• Titelbild
• Wahlabsage
• das erste: Streetwork mit Marx
• inside out: Im Osten nichts Neues.
• Jahresbericht 2018
• Full of Hell / The Body / Wayste / Hydren
• Captain Planet, Deutsche Laichen
• position: Unteilbare Gutbürger im Dienst fürs Kapital
• position: Von Kettenrauchern und Dieselautos
• position: Eine schrecklich nette Familie
• das letzte: Demokraten wider Willen?
2018 setzte das soziokulturelle Zentrum Conne Island ein umfängliches und diverses Programm um, welches sich über Leipzig hinaus großer Beliebtheit erfreute. Nach wie vor ist das Conne Island bundesweit eines der wichtigsten Zentren für Jugend-, Pop- und Subkulturen sowie ein einflussreicher Akteur für gesellschaftspolitische Debatten. Die Diversität von Themen und Positionen, aber auch von Menschen, die im Conne Island zusammen kamen, zeigte einmal mehr seine soziale und politische Bedeutung für die Stadt Leipzig und den Stadtteil Connewitz im Besonderen.
Der Anspruch den eigenen Veranstaltungsbetrieb aber auch die gewonnenen politischen Positionen und Gewissheiten in regelmäßigen Abständen kritisch zu hinterfragen führte im vergangenen Jahr zu heftigen Debatten innerhalb wie außerhalb des Conne Islands. Exemplarisch dafür steht die Kontroverse um den Vortrag „Zur Kritik des Islamischen Antisemitismus und seiner Bagatellisierung“ von Thomas Maul im Mai 2018, welche das Conne Island vor eine Zerreißprobe stellte.
Positiv sind hingegen die von Conne Island initiierten Debattenbeiträge zum kritischen Umgang mit der so genannten BDS-Kampagne (Boycott, Divestment and Sanctions) und ihren Aufrufen zum kulturellen Boykott Israels hervorzuheben. In Vorträgen, Diskussionsrunden, einem Workshop und einem langen Statement konnte die antisemitische Grundmotivation hinter der Bewegung herausgearbeitet werden. Das Spektrum der bearbeiteten Themen reicht noch deutlich weiter. So gab es zahlreiche Veranstaltungen zu feministischen, antifaschistischen, geschichts-politischen und philosophischen Themen. Intern war es vor allem der Anspruch ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis auf der eigenen Bühne umzusetzen und die generelle Fragen nach Repräsentation von Frauen im Conne Island, welche in Workshops und Plena viel diskutiert wurde.
Im täglichen Betrieb zeigte sich, wie verlässlich und strapazierfähig die über Jahre gewachsene Vereinsstruktur aus wenigen Festangestellten und einer Großzahl von Ehrenamtlichen ist.
Kultur – Sozialverträglichkeit und Innovation
„Das Conne Island ist ein Zentrum von und für Linke, Jugend-, Pop- und Subkulturen“, lautet die fast 20 jährige Kurzdefinition für das eigene Haus. Auch 2018 war das Conne Island ein zentraler Treffpunkt für Menschen verschiedener Altersgruppen und eine zentrale Anlaufstelle kulturell und politisch Interessierter in Leipzig. Die Infrastruktur des Vereins ist frei nutzbar. Und nicht an die Bedingung ehrenamtlicher Mitarbeit geknüpft. So erfreuen sich der Dj-Proberaum, die Gruppenarbeitsräume oder der Infoladen großer Beliebtheit.
Der anhaltende Hype um Leipzig und die damit einhergehende Blüte, vor allem der freien Szene- und Kulturlandschaft, spiegelt sich auch in der Programmgestaltung des Conne Islands wieder. Neben einer zunehmenden Anzahl konkurrierender Veranstaltungen eröffnen sich dadurch auch Möglichkeiten bedeutende KünstlerInnen wie ReferentInnen davon zu überzeugen, in der Koburger Straße 3 zu gastieren.
Die Beliebtheit des Freigeländes mit seinem großen Freisitz, dem Spielplatz, der Skatebowl, dem Kinogelände und Basketballplatz, der Veranda, der Graffiti-Fame und vielem mehr hält auch 2018 ungebrochen an. Neben dem 2cl Sommerkino, der Kinderdisko oder dem No-Crap-Flohmarkt ist es vor allem die wöchentliche Halftime, welche in den warmen Monaten das Freigelände füllt.
