• Titelbild
• Editorial
• das erste: Rezension von Vojin Saša Vukadinović (Hg.): Freiheit ist keine Metapher. Antisemitismus, Migration, Rassismus, Religionskritik
• Podiumsgespräch: Kultureller Boykott Israels? #shitisfucked!
• Boykott des Friedens - Zur Aktualität der Israel-Boykottkampagnen
• VSK
• From Democracy to Freedom – der Unterschied zwischen Regierung und Selbstbestimmung
• Das große Musikbingo – Silvester Generalprobe
• First Contact - LAN-Party
• Nach Auschwitz: Schwieriges Erbe DDR.
• Die Umrisse der Weltcommune und ihre Kritik
• Mütterimagines, Mückenstiche und die selbstverschuldete Unmündigkeit der Frau
• Erobique
• interview: Zwei Jahrzehnte unter Tage
• doku: Gegen Islamismus in Leipzig!
• doku: Den ganzen Ballast einer missglückten Geschichte abwerfen
• doku: Zum »Opfergedenken« der Chemnitzer Zivilgesellschaft
• doku: China im Weltsystem - Pokerspiel um die globale Vorherrschaft
• das letzte: Denk an Deine Klasse, Prolet!
Unter Tage ist relativ frisch 20 Jahre alt geworden und P.O.T.T.E.N.T.I.A.L. wird kommendes Jahr auch schon volljährig. Es gibt sicher nicht Wenige, die an einem Live-Comeback von RAG gezweifelt haben. Wie kam es schlussendlich zu dieser Entscheidung, die so erst Ende letzten Jahres öffentlich wurde?
Ja, genau 20 Jahre Jubiläum. Es ist natürlich nur ein 3/4-Comeback und deswegen ist es auch gar kein ›Comeback‹ im klassischen Sinne, eher ein ›Throwback‹. Wir versetzten uns und unsere Gäste nochmal 20 Jahre zurück und demonstrieren dabei alte Frische. Ohne unseren vierten Mann ist das natürlich nicht mehr dasselbe und die besondere Aufgabe, die uns dreien zu Teil wird, lautet in 2018: GALLAs Hinterlassenschaft und unser gemeinsames Erbe heute noch auf eine Art zu transportieren, die weiterhin bewegt und unvergessen bleiben soll. Das ist unser Anspruch an die Jubiläums-Gigs.
Wir haben uns bisher gegen viele Strömungen, die für eine ›Re-union‹ oder ein Re-Issue sprachen, gesträubt. Es gab immer mal wieder Überlegungen, aber letztendlich hat es für dieses Jahr erst 100%-ig Sinn ergeben. Musikalisch 20 zu werden hat schon so ein Led Zeppelin-Feel. Und wir schulden es uns und den treuen Fans unserer beiden Alben, dass wir zum einen die Platte(n) auch als Vinylfassung zum Normalpreis für alle wieder erhältlich machen und zum anderen, nochmal Live kommen, um die Tracks zu performen, die sie so geprägt haben. Die Zündung für ein reines Unter Tage-Konzert bekamen wir auf der letztjährigen Lieblingsplatte-Veranstaltung im Düsseldorfer Zakk, beim Fenster zum Hof-Konzert der Stieber Twins. Da war klar, im Dezember 2018 machen wir das dort zu unserem Jubiläumsgig in NRW. Das Ganze war zunächst sehr exklusiv angedacht, aber als das Konzert bereits im September ausverkauft war, haben wir uns dann entschlossen, die Anwesenheit von Pahel in Deutschland in diesem Zeitraum für eine kleine #20JahreUnterTage-Tour zu nutzen.
Unter Tage ist nicht das einzige Album, dass um 2018 herum sein Jubiläum feiert. Gab es Überlegungen sich für eine Tour mit anderen Künstlern zusammen zu schließen? Oder gibt es andere Künstler, mit denen ihr gern auf Tour gehen würdet, ganz unabhängig von einem Jubiläum?
Die oben beschriebene, spontane Nummer, die zu der Tour geführt hat, hat solche Überlegungen gar nicht zugelassen. Klar wäre so eine remember PDNTDR-Tour was sehr Interessantes. Da ich sehr down mit den Stiebers bin, für mich eine Traumkombi für z.B. die Fenster zu Tage oder Unten im Hof-Tour. Mit Main Concept hätte das sicher auch gut gepasst. Wir konnten schon immer gut miteinander. Auch mit aktuellen, geschätzten Künstlern wie Fatoni, Audio88&Yassin, Morlockk Dilemma oder Hiob... you name it. Da gibt es Vieles, was vom Vibe her sicher passen würde. Aber hier geht es ja jetzt auch einfach mal nur um uns. Und das ist auch mal gut so.
In einem Spiegel-Artikel aus '98 werdet ihr als »gesundes Gegengewicht zu eindimensionalem Party-HipHop« zitiert. Zum damaligen Zeitpunkt gab es in der Tat diese zwei Seiten. Ein Curse oder Creutzfeld & Jakob passen natürlich zu eurer Einstellung, während ein RAG feat. 5 Sterne Deluxe wohl eher nicht passiert wäre. Wie würdet ihr euch heute einordnen? Und sind Künstler heute eventuell offener oder einfach weniger kritisch, wenn es um die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern geht?
