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#247, Februar 2018
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Aktuelles Heft

INHALT #252

Titelbild
Editorial
• das erste: Mach meinen Kameraden nicht an!
• inside out: Scheinbar harmlos und unverdächtig
Die Ruinen von Hamburg.
Alarmsignal
Akua Naru
Cosmo Sheldrake
Listener
Wolfgang Pohrt - Werke in 11 Bänden
Unbequeme Opfer? »Berufsverbrecher« und »Berufsverbrecherinnen« als Häftlinge in NS-Konzentrationslagern
Kadavar
Dillon Cooper
• review-corner buch: Im Zweifel für den Zweifel
• doku: Jenseits von schwäbischen Spätzlemanufakturen und kiezigen Kneipen – polit-ökonomische Perspektiven auf Gentrifizierung
• das letzte: Das Viertel bleibt dämlich

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Scheinbar harmlos und unverdächtig

Antisemitismus in Zeiten des BDS

An dieser Stelle möchten wir die Position des Conne Islands zu Boykottaufrufen gegen Israel formulieren, wie wir sie gegenüber unseren KünstlerInnen vermitteln. Es ist keine neue Erkenntnis, dass sich linker Antisemitismus häufig hinter einer vermeintlichen „Israelkritik“ verbirgt, genau wie das Agieren des BDS nichts Neues ist. Dennoch halten wir es aufgrund der aktuellen Entwicklungen innerhalb der verschiedenen Musikszenen für angebracht unsere Position noch einmal öffentlich deutlich zu machen.

»Das Politische bestimmt das Kulturelle« ist der recht holzschnittartige Anspruch des Conne Islands gegenüber sich selbst, KünstlerInnen, AutorInnen sowie seinen Gästen. Dabei geht es nicht um die Vergabe von politischen »Persilscheinen«, sondern darum Auseinandersetzung und Kritik konkret und exemplarisch zu formulieren. In der jüngsten Vergangenheit waren es besonders verschiedene Spielarten des Antisemitismus, welche uns in Texten oder Statements von angefragten oder gebuchten KünstlerInnen begegneten. Vor allem die Forderungen und das Auftreten des BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) machen eine Stellungnahme des Conne Islands dringend erforderlich. Die Ablehnung jeglichen Antisemitismus ist wesentlicher Teil des Grundkonsens unseres eigenen Handelns als politisches Zentrum.

Warum Israel?
Der Grund für die Notwendigkeit Israels ist der weltweite Antisemitismus. Die modernen Gesellschaften sind komplex, unüberschaubar und krisenanfällig. Dies macht den Antisemitismus als einfaches Welterklärungsmodell attraktiv, indem die undurchschaubaren Herrschaftsverhältnisse bequem den Machenschaften einer sinistren Gruppe von VerschwörerInnen zugeschrieben werden können. Die moderne Gesellschaft bringt den Antisemitismus stetig aufs Neue hervor. Mit schlafwandlerischer Sicherheit findet der Hass auf die unverstandene, abstrakte und nicht greifbare Seite der Moderne immer wieder in »dem Juden« sein Objekt. Sie werden in dieser Beziehung, als die vermeintliche Verkörperung alles Negativen, für das verantwortlich gemacht, was dem Kapitalismus an Krisenhaftigkeit und Ausbeutung systeminhärent ist.
Israel ist die Konsequenz der historischen Verfolgung der Jüdinnen und Juden. Dass jeder als Jude ausgemachte Mensch potentiell von Antisemitismus betroffen sein könnte und damit zum Ziel von Vernichtungswünschen wird, ist die Grundlage Israels und des Rückkehrgesetzes, welches allen Jüdinnen und Juden die Einwanderung nach Israel garantiert. Die Weltgemeinschaft, die sich von der Shoah kaum beeindruckt gezeigt hat, wird auch in Zukunft nicht den Schutz der Jüdinnen und Juden garantieren. Solange die Welt so eingerichtet ist, dass Antisemitismus immer wieder neu hervorgebracht wird, muss zumindest alles dafür getan werden, die Wiederholung des Schlimmsten - die Wiederholung von Auschwitz - zu verhindern. Die Serie der jüngsten antisemitischen Anschläge in Europa (Toulouse, Burgas, Brüssel, Paris) ist Ausdruck eines grassierenden Antisemitismus und verdeutlicht die Notwendigkeit eines jüdischen Schutzraumes.
Wer die Abschaffung Israels fordert, forciert in aller Konsequenz nichts geringeres als die Entwaffnung der Jüdinnen und Juden und liefert sie ihren potenziellen VerfolgerInnen aus. Die Solidarität mit Israel ist daher eine antifaschistische Selbstverständlichkeit.