Über das Jahr verteilt fanden im Conne Island an 223 Tagen 261 Konzerte, Klubveranstaltungen, Lesungen, Kinovorstellungen, Workshops, Seminare, Diskussions- und Sportveranstaltungen statt. Damit konnten die BetreiberInnen des Conne Islands ihrem selbstgesetzten Ziel gerecht werden, das Veranstaltungspensum im Vergleich zu den Vorjahren etwas zu verringern, ohne dabei Abstriche an Qualität und Ausgewogenheit machen zu müssen. Die Steigerung der durchschnittlichen BesucherInnenzahl im Vergleich zum Vorjahr – mehr als doppelt so viele ausverkaufte Konzerte – kann als ein Beleg für die Veranstaltungsqualität gewertet werden.
Deutlich mehr als ein Drittel aller Veranstaltungen waren kostenlose Formate, wie Vorträge, Lesungen, Workshops oder Sportveranstaltungen. Dazu zählt auch ein Großteil der Freiluftveranstaltungen. Insbesondere die Halftime, welche im Sommer jeden Mittwoch bis zu 1.000 BesucherInnen auf das Freigelände des Conne Island lockt, erfreut sich großer Beliebtheit. Der Abend bietet die Möglichkeit Tischtennis oder Basketball zu spielen, Skateboard oder BMX zu fahren oder einfach die Atmosphäre zu genießen und mit FreundInnen Zeit zu verbringen.
Die 25. Auflage des Little Sista Skate Cup im September 2018 war nicht nur für die aktive SkaterInnenszene ein Highlight des vergangenen Sommerprogramms. Ein ganzes Wochenende drehte sich alles um Skateboarding mit FahrerInnen und Gästen aus dem gesamten Bundesgebiet.
Diese vielfältigen kostenfreien Veranstaltungen wurden auch 2018 ergänzt durch die bestehenden unentgeltlichen Angebote des Dj-Proberaums, des Infoladens (Bibliothek für alternative Literatur) samt PC-Arbeitsplätzen sowie der vielfältigen Sport- und Freizeitangebote. Kostenlose bzw. niedrigpreisige Angebote ermöglichen Jugendlichen und Erwachsenen mit geringen finanziellen Mitteln Teilhabe an Kultur, Bildung, sportlicher Betätigung sowie gesellschaftlichem Diskurs.
Das Konzert- und Klubprogramm des vergangenen Jahres bot Highlights aus großen Namen und frischen Innovationen. Im Bereich Stromgitarre – dem Genres rund um Hardcore, Punk, Oi! und Metal – standen unter anderem THE BABOON SHOW, JIMMY EAT WORLD, SEPULTURA und TURBOSTAAT auf unserer Bühne. Letztere fühlen sich dem Conne Island so verbunden, dass sie an drei aufeinanderfolgenden ausverkauften Konzerten, Teile ihrer aktuellen Live-Platte aufnahmen. Mit COCK SPARRER und PERKELE hatten wir außerdem zwei der weltweit bedeutendsten und berühmtesten Oi!-Bands zu Gast. Wie in den Vorjahren ist die Dominanz von Musikern in diesem Genres überdeutlich. Musikerinnen sind gerade in großen Labels und Agenturen unterrepräsentiert, woraus eine geringere Wahrnehmung resultiert. Um dieser Ungleichheit etwas entgegen zu setzen, wurden auch 2018 Konzertformate im Bereich Punk und Hardcore umgesetzt, bei denen ein Augenmerk auf Künstlerinnen lag. Dazu zählen das Tiny Festival im Mai oder das Punk Matinee Bowlette als Openair im Skatepark.
Im Bereich Pop, Indie und Hip Hop konnten mit OLLI SCHULZ, DANGER DAN, TOCOTRONIC und BLUMFELD wieder renommierte Größen und vertraute Freunde in den Eiskeller geholt werden. Einen besonderen Eindruck haben die Konzerte der Britin ANNA CALVI und der australischen Band KING GIZZARD AND THE LIZARD WIZARD mit ihrer Performance bei Gästen wie BetreiberInnen hinterlassen.
Die Vielzahl von neuen Klubs und eine steigende Veranstaltungsdichte in Leipzig wirkte sich bereits seit einigen Jahren negativ auf die BesucherInnenzahlen von Klubveranstaltungen im Conne Island aus. Daher hat sich 2018 der Charakter von Klubveranstaltungen weiter entwickelt. Neben den großen und etablierten Veranstaltungen wie dem Electric Weekender oder der KANN-Labelnacht wurden neue Formate und Musikrichtungen bespielt. Mit der Import/Export Reihe wurde vor allem experimentelle elektronische Musik von lokalen KünstlerInnen im Live-Format präsentiert. Unter dem Label Polylicious performten KünstlerInnen aus dem Bereich der Bass-Musik, welche sich nicht fest einem Musikgenre verschrieben haben. Als dritte neue Reihe startete 2018 Blackbox für den etwas abseitigeren Bereich rund um Hip Hop, mit dem Ansatz live Beats mit und ohne Band einem Publikum von LiebhaberInnen zu präsentieren. Im Bereich der Klubveranstaltungen, zu denen neben den verschiedenen Spielarten der elektronischen Musik auch R´n´B und Hip Hop sowie klassische Diskomusik der letzten Jahrzehnte zählen, befand sich das Conne Island auch 2018 in einem Entwicklungsprozess. Nichts ändern wird sich am anhaltenden Engagement des Conne Islands, die Zahl der Mädchen und Frauen hinter den Pulte zu erhöhen. So gab es 2018 in Kooperation mit Feat. Fem und Girls Edit eine ganze Reihe an Partys und Workshops, welche sich an weibliche Akteure in der elektronischen Musikszene richteten.