Heute ist das natürlich alles längst zu einem ganz anderen Ballon angeschwollen. Aber wir haben mit unserer Blaupause für viel Positives, was nach uns in Sachen Rap fernab vom Maintream passiert ist, die Tür zu einer anderen Dimension geöffnet. So etwas wie Unter Tage war bis dato nicht passiert. Wir waren halt nie so ein ›jeder kann mit jedem‹ Ding. Nicht ›bouncy‹ und ›jiggy‹ und schon gar nicht veralbernd. Es galt zu der damaligen Zeit für uns wirklich das Gebot Platten zu machen, die sich abgrenzten von eben dem, was unseren eigenen Maßstäben von Rap, Lyrics, Beats vermeintlich nicht gerecht wurde. Der Sache eben auch kritisch gegenüber zu stehen. Sehr nah am Zeitgeist. Der Kultur in den Staaten, die zu dem Zeitpunkt auch diese zwei Lager von kommerziell funktionierendem Erfolgsrap und eben so Lyricist Lounge-, Underground Airplay-Veranstaltungen und viele Indie-Rap-12es hervorgebracht hat, wo es vornehmlich darum ging, sich und seine Musik in Gänze auf ein neues Level zu bringen, die Skills zu schärfen und daran zu reifen und nicht jeden sich bietenden Strohhalm zu ergreifen um sich möglichst schnell die Taschen maximal voll zu machen. Es ist meiner Ansicht nach heute auch noch wichtig, nicht jeden Quatsch mitzumachen oder auch wichtiger denn je Stellung zu beziehen und sich Alleinstellungsmerkmale zu bewahren, die nicht so austauschbar sind, wie eine Hi-Hat oder eine Snare im Arrangement. Aber seitdem im Genre (Deutsch-)Rap keine Pionierarbeit mehr geleistet werden musste, könnte es natürlich auch Genreübergreifend zu interessanten Fusionen kommen. Sowas wie die Gorillaz würde ich hier gern mal miterleben. Ginge das mit den Beatsteaks? Weiß ich nicht. Würden wir dann gefragt? Keine Ahnung. Das Hildegard Knef-Tributalbum fand ich z.B. stellenweise sehr gelungen. Aber auch da waren wieder mit Dende, Flomega und Samy die üblichen Verdächtigen mit den besten Songs vertreten.
Die Verschärfung von Hass und Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft ist mittlerweile auch im deutschsprachigen Rap ein zentrales Thema. Leider nicht nur im Sinne einer reflektierten Sicht oder Auseinandersetzung, sondern beispielsweise vermehrt auch durch Antisemitismus in Texten, Videos oder Interviews. Erschreckend ist dabei, dass es sich nicht ausschließlich um offen rechte Künstler handelt. Wie nehmt ihr diese Entwicklung war?
Schwieriges Thema und leider zeitlos wie Fremd im eigenen Land von AC, da sich hinter und unter dem Deckmantel der Hip-Hop-Kultur der komplette Gesellschaftsspiegel verbirgt und nicht etwa eine homogene Massenbewegung mit Einflüssen aus allerlei Kulturen und aus unterschiedlichsten Herkünften, wie man sich das so gewünscht hätte. Man muss alles auch immer sehr differenziert betrachten, was im Namen von Hip-Hop so verbrochen wird. So ist z.B. ein arabischer Antisemitismus nicht dem deutschen Antisemitismus gleichzusetzen, auch wenn er auf deutschem Boden formuliert wird. Unterm Strich bleibt es natürlich eine Anfeindung einer gesamten Volksgruppe oder Religionsgemeinschaft oder was auch immer und sollte Konsequenzen haben, auch wenn der Konflikt, der dem Umstand zugrunde liegt, einen anderen Ursprung hat. Die Welt wird momentan versucht zu spalten wo es nur geht: in Für oder Gegen, Gut oder Böse, Schwarz oder Weiß. Meist von strömenden Kräften und Populisten, die sich kurzfristigen Machterhalt und Vorteilnahme versprechen oder politischen Organisationen, die im völkischen Gewand den ganzen braunen Sumpf anmoderieren. Es ist nur alles nicht mehr so einfach zu durchschauen; manchmal auch sehr offensichtlich oder perfide. Man muss sehr aufmerksam bleiben, um einerseits nicht auf Propaganda reinzufallen, die sich gerne wie ein Lauffeuer verbreitet, damit diese Halbwahrheiten und Lügen sich multiplizieren und durch die Allgegenwärtigkeit der Widerwärtigkeiten in den Sozialen Medien und Internet-Kommentarspalten, zu den täglichen Fake-Meldungen gesellen, und andererseits wird einem auch deutlich vorgehalten, wie sehr auch solche extreme Meinungen und verzerrte Weltbilder zum Alltag der Menschen gehören. Hier in der deutschen Hip-Hop-Landschaft mischt sich halt auch alles Mögliche zusammen und oft passiert es dann leider auch denen, die sich kritisch mit der Gesellschaft und unterschiedlichen Problematiken auseinandersetzen wollen, dass man sich im Ton oder der Denkweise vergreift und dass so mancher Gedanke zum vermeintlichen Lösungsansatz besser nur ein Gedanke geblieben wäre anstatt ein auf Tonträger gebanntes Zeitdokument. Bei so manchen Äußerungen, die oft nur der Aufmerksamkeit dienen, bleibt es wichtig, Tendenzen von Extremismus und Faschismus immer dann zu erkennen, wenn sie aufkeimen und auch möglichst schnell darauf hinzuweisen und die berühmte Keule zu schwingen. Fanatismus, Extremismus und menschenverachtende Statements müssen als solche entlarvt werden und gehören zumindest dann in öffentlich wahrnehmbar diskutiert und sollten nie einfach hingenommen werden.
Ruhrpott AG sind am 13.12. im Zuge ihrer #20JahreUnterTage-Tour im Conne Island zu Gast.