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Aktuelles Heft

INHALT #255

Titelbild
Eine Entschuldigung ist angebracht
• das erste: Freitags ist sie nie da
Knochenfabrik & Oidorno
Death to False Metal
Israelsolidarisches Hausprojekt sucht Mitbewohner*innen
• doku: Frauen*streiks!
• das letzte: Tag X+1 = eine Blackbox namens Triangle

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Jüngst gelangten auf indymedia »einige unregierbare Steineschmeißer*innen« zu dem Urteil, dass »das Beispiel des Black Triangle« »trotz aller Eskapaden« gezeigt habe, »dass eine Besetzung durchführbar und lohnenswert ist.« Im Folgenden dagegen eine abweichende Meinung.



Tag X+1 = eine Blackbox namens Triangle

Die Formel »Tag X+1« ziert unzählige Häuserfassaden im Leipziger Süden. Allerdings war sie weniger Denkanstoß als Stimmungsmache gegen die angeordnete Räumung des Black Triangle (BT). Noch eindeutiger forderte die Botschaft »Black Triangle militant verteidigen!« die Kiezgemeinde zur Praxis auf. Am schwarzen Brett der Bewegung wurde der Tag des Riots sehnsüchtig beschworen. Ebenso liebäugelte die Homepage des BT seit Anbeginn der Besetzung mit der eigenen Schließung und vergab Tipps für den kommenden Aufstand. So sollte sich jeder schon mal »Gedanken mach[en], ob und wie ihr reagieren möchtet wenn die Bullen vor unserem Tor stehen, was davor getan werden kann und was danach geschehen sollte«. Als es dann am 15. Januar 2019 zur Räumung kam, war kein einziger Besetzer zur Verteidigung da. Zum Spektakel am Tag danach herrschte dafür großes Gedränge.
Man fragt sich, wieso der Irrsinn durch die Leipziger Linke eine solche Unterstützung erfährt? Ging es womöglich weniger um das nur mäßig besuchte Refugium als vielmehr um die Lust am Spektakel?Offenbar galt es, ein selbst aufgestelltes Dogma einzuhalten. Also, gesinnungsgläubig am angekündigten Krawall festzuhalten und den ersonnenen Schadenshighscore von einer Million Euro zu knacken. Die als Anlass genommene Rache für die Räumung einer schon aufgegebenen Besetzung konnte den eigenen Gewaltfetisch bestens kaschieren. Die Ziele waren: Leipziger Infrastrukturprogramme. Die Gegner: Autos, Bagger und Gleisanlagen. Die Helden: Autonome, gezwungen mit Indymedia-Bekennerschreiben um Prestige zu betteln. Aber wenigstens die eigene Szene dankt, was die Gesellschaft verwehrt, und zwar in gängiger Währung: Soliparties.
Die eigene Opferbereitschaft war am Tag des Riots mit bis zu vier Anzeigen pro Person durchaus sehenswert. Das schafften zwar nur Wenige, dennoch war das Leid von Mensch und Material mit insgesamt 820 Anzeigen bei gerade einmal 500 Teilnehmern stattlich. Dem Sehnsuchtsort in der Umspannwerksruine wird solch überschwängliche Solidarität kaum gegolten haben. Der Demoleitung muss Ähnliches durch den Kopf gegangen sein, als sie versuchte ihre Schäfchen zu beschwichtigen: »Bleibt friedlich, die Demo ist nicht der Ort für Gewalt!« Doch den sichtlich Bewegten stand der Sinn eher nach emotionsgesteuerter Führung. Weshalb sie der Anmelderin den Aufruf zum Triebverzicht im Nachhinein als Verrat vorwarfen. In einem Akt der Selbstermächtigung traf diese sich außerdem zu Verhandlungen mit den »Schweinen«, um eine legale Nutzung zu sondieren. Den Autonomen ist jedoch das Abrutschen in die Legalität so verhasst wie dem Teufel das Weihwasser.
Erhält man einmal Einblick in das BT, dann versteht man besser, warum die Solidarität mehr dem eigenen Hass auf Zivilisatorisches gilt als dem Glauben an den progressiven Charakter »linke Freiräume«. Die pittoreske Endzeitstimmung auf dem gesundheitsschädlich kontaminierten Boden steht für den ruinösen Zustand linker Selbstverwaltung. Zu Lebzeiten des Projektes beherbergte es zuletzt nur noch eine aktive Person, die weithin als »autoritärer Macker« verschrien war. Der Rest der Wohlfühlgemeinde hatte sich zuvor gegenseitig hinausgeekelt. Als eines Nachts im November 20 Wagenplatz-Aktivisten das autoritäre Gebaren des Squatvorstehers mit einer Besetzung zu beenden trachteten, ging es letztmalig hoch her. Ein eiliger Hilferuf alarmierte eine Gesandtschaft der Kiezmiliz. Und es kam im Mondschein vor dem Tor zum Showdown. Die Maskerade verhinderte das Erkennen eigentlich bekannter Gesichter, man hielt sich gegenseitig für Nazis. Kurz vor dem orgiastischen Höhepunkt der Gewalt ging eine Person, die vergessen hatte, ihren Verstand auszuschalten, deeskalierend dazwischen. Alles endete im Status quo und alle versprachen, die peinliche Nummer zu verschweigen.Derlei interne Blamagen und Verhaltensweisen waren das Einzige, woran keinerlei Mangel im BT bestand. Obgleich das Selbstverständnis alle unter Linken gängigen moralischen Signalwörter beinhaltete (auf eine Haltung zu Antisemitismus wurde freilich verzichtet), offenbarte sich die partizipative Selbstherrlichkeit bloß als schöner Schein. Insofern zeigt sich auch, dass der Ruf seitens Linker nach Freiräumen nur auf das Bedürfnis zur Rückkehr ins Unmittelbare abzielt. Damit ein dystopischer Sehnsuchtsort mit ausreichend Platz für die Herrschaft des Stärkeren über die Schwächeren bewohnt werden kann, der danach mit Vehemenz und Kleingeistigkeit verteidigt wird, muss nicht zwingend die Elendsverwaltung einer Ruine herrschen, dafür umso mehr der Irrglaube, dass überall wo links drauf steht, auch links drin ist.


vom Roten Salon im Conne Island

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18.03.2019
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