Im Rahmen von Vorträgen, Lesungen, Workshops, Filmvorführungen und Diskussionsveranstaltungen wurde sich 2018 mit Themen wie Antisemitismus und Antizionismus, Feminismus oder Nationalismus und rechter Gewalt auseinandergesetzt. Die Veranstaltungsreihe 70 Jahre Israel beschäftigte sich beispielsweise mit Israel bezogenem Antisemitismus an historischen und aktuellen Beispielen. Mit der Buchvorstellung von Feministisch streiten im Rahmen der Buchmesse wurden Thesen und Utopien eines Feminismus vorgestellt, welcher sich zwischen den Polen einer leidenschaftlichen Identitätspolitik und einer vernünftigen Gesellschaftskritik, im Sinne der Aufklärung, bewegt. Mit dem Vortrag von Friedrich Burschel zum Thema Der NSU-Komplex und die Saboteure der Aufklärung wurde in Zusammenarbeit mit der Leipziger Gruppe Rassismus tötet auf die eigentliche Dimension des NSU-Komplexes und die systematische Verhinderung seiner Aufarbeitung aufmerksam gemacht. Als viertes Beispiel für das breite Angebot von Bildungs- und Diskussionsveranstaltungen soll das prominent besetzte Podiumsgespräch Kultureller Boykott Israels? #shitisfucked! Genannt werden. Es diskutierten Vertreter des Berliner Klubs about blank, Christian Morin als Kurator des Pop-Kultur-Festivals Berlin und Volker Beck – ehemaliger religionspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag – über den antisemitischen Gehalt von Boykottaufrufen gegenüber Israel. Veranstaltet wurde das Podium von einem Zusammenschluss Leipziger Kulturzentren wie dem WERK 2, UT Connewitz, Institut für Zukunft, mjut und dem So&So, welche sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit kulturellen Boykottaufrufen gegenüber Israel konfrontiert sahen. Neben dieser Kooperation gab es 2018 auch weitere gemeinsame Veranstaltungen mit der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig, dem Kulturraum e.V. (KreV), der Cinematheque Leipzig, machtLos e.V., Student_innen Rat der Universität Leipzig, dem Roten Stern Leipzig sowie mit diversen Zeitschriften, Verlagen, Verbänden und Stiftungen.
Ein weiteres Veranstaltungshighlight 2018 war das Comic- und Grafikfestival The Millionaires Club parallel zur Leipziger Buchmesse, welches erstmalig im Conne Island stattfand. Das Wochenende bot mit Ausstellungen, Messe, Comiclesungen, Workshops und Diskussionsrunden ein breites Spektrum für ein internationales Publikum an Grafik-, Design- und Comicfans.
Abschließend soll der Vortrag „Zauberei und Herrschaft - Zur Ideologie der Harry Potter Romane“ von Melanie Babenhauserheide hervorgehoben werden. Er macht deutlich, wie weit das Themenspektrum der Veranstaltungen des Conne Islands auch 2018 gereicht hat.
Diese vielfältigen Veranstaltungen stellen einen Kernaspekt der politischen Bildungsarbeit des Vereins dar und stoßen immer wieder Debatten in und um den Verein an. Trotz fortschreitender und notwendiger Professionalisierung fanden auch 2018 Jugendliche und junge Erwachsene den Weg in das Plenum und den Organisationskreis des Conne Island, um ihre Projekt- und Veranstaltungsideen umzusetzen. Davon profitierte auch der etablierte Veranstaltungsalltag des Conne Islands und nicht zuletzt die kulturelle und politische Vielfalt.
Projekte
SK8 Island
Der aufwendige Umbau des Skateparks zu einer Beton-Bowl 2013 erweist sich weiterhin als ein großer Erfolg. Der große Zuspruch aus der Leipziger Skate- und BMX-Szene hält ungebrochen an. Organisiert wird der Skatebetrieb samt Werkstatt, Musik- und Lichtanlage sowie Workshops und Baueinsätzen von einer Crew aus aktiven SkaterInnen auf ehrenamtlicher Basis.