Was ist BDS?
BDS wurde 2005 von palästinensischen NGOs gegründet. Mittlerweile hat sie sich in den USA, England und Frankreich als transnationale, politische Kampagne etabliert. Die Ziele, denen sich verschrieben wurde, richten sich vorgeblich gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit, für den Frieden und scheinen daher harmlos und unschuldig. BDS verortet sich selbst in der Tradition gewaltloser Protestbewegungen. Es gehe schließlich nur darum, politischen Druck auf Israel aufzubauen, um das Leid der PalästinenserInnen zu lindern.
BDS ist keine feste Organisation, sondern ein loses Netzwerk. Es gibt keine formale Mitgliedschaft, sondern es genügt das freie Bekenntnis zu den Zielen der Kampagne. Aufgrund dieser Vielschichtigkeit, fällt es schwer die Kampagne zu fassen. Die einzelnen AkteurInnen unterscheiden sich in ihrer Radikalität sehr stark. Verbindendes Element ist jedoch der BDS Gründungsaufruf aus dem Jahr 2005, worauf sich alle Gruppen positiv beziehen.

Darin werden folgende Kernforderungen aufgestellt:

  1. Ending its occupation and colonization of all Arab lands and dismantling the Wall;
  2. Recognizing the fundamental rights of the Arab-Palestinian citizens of Israel to full equality; and
  3. Respecting, protecting and promoting the rights of Palestinian refugees to return to their homes and properties as stipulated in UN resolution 194.

Was vermeintlich harmlos daherkommt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als eine neue Strategie zur Delegitimierung Israels. Anhand der drei Forderungen möchten wir im Folgenden den antisemitischen Gehalt der Kampagne aufzeigen. Würden alle Forderungen der Kampagne umgesetzt, liefe dies auf nichts geringeres als die Zerstörung Israels als sicheren Hafen für alle vom Antisemitismus Bedrohten hinaus.

Forderung I: Ende der »Besatzung und Kolonisierung allen arabischen Landes« und der Abbau der Mauer
Die Forderung nach einem Ende der »Besatzung« ist sehr vage. Es ist unklar wie »Besatzung« oder »arabisches Land« definiert werden. Die Forderung kann alles bedeuten: vom Stop des Siedlungsbaus bis hin zur Abschaffung Israels. Diese Unklarheit ist jedoch ein wesentliches und gewolltes Kennzeichen von BDS und ermöglicht sowohl liberalen als auch radikalen AkteurInnen die Beteiligung.
In der Forderung nach einem Abriss der »Mauer«, zeigt sich die Einseitigkeit von BDS. Mit Sicherheit kann man die Beschwernisse und Ungerechtigkeiten kritisieren, die die Grenzanlage für die palästinensische Bevölkerung in Gaza und dem Westjordanland bedeutet. Doch die strikten Grenzkontrollen und der Grenzzaun erfüllen keinen Selbstzweck, wie es die Propaganda des BDS unterstellt. Sie sind die direkte Konsequenz aus der Al-Aqsa-Intifada 2002, in deren Zeitraum hunderte israelische Zivilisten ermordet wurden. Die Errichtung der Grenzanlagen hat zu einem schlagartigen und massiven Rückgang der antisemitischen Attentate geführt. Israel hat also berechtigte Sicherheitsinteressen und es ist bezeichnend, dass dieser Kontext ignoriert wird.
Es wird der Abriss der Grenzanlagen gefordert, während die konkrete Bedrohungslage einfach ausgeblendet wird. Die PalästinenserInnen sind in dieser verzerrten Darstellung der Wirklichkeit nur die Opfer der einseitigen, unprovozierten und systematischen Gewalt israelischer TäterInnen. Der Antisemitismus findet keinerlei Erwähnung, sondern wird im Gegenteil als Widerstand gegen das »unterdrückerische« Israel verklärt. Damit wird zugleich die antisemitischen Gewalt geleugnet, die Israel entgegenschlägt.

