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#247, Februar 2018
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#252, November 2018
#253, Dezember 2018

Aktuelles Heft

INHALT #253

Titelbild
Editorial
• das erste: Rezension von Vojin Saša Vukadinović (Hg.): Freiheit ist keine Metapher. Antisemitismus, Migration, Rassismus, Religionskritik
Podiumsgespräch: Kultureller Boykott Israels? #shitisfucked!
Boykott des Friedens - Zur Aktualität der Israel-Boykottkampagnen
VSK
From Democracy to Freedom – der Unterschied zwischen Regierung und Selbstbestimmung
Das große Musikbingo – Silvester Generalprobe
First Contact - LAN-Party
Nach Auschwitz: Schwieriges Erbe DDR.
Die Umrisse der Weltcommune und ihre Kritik
Mütterimagines, Mückenstiche und die selbstverschuldete Unmündigkeit der Frau
Erobique
• interview: Zwei Jahrzehnte unter Tage
• doku: Gegen Islamismus in Leipzig!
• doku: Den ganzen Ballast einer missglückten Geschichte abwerfen
• doku: Zum »Opfergedenken« der Chemnitzer Zivilgesellschaft
• doku: China im Weltsystem - Pokerspiel um die globale Vorherrschaft
• das letzte: Denk an Deine Klasse, Prolet!

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Denk an Deine Klasse, Prolet!

Das Viertel bleibt dämlich

Die Regression linker Rhetorik schreitet unaufhörlich voran, wie man derzeit mit Blick auf die Flut politischer Graffitis in Connewitz Tag für Tag aufs Neue beobachten kann. In loser Folge kommentiert der Rote Salon im Conne Island die einschlägigsten Beispiele.

#2 »Denk an Deine Klasse, Prolet!«

»One class«, »Rot und Klassenlos« oder »Klasse gegen Klasse« prangt es seit geraumer Zeit in verwirrender Vielfalt an Connewitz' Häuserwänden. Was denn nun, ist man geneigt zu fragen – sind wir eine Klasse, sind wir klassenlos (gehören also keiner Klasse an), oder haben wir uns zu positionieren, weil wir uns offenbar im Klassenkampf befinden? Dabei ist die jeweils gewählte Bezeichnung – frei nach dem Leipziger Philosophen Christian Schmidt: »Wenn Du nicht sagst, was Du meinst, wirst Du nie meinen, was Du sagst!« – nicht unwesentlich dafür, was damit ausgedrückt werden soll: Während man etwa »One class« noch als noblen Aufruf lesen kann, im Kampf für die klassenlose Gesellschaft (die jetzt hier mal als anzustrebendes Idealziel angenommen wird) Klassengrenzen zu überwinden, sind die Vertreter von »Rot und Klassenlos« offenbar schon einen Schritt weiter, kennen sie doch bereits vor dem Erreichen jener keine Klassen mehr, haben also bereits ein präkommunistisches Stadium erlangt. Auch die Parole »Klasse gegen Klasse« wirft Fragen auf: Handelt es sich um den Versuch einer Zustandsbeschreibung des beklagenswerten kapitalistischen Alltags (wohl eher nicht) oder wird dann doch eher zum erbarmungslosen, bis zum bitteren Ende zu führenden Kampf aller Angehörigen der einen gegen die der anderen Klasse aufgerufen (leider ja)? Was aber, wenn man der »falschen« Klasse angehört?
Dieser merkwürdig beliebige, gleichwohl selbstbewusst vorgetragene Klassenbezug ist offensichtlich Ausdruck einer vulgärmarxistischen Entwicklung in Leipzigs linker Szene, wie man sie sich einfältiger nicht vorstellen könnte. Am deutlichsten zeigt das die Holzhammerparole »Klasse gegen Klasse« und ihre unverhohlene Referenz auf die vermeintliche Blütezeit der kommunistischen Bewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die durch die Verwendung von Hammer und Sichel noch untermalt wird. Dabei hatte sich einmal in Leipzigs linker Szene, und das zeichnete sie unter anderen Post-Wende-Linken der Bundesrepublik aus, als Erkenntnis durchgesetzt, dass der Kapitalismus ein gesellschaftliches System aus komplexen Abhängigkeiten darstellt, dem weder Lohnabhängige noch Unternehmer durch bloßen Entschluss so einfach entkommen könnten, weswegen es sich eine ökonomistische Gesellschaftsanalyse, die allein auf den Klassenantagonismus abhebt, zu leicht macht. Unter anderem leitete sich diese Einsicht aus der Beschäftigung mit der stalinistischen Herrschaft ab, die Millionen ihrer Opfer als »Klassenfeinde« brandmarkte und im schlimmsten Falle einfach liquidierte, aber auch aus der Analyse des eliminatorischen Antisemitismus der Nazis, dessen Opfer als Personifizierung des Kapitals ermordet wurden. Der traditionsmarxistische Klassenbegriff ist also in hohem Maße belastet, weil in seinem Namen Massenverbrechen begangen wurden und auch weil er sich in konkreten historischen Situationen eben als nicht passend erwiesen hat. Seine fortgesetzt positive Verwendung übergeht jedenfalls, dass beispielsweise die deutsche Arbeiterklasse – aus Sicht der KPD der Zwischenkriegszeit immerhin die reine Klasse der Lohnabhängigen – dem Aufstieg des Nationalsozialismus nichts entgegenzusetzen hatte, ja sich nach dessen Machtergreifung auf seine Seite schlug.
Aber auch die Rede vom klassenlosen Bewusstsein vor dem Kommunismus vermag nicht so recht zu überzeugen. Wenngleich ein solches Bekenntnis offenbar um die Limitierungen von »Klasse« weiß und deshalb alle im Kampf gegen den Kapitalismus gewinnen will, droht es dort ungenau, ja irrelevant zu werden, wo damit auf die Gegenwart Einfluss genommen werden soll. Abgesehen davon, dass die als Fernziel an die Wand gemalte Abschaffung des Kapitalverhältnisses derzeit weder zur Debatte steht noch mehrheitsfähig ist (und deshalb im Übrigen Bürgerkrieg und Diktatur unterschlägt), sollte dann doch zu denken geben, dass Teile der AfD insgeheim ebenfalls von einer Art klassenloser Gesellschaft träumen – der Volksgemeinschaft. Deren Vorsitzender Gauland freilich hat, schaut man sich seinen Gastbeitrag in der FAZ vom 6. Oktober an, beängstigend klare – wenn man so will: zeitgemäße – Vorstellungen davon, welche Schichten dafür zu gewinnen sind: die von sozialem Abstieg bedrohte »bürgerliche Mittelschicht« nämlich und »einfache Menschen« (also das, was man früher als Arbeiterklasse bezeichnet hätte). Ob sich diese Bevölkerungsschichten mit ihren realen oder imaginierten Abstiegsängsten von dem fernen Versprechen einer »befreiten Gesellschaft« angesprochen fühlen, wo doch ein starker Staat, Nationalismus und eine homogene Gesellschaft viel einfacher zu haben sind und wohl auch weniger Irritationen auslösen, darf bezweifelt werden. Dass wiederum den klassenlosen Sprayern dieser höchst unangenehme Zusammenhang von sozialer Stellung und politischem Bewusstsein nicht aufgehen will, mag unterdessen auch daher rühren, dass sie höchstwahrscheinlich selbst zu den sozial Privilegierten zählen. Das hingegen ist eine Position, von der aus sich der Kiez trefflich mit voluntaristischem Wunschdenken vollsprühen lässt.

07.12.2018
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