Auch 2018 fanden in Selbstorganisation immer wieder Builders Days (Baueinsätze) statt. Im Rahmen dieser wurde etwa die Böschung des Sakteparks befestigt, Teile des Parks erweitert oder mobile Skate-Elemente gebaut, um auch außerhalb der großen Beton-Bowl Tricks üben zu können. Auf der Skate-Anlage sowie auf den Streetflächen um den Veranstaltungssaal ist täglich Betrieb und oft sind SkaterInnen bis in die späten Abendstunden, selbst im Herbst und Winter, bei Flutlicht und Musik anzutreffen.
Flying Wheels – Girls Empowerment & Wheelchair Skating
Wie in den vergangenen Jahren konnte auch im Sommer 2018 wieder ein spezifisches Workshopangebot realisiert werden. Zielgruppen des Projektes Flying Wheels – Girls Empowerment & Wheelchair Skating sind Mädchen und junge Frauen von zwölf bis 27 Jahren. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben uns gezeigt, dass Mädchen und junge Frauen aufgrund der ihnen zugeschriebenen Geschlechterrollen kaum in der Skateszene sichtbar sind,die Nachfrage an Workshops jedoch immer wieder an uns herangetragen wird. Dem wollen wir mit dem Projekt nachkommen.
Außerdem wollen wir mit dem Projekt Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 27 Jahren, die im Rollstuhl sitzen oder anderweitig in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, einen Zugang sowohl in die Skateszene als auch zum Conne Island eröffnen, der ihnen bisher womöglich noch unbekannt ist. Ziel ist es, dass zukünftig Kinder und Jugendliche mit und ohne Beeinträchtigungen gemeinsam Sport treiben, sich austauschen und einfach zusammen Zeit verbringen.
Erfreulicherweise konnten wir 2018 den Wheelchairskating-Workshop um einen weiteren Tag ergänzen, an dem Lisa Schmidt und David Lebuser, der erste professionelle Chairskater Deutschlands, zu einem Gesprächsabend über das Skaten im Rollstuhl gewonnen werden konnten.
Bring it on – Girls on Stage
Mit dem Projekt Bring it on - Girlzzz on Stage! wollten wir Mädchen sowie jungen Frauen, die bisher noch keinen Zugang zu elektronischer Musik oder Hip Hop hatten, die Welt des DJing, VJing und des Raps näher bringen. Dies erfolgte in Form von drei ganztägigen Workshops im Rahmen des Girls´Days. Darin wurden erste Grundlagen vermittelt und die Teilnehmerinnen ermutigt, auch zukünftig unseren Girlzzz Edit-Proberaum und die damit verbundenen Angebote in Anspruch zu nehmen. Im Djing-Workshops wurde den Teilnehmerinnen zunächst der Aufbau und die Funktionen des DJ-Sets, der Anlage, des Mixers sowie der Platten- und CD-Spieler erklärt. Die Workshop-Leiterinnen erläuterten die Tricks und Schwierigkeiten des Mischens zweier Musikstücke unter Zuhilfenahme verschiedener Techniken. Schließlich konnten die Teilnehmerinnen sich selbst ausprobieren.
Die historische Entwicklung des VJings sowie die Einführung in die Nutzung grundlegender Hard- und Software bildete den Einstieg des VJing-Workshops. Im zweiten Teil wurde ein ausgewählter technischer und künstlerischer Aspekt des Mediums Video beleuchtet. Danach produzierten die Teilnehmerinnen eigene Videosequenzen.
Im Rap-Workshop stand die Auseinandersetzung mit der Hip Hop-Kultur und den dort vorherrschenden Klischees im Mittelpunkt. Hervorgehoben wurde der diskriminierende Aspekt, dass es kaum Female MC's gibt und die Funktion der Frau meist darin besteht, leichtbekleidet als Background-Sängerin aufzutreten. Diese Darstellung wurde gemeinsam mit den Teilnehmerinnen diskutiert und kritisch reflektiert. Im zweiten Schritt wurde das Formulieren der eigenen Gedanken und der praktische Umgang mit dem Mikrophon erprobt.