Forderung II: Anerkennung des Grundrechts auf Gleichheit der arabisch-palästinensischen Bürger
Selbstverständlich ist Israel, wie jeder andere Nationalstaat, nicht frei von Rassismus und Diskriminierung. Und mit Sicherheit hat der anhaltende blutige Konflikt nicht zu einer Entschärfung beigetragen. Es gibt also gute Gründe strukturelle Diskriminierung in Israel zu bemängeln. Abstrakt gesehen ist die Forderung also völlig legitim.
Gleicht man sie jedoch mit der Wirklichkeit in Israel ab, offenbart sich der ideologische Einschlag: Denn die israelischen AraberInnen sind rechtlich gleichgestellt, mit der einzigen Ausnahme, dass die arabische Minderheit von der Wehrpflicht befreit ist.
Trotzdem erhebt die BDS-Kampagne den Vorwurf, Israel als Apartheidstaat zu bezeichnen und es darüber in eine Reihe mit dem rassistischen Regime Südafrikas zu stellen. Der Höhepunkt dieser Unterstellung ist die vermeintlich staatlich organisierte »Rassentrennung«, wobei jüdische Israelis über alle anderen Menschen des Staates gestellt seien. Hierbei werden nicht nur die Verhältnisse in Südafrika relativiert, sondern auch die politische Realität Israels verleugnet. Im Gegensatz zu den Nachbarstaaten sind die »PalästinenserInnen« in Israel keine entrechteten Untertanen, sondern BürgerInnen eines verfassungsmäßig konstituierten, rechtsstaatlich und demokratisch organisierten Staates. Hierüber verbrieft, gibt es freiheitliche Rechte wie Minderheitenschutz, ein freies Wahlrecht, Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie parlamentarische Vertretungen von nicht-jüdischen Menschen. Israelische AraberInnen müssen sicherlich Diskriminierungen erleiden, gemessen an den Verhältnissen und dem Grauen in anderen Regionen der Welt, rechtfertigen diese jedoch keineswegs eine so umfangereiche, einzigartige Boykottkampagne. Die realitätsferne Skandalisierung der israelischen Verhältnisse und die kontrafaktisch verwendete Bezeichnung »Apartheid« wird daher bewusst eingesetzt, um Israel zu dämonisieren und zu delegitimieren.

Forderung III: Rückkehr der »palästinensischen Flüchtlinge«
BDS fordert die Rückkehr der »palästinensischen Flüchtlinge«, die in den Flüchtlingslagern der arabischen Nachbarstaaten seit Jahrzehnten ein Dasein unter miserabelsten Bedingungen führen. Ihnen wird von den Aufnahmeländern bewusst die Einbürgerung verweigert, um sie als politisches Druckmittel gegen Israel einsetzen zu können. Da den einstmals etwa siebenhunderttausend Flüchtlingen als einzigen Flüchtlingen der Welt ein »vererbbarer Flüchtlingsstatus« zugestanden wird, ist ihre Zahl im Laufe der Jahre auf etwa fünf Millionen angewachsen.
Doch es gibt kein »Menschenrecht« auf eine Rückkehr an den Ort, von dem die Urgroßeltern vertrieben wurden und in dieses selbst nie ein Fuß gesetzt wurde. Dass die Nachkommen der real Geflüchteten nach Jahrzehnten ebenfalls als Flüchtlinge gelten, ist historisch einmalig. Die Forderung nach einer Rückkehr der »Vertriebenen« beruht auf einer völkischen Vorstellung von einem vererbten Anspruch auf Scholle und Heimat, der noch Menschen anhaftet, die seit vielen Generationen anderswo leben.
Zudem läuft die Forderung auf ein Ende Israels hinaus. Israel hat 8,4 Millionen Einwohner, schon die Rückkehr einer Million wäre kaum zu handhaben. Die Forderung ist ohne die Selbstaufgabe Israels nicht zu verwirklichen. Doch es gehört zum Kalkül der Kampagne, Forderungen an Israel zu formulieren, die es unmöglich erfüllen kann. Israel soll gezwungen werden, selbst zum Staat der palästinensischen AraberInnen zu werden. Die Forderung stellt Israel somit ganz grundsätzlich in Frage.

