Terminus zu nutzen – eine neue Qualität der Gewalt gegen vermeintliche und reale Vorantreiber*innen kapitalistischer Stadtentwicklung gegeben. Ob nun Bagger oder Kräne abbrennen, mag trotz der horrenden Klimabilanz dieser Aktionen mehr oder minder egal sein; wenn dabei jedoch – auch wieder bloß nach Aussage der Repressionsbehörden – Menschenleben in Gefahr geraten, lässt sich dies kaum einfach mit »Bullen und Presse lügen« beiseite wischen. So viel Selbstreflexion sollte noch vorhanden sein, um auch eigene Fehleinschätzungen einzugestehen und zuzugeben, dass eine vermutlich gut gemeinte Aktion doch nicht ganz so klinisch sauber durchgeführt worden ist.
Größeres Pech hatte nur eine Prokuristin der Leipziger Wassermühle Immobilien GmbH, die mutmaßlich von Personen aus Connewitz in ihrer Wahrener Wohnung überfallen und dort getroffen wurde, »wo es ihr auch wirklich weh tut: in ihrem Gesicht.« Wo schon im vorherigen Fall jede kritische Selbstreflexion abhanden gekommen zu sein schien, lässt sich in diesem Fall nur noch feststellen, dass sich hier männlich-aggressive Affekte ihren Damm gebrochen haben und eben mal eine Frau verprügelt wurde, weil sie für einen Immobilienkonzern arbeitet – sowas passiert übrigens nichtmal den meisten Nazis.
Wenn sich die Gentrifizierungskritik damit auf ein Niveau unter dem verschiedener Fußballhooligans begibt, wird nicht nur viel politisches Kapital verspielt, sondern auch lang und breit demonstriert, wie reaktionär die Reflexe sind, die viele Linke zutage tragen, wenn es an die eigene Scholle geht.


Noch nach der lächerlichen Poppenburg-Veranstaltung im August haben radikale Kiezschützer*innen die Maulheld*innen gegeben, weil besagter Neonazi mit seiner Kundgebung gegenüber dem Polizeirevier Südost in der Richard-Lehmann-Straße sich streng genommen gar nicht in Connewitz, sondern noch in der benachbarten Südvorstadt aufgehalten habe. So lange das eigene Viertel von feindlichen Einflüssen »rein« gehalten wird, scheint alles in Ordnung zu sein.
Da Poppenburg aber inzwischen doch auf der Brandtstraße herumstehen durfte, bleibt die provokante Frage: »Nur ein paar Mülltonnen?« Widerstand sieht anders aus.


So endet das Jahr ähnlich dumm wie es begann.
Dafür können wir uns erneut auf ein weiteres Superwahljahr freuen: OB-Wahl in Leipzig, Präsidentschaftswahl in den USA und schließlich die Bundestagswahl.


Nächstes Mal dann hoffentlich klüger,

eure Redaktion

13.12.2019
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