70 Jahre Israel – Zum weltweiten Antisemitismus und dem Objekt seiner Begierde
2018 jährte sich die Staatsgründung Israels zum 70. Mal. Dieser Jahrestag wurde zum Anlass genommen, das Bestehen der einzigen Demokratie im Nahen Osten mit einer Veranstaltungsreihe zu thematisieren, welche sich aus verschiedenen Veranstaltungsformaten der Jugend- und Erwachsenenbildung zusammensetzte. Die neun Veranstaltungen fanden im Zeitraum von Mai bis Juni in Kooperation mit dem Kultruraum e.V. (KreV) und dem Student_innen Rat der Universität statt. Thematisch gliederte sich die Reihe in drei Teile: Im ersten Themenblock ‘Vergangenheit’ wurden historische Themen geführt, welche ein Verständnis für die Aktualität und Virulenz von israelbezogenem Antisemitismus herstellten. Dazu gehörte der Vortrag von Ralf Balke zum Thema „Forgotten Refugees“, welcher die Flucht und Vertreibung von 850.000 Menschen und dem damit einhergegangenen Verschwinden der jüdischen Gemeinden in arabischen Ländern nach 1948 aus dem Schatten der geschichtlichen Ereignisse holte.
Im zweiten Themenblock ‘Gegenwart’ richtete sich der Fokus der Veranstaltungsreihe auf die aktuelle Bedeutung von israelbezogenem Antisemitismus. Aus einer europäischen Perspektive sollt eine verantwortungsvoller Umgang mit dem Thema ermöglicht werden. Dazu referierte unter anderem Stephan Grigat mit dem Vortrag „Kritische Theorie des Antizionismus. Zur Persistenz des Israelhasses“.
Im dritten Themenblock ‘Zukunft’ thematisierte die Veranstaltungsreihe Israels Zukunftsperspektiven sowie den sich notwendigerweise ergebenden Umgang mit der akuten Bedrohungslage im Nahen Osten. Der israelische Ökonom und Diplomat Esra Sadan ordnete in seinem Vortrag „Boycott Movements – so what?!“ die aktuelle Rolle der BDS-Kampagne aus israelischer Sicht ein.
Normalisierter Ausnahmezustand
Gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, der Wochenzeitung Jungle World und dem Bündnis Polizeigesetzt stoppen fand im Herbst 2018 eine Veranstaltungsreihe zum Schwerpunkt Innere Sicherheit mit Bezugspunkt auf die Proteste um den G20-Gipfel in Hamburg 2017 statt. In vier Veranstaltungen wurden das polizeiliche Vorgehen in Hamburg kritisiert und auf die, seitdem stattfindenden, Verschärfung der Polizeigesetzte in Deutschland eingegangen. Das Heraufbeschwören einer permanenten Bedrohungslage – eines Ausnahmezustandes – führt dazu, dass nicht die konkrete Tat, sondern potentielle TäterInnen zum Ziel der Strafverfolgung werden. Diese Praxis wurde als zentrale Kritik durch die Veranstaltungsreihe formuliert.
Antifaschistischer Jugendkongress – Never give up
Gemeinsam mit dem AJZ Chemnitz und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen sowie zahlreichen Initiativen und Einzelpersonen organisierte das Conne Island zum dritten mal in Folge den viertägigen Antifaschistischen Jugendkongress (JUKO). Der Kongress eröffnete Jugendlichen Perspektiven sich antifaschistisch, feministisch und antirassistisch zu organisieren. Der JUKO setzt sich zum Ziel durch verschiedene Formate die politische Bildung und Jugendarbeit zu fördern. Dazu wurde ein kostenloses Programm mit insgesamt 35 Workshops, Vorträgen und Trainings in den Bereichen Antifaschismus, Feminismus, Antirassismus, Recht auf Stadt und Klimagerechtigkeit angeboten. Der Jugendkongress wurde von etwa 200 TeilnehmerInnen besucht, die sowohl aus den urbanen Zentren als auch den ländlichen Regionen Sachsens und der angrenzenden Bundesländer anreisten. Die Vernetzung von Jugendlichen aus diesen verschiedenen Regionen war ein weiters, wesentliches Ziel des Kongresses.
Rote Salon im Conne Island
Die Veranstaltungsgruppe Roter Salon setzte auch 2018 ihre Tradition fort, renommierte WissenschaftlerInnen und AutorInnen im Conne Island zum Gespräch zu bitten. Im Frühjahr 2018 wurden anläßlich des 200. Geburtstages von Karl Marx die Autoren Christian Schmidt und Jan Gerber mit ihren aktuellen Büchern eingeladen. Gemeinsam wurde über die Aktualität der Marxschen Kategorien diskutiert.
Der amerikanische Politologe Andrei Markovits erörterte in einem Vortrag unter dem Titel „Abschied ohne Tränen - Warum sich die Linke angesichts der Krise des Westens so ungerührt zeigt“ das Verhältnis der deutschen Linken zum Westen in seiner historischen Entwicklung und gegenwärtigen Dimension.