Zusammenfassung
Eine weitgehend etablierte Arbeitsdefinition um die Frage zu klären, ab wann eine »Israelkritik« als antisemitisch einzustufen ist, liefert der 2003 vorgestellte 3-D-Test von Natan Scharanski. Dazu stellt der Test drei Kriterien bereit: Enthalten Aussagen Dämonisierung, Doppelstandards oder Delegitimierung des Staates Israel, dann können sie als antisemitisch eingestuft werden.
Wie gezeigt, laufen die Forderungen von BDS auf eine Delegitimierung Israels hinaus. Israel kann die Forderungen nur um den Preis der Selbstaufgabe umsetzen. Israel wird dämonisiert, indem es entgegen der Wirklichkeit immer wieder als Apartheids-Regime bezeichnet wird. Und es ist offensichtlich, dass Israel von BDS an Doppelstandards gemessen wird: Denn der Einmaligkeit der umfangreichen, weltweiten Kampagne steht kein entsprechend einmaliges Ausmaß an Menschenrechtsverletzungen gegenüber. Entgegen der Arbeitsbedingungen in Israel werden viele Produkte, die wir kaufen können, unter miserabelsten Umständen hergestellt. Doch an anderer Stelle gibt es keine auch nur im Ansatz vergleichbare Kampagne. Um als antisemitisch eingestuft werden zu können, genügt es eines der Kriterien zu erfüllen – BDS erfüllt alle drei.
Betrachtet man die letzten Aktionen deutscher BDS AnhängerInnen, tritt der antisemitische Charakter der Kampagne offen zu Tage. So wurde am 21. Juni 2017 eine Veranstaltung in der Humboldt-Universität Berlin nieder gebrüllt, in der eine Holocaust-Überlebende und eine israelische Parlamentarierin auftreten wollten. Auch finden es die AnhängerInnen von BDS Berlin nicht pietätlos und unangemessen, wenn ausgerechnet am 9. November 2017 eine »Protestaktion« stattfindet: Der Boykott Israels am Jahres- und Erinnerungstag der Novemberpogrome.

Handlungsbedarf
Wir dulden auf dem Gelände des Conne Islands kein antisemitisches Verhalten, auch wenn es sich im Deckmantel der “Israelkritik” äußert.
Die BDS-Kampagne ist israelfeindlich und antisemitisch. Sie ist eine offene Feinderklärung gegen Israel und fordert die ökonomische, politische und kulturelle Isolierung seiner gesamten Bevölkerung. Ihren Unterstützern werden wir daher keine Plattform für ihre Propaganda bieten.
Wir haben die Hoffnung, dass es BDS-Unterstützer gibt, denen es nicht um die Auslöschung Israels geht, sondern tatsächlich um eine Verbesserung der Menschenrechte in den palästinensischen Autonomiegebieten. Wir sind deshalb bereit uns mit Menschen auseinanderzusetzen, auch wenn sie irgendwann mal unbedacht eine der unzähligen BDS-Listen unterschrieben haben. Allerdings verlangen wir von den KünstlerInnen denen wir eine Bühne geben, dass sie den Antisemitismus der Kampagne erkennen und entsprechend auf eine Unterstützung verzichten.

08.11.2018
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
Tel.: 0341-3013028, Fax: 0341-3026503
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