DJ-Proberaum für Mädchen und Frauen
Im Jahr 2008 setzte sich eine Gruppe von Frauen (u.a. von den Kollektiven Propellas und Caramba!) unter dem Namen Amplify! zum Ziel, Frauen im Conne Island sichtbarer zu machen. Sei es am Mikrofon, hinter den Plattenspielern oder am Einlass. In diesem Zuge wurde Anfang 2009 der erste Proberaum von Frauen für Mädchen und Frauen im Conne Island eröffnet. Auch nach einem Umzug, einigen Umbauten und diversen Neuanschaffungen ist der Proberaum im neunten Jahr seines Bestehens stets voll belegt. Noch immer sind es vor allem junge Frauen und Mädchen, welche die Angebote rund um den Proberaum nutzen. Zu diesen Angeboten zählen Workshops und Vernetzungstreffen aber auch die Möglichkeit das erlernte Können auf Partys auszuprobieren. So fanden auch 2018 unter dem Label Feat Fem* Klubveranstaltungen statt, bei denen Künstlerinnen aus der Proberaum-Crew performten.
Infoladen im Conne Island
Der Infoladen im Conne Island ist eines der größten Archive und Bibliotheken für sogenannte ‘Graue Literatur’, sprich für Broschüren, Bücher, Plakate, Videos, Zeitschriften von und über soziale, linke und alternative Bewegungen. Der Infoladen zählt zu einem der dienstältesten Projekte des Conne Islands und wurde auch 2018 jeden Dienstag und jeden Donnerstag rege frequentiert. Neben über 6.000 Büchern und 250 Zeitschriften, von denen über 50 im Abo sind, stehen den NutzerInnen PC-Arbeitsplätze sowie zwei Gruppenarbeitsräume zur Verfügung
Politik und Diskurs
Gemeinsam mit anderen Zentren und Veranstaltungsorten wie dem WERK 2, dem UT Connewitz, dem Institut für Zukunft (IFZ), dem mjut und dem So&So wurde 2018 eine große Debatte um den Umgang mit der BDS-Kampagne geführt. Die Auseinandersetzung mit linkem Antisemitismus war für das Conne Island keineswegs eine neue. Von neuer Qualität ist jedoch das Aufkommen von kulturellen Boykottaufrufen gegen Israel vor allem in der elektronischen Musikszene. Es ist erfreulich, wie eine übergreifendes Zusammenarbeiten in der Leipziger Konzert- und Klubszene funktioniert. So wurde sich über den antisemitischen Gehalt der BDS-Kampagne verständigt und über gemeinsame Strategien im Umgang mit BDS-AktivistInnen und KünstlerInnen welche dem BDS nahe stehen verständigt. Das Conne Islands veröffentlichte im November 2018 ein selbstständiges Statement zum Thema.
Die zu Beginn des Berichts erwähnte Kontroverse um einen Vortrag des Publizisten Thomas Maul im Mai 2018 ist auch zu Beginn des neuen Jahres nicht abgeebbt. In mehreren sich auf seine Thesen und Artikel beziehenden Diskussionsveranstaltungen wurde über Rassismus, Sexismus, die politische Einordnung der AfD und Antisemitismus gestritten. Von Seiten des Conne Islands konnte sich in einem Statement nach langem Ringen auf Folgendes geeinigt werden: „Auch zukünftig sollen im Conne Island Kontroversen angestoßen werden und Positionen diskutiert werden, bei denen nicht alle im Vorfeld eine Meinung teilen. Die Grundlage dafür bleibt unser Selbstverständnis als feministisches, antifaschistisches und israelsolidarisches Zentrum.“
In der zweiten Jahreshälfte rückten die Sächsischen Kommunal- und Landtagswahlen sowie die Europawahlen stärken in den Fokus. Diverse Kampagnen und Aufrufe gegen Rechtspopulismus und für eine offene und demokratische Gesellschaft in Sachsen wurden an das Conne Island herangetragen und diskutiert. Es bleibt abzuwarten, ob es 2019 zu ähnlichen Diffamierungen von Alternativen, Jugend- und soziokulturellen Zentren, wie 2017 zur Bundestagswahl kommen wird. Fest steht, dass die Förderung von Eigenverantwortung und Mitbestimmung, wie es die Grundsätze des Vereins sind sowie die Stärkung von politischer Bildungs- und Jugendarbeit auch zukünftig bestimmende Themen des Conne Islands bleiben werden. Die Neuaushandlung etablierter Grundsätze ist im Conne Island keine übergestülpte Meinungsbildung sondern ein – manchmal zäher und nervenraubender – Diskurs im Sinne einer demokratischen Debattenkultur.
Personalsituation
Nach dem in der zweiten Jahreshälfte 2017 gleich vier Festangestellte sehr kurzfristig das Conne Island verlassen hatten, galt es zu Jahresbeginn 2018 das Gastro-Team aus einer halben und einer ganzen Stelle neu zu besetzten und einzuarbeiten. Die Gründe dieser Stellenwechsel sind vielfältig und vielschichtig. Ursächlich ist die hohe Belastung bei relativ geringer Bezahlung: Ein Dilemma, welches seit Jahren gesehen und diskutiert wird. Folgerichtig wurde zum 01. Januar 2018 der einheitliche Haustarif für alle festangestellten MitarbeiterInnen erhöht.
Im Laufe des Jahres kam es zu kleineren Umstrukturierungen im Stellenplan. Aufgrund des gestiegenen Arbeitsaufwands bei der Gäste- und KünstlerInnenversorgung wurde eine halbe Küchenstelle auf eine ganze Stelle angehoben. Im Gegenzug konnte die Stelle der Systemadministration um 15 Wochenstunden reduziert werden. Außerdem wurde die Stelle der technischen Leitung auf zwei halbe Stellen aufgeteilt, um so einen fließenden Ausstieg des Technischen Leiters in 2019 zu ermöglichen.
2018 bestanden damit im Verein 14 Festanstellungen, davon acht volle, fünf halbe Stellen sowie eine FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr) Kultur Beschäftigung. Außerdem konnten vier Personen auf Basis eines 450€-Jobs beschäftigt werden.
Professionalisierung und Ehrenamt
Wurde vor einigen Jahren noch erbittert um einen Generationswechsel gestritten, findet er in den letzten Jahren eher beiläufig und ungesteuert statt. Neben Wechseln auf den festen Stellen ist auch 2018 eine Verjüngung der vielen Vereinsmitglieder und Ehrenamtlichen zu verzeichnen. Dabei kommt dem FSJ eine besondere Rolle als MultiplikatorInnen zu. Es zeigte sich, dass ein gezwungener und vollkommen gelenkter Generationswechsel nur auf dem Papier funktioniert, im Alltag jedoch von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, auf die der Verein keinen Einfluss hat. Zum einen ist dies die notwendige Professionalisierung des Veranstaltungsbetriebs sowie der Gastronomie. Zwar schafft diese Entwicklung hin zur zentralisierten Organisation durch Festangestellte Entlastung und Sicherheit, jedoch nimmt sie häufig auch den Spielraum, Neues zu probieren oder Dinge weniger professionell anzugehen. Sie ist an einigen Stellen jedoch nötig, um den Anforderungen des Kulturbetriebes gerecht zu werden. Professionalisierung ist damit auch eine Zugangsbarriere für jugendliches Engagement und eine vielschichtige Herausforderung für das Conne Island.
Viele der Ehrenamtlichen beklagen weiterhin, dass ihre Kapazitäten durch Studium, Beruf oder Familie weiter schwinden. Nichtsdestotrotz nehmen sich einige neue junge Menschen die Zeit, um die Arbeit des Vereins zu unterstützen und tragen dazu bei das Prinzip des Ehrenamts hochzuhalten. Es ist erklärtes Ziel des Conne Islands, Erfahrungen weiterzugeben, neuen Leuten den Zugang zu Wissen und Verantwortung zu ermöglichen und dem schleichenden Prozess der Professionalisierung und Zentralisierung bewusst etwas entgegenzusetzen.
2018 trugen etwa 250 Ehrenamtliche einen Großteil der vielfältigen Aufgaben des Projekt Vereins.
Finanzen
Das finanzielle Fundament des Conne Islands bildet nach wie vor die institutionelle Förderung durch das Kulturamt der Stadt Leipzig. 2018 konnten knapp 45% der Personalkosten für Festangestellte sowie die Miete und Betriebskosten über die institutionelle Förderung abgedeckt werden. Ein genauer Blick in den Haushaltsabschluss für 2018, zeigt dennoch eine angespannte Finanzsituation. Verantwortlich dafür sind vor allem die gestiegenen Kosten in drei zentralen Bereichen.
Den größten Einfluss hat die Steigerung der Gesamtpersonalkosten um etwa 38.000€ im Vergleich zum Vorjahr. Das liegt einerseits an der lang überfälligen Erhöhung des Haustarifs zum 01. Januar 2018, und andererseits an der notwendigen Neuschaffung von 450€-Jobs im gastronomischen Bereich. Diese Minijobs wurden nötig um auf die gestiegenen Erwartungen und Standards von Gästen und KünstlerInnen zu reagieren. Sie wurden aber auch nötig um einen Rückgang von ehrenamtlichen Engagement durch die Verschulung des Studiums (Bologna-Prozess) sowie härtere Reglementierungen auf dem Arbeitsmarkt (Hartz-Gesetzgebung) zu kompensieren.
Als zweites ist die hohe Ertragssteuerlast (Gewerbe- und Körperschaftsteuer) anzuführen. Perspektivisch ist hier durch die vom Finanzamt geforderte Umstellung auf die Bilanzierung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes und den damit einhergehenden Wegfall der Geltendmachung von Anschaffungen im Bereich des Anlagevermögens mit weiter steigenden Steuerlasten zu rechnen. Zugespitzt wird diese Situation durch die Notwendigkeit höhere Gewinne zu erwirtschaften, um steigende Kosten in der Kultur zu decken.
Die steigenden veranstaltungsabhängigen Kosten im Kulturbetrieb stellen den dritten Problembereich der. Vor allem die Kommerzialisierung und Professionalisierung von Konzerten führt zu Kostensteigerungen, welche nicht allein durch steigende Ticketpreise aufzufangen sind. Exemplarisch wird dies am Anstieg der GEMA-Kosten im Vergleich zum Jahr 2017 um 25%.
Die beschriebenen Kostensteigerungen führten 2018, wie bereits im Vorjahr, zum faktischen Wegfall der sogenannten freien Spitze für die Förderung von Projekten im ideellen Bereich. Nur mit Hilfe von Drittmitteln oder durch eine Gegenfinanzierung durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb lassen sich kostenlose Projekte im Bereich Kunst, Kultur, Sport, politischen Bildung oder Jugendhilfe realisieren.
Dauerthema: Umbau, Renovierung und Barrierefreiheit
Zu Beginn des Jahres wurde die Sanierung des Parkplatzes samt Errichtung von 22 Fahrradbügeln fertig gestellt. Erfreulicherweise wurde 2018 auch die Zufahrt des Conne Islands saniert und neu asphaltiert. Diese Erneuerung kam eher zufällig zu Stande, da durch umfangreiche Baumaßnahmen der Leipziger Wasserwerke auf der Koburger Straße auch die Zufahrt zum Vereinsgelände aufgerissen wurde. Dank Co-Finanzierung durch das Leipziger Kulturamt konnte diese Zufahrt anschließend gänzlich erneuert werden. Leider noch ausstehend ist eine Anbindung an die neu verlegten Abwasserleitungen, womit ein getrennter Abfluss von Regen- und Abwässern vom Vereinsgelände ermöglicht werden würde. Diese Trennung ist notwendig um den regelmäßigen Überflutungen des Freigeländes (Freisitz, Spielplatz, Kinogelände und Hof) vorzubeugen.
Im Übrigen konnten kleinere Instandhaltungen von Saal und Vorderhaus durch das Kulturamt übernommen werden. Größere Baumaßnahmen, etwa die Erneuerung der Bauten des Spielplatzes, konnten trotz Planung leider nicht realisiert werden.
Für die Barrierefreiheit können für das Jahr 2018 keine wesentlichen Neuerungen verzeichnet werden. Nachdem in den letzten Jahren Saal und Vorderhaus auf einem soliden Standard für die Nutzung für RollstuhlfahrerInnen gebracht wurden, gilt es am Zugang via Homepage sowie zu den verschiedenen Angeboten und Projekten zu arbeiten.
Die Sanierung und Pflege des über 5.000qm großen Freigeländes des Conne Islands sowie des über 120 Jahre alten Veranstaltungssaals müssen auch die nächsten Jahre im Fokus bleiben.
Perspektive
Es sollte klar geworden sein, dass das Conne Island 2018 an den Prinzipen und Qualitäten seiner jahrelangen Arbeit festgehalten hat und dabei auch neue Formate und Herausforderungen angegangen hat. Für die Arbeit des Vereins ist der Bezug zum Alltag, zu tagesaktuellen Themen und zu momentanen gesellschaftlichen Konflikten die entscheidende Bezugsgröße. An den Grundsätzen der Arbeit des Vereins wird sich auch zukünftig nichts änden: Partizipation, Empowerment, Eigeninitiative und eine offene, auf Ehrenamt basierende Struktur sind die Prinzipien unserer Arbeit. Die eigenen Entscheidungen und Arbeitsweisen müssen dabei immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden.
Für die kommenden Jahre gilt es, eine überzeugende Position und eine politische Antwort auf einen erstarkenden Populismus zu finden. Außerdem muss weiterhin am selbstgesteckten Ziel gearbeitet werden, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Professionalität und Veranstaltungsdichte auf der einen und (kultur)politischen Interventionen und inhaltlichen Debatten auf der anderen Seite zu finden.
Projekt Verein e.V.
März 2019