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Wer in einer Weise, die geeignet ist, den
öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer
dadurch angreift, daß er
(§130 Strafgesetzbuch - Volksverhetzung) |
Die Heftigkeit der Reaktion entspricht der
Schärfe der Provokation, schrieb die Zeit in der Einleitung zu
Daniel Jonah Goldhagens Erwiderungen auf die Vorwürfe seiner Kritiker
anläßlich seines Buches Hitlers willige Vollstrecker
(Siedler Verlag). Somit war dann auch vorweg klargestellt, daß Goldhagens Status dem eines Provokateurs gleichzukommen hat. In der Folge der Abwehr dieser Vorwürfe geht es Goldhagen immer darum, seine Position als Historiker zu festigen. Warum er deshalb trotzdem zum politischen und volkspsychologischen Gutachter (FAZ) wurde, liegt wohl darin begründet, daß er die längst zur Historikerdebatte hochstilisierte Auseinandersetzung mit den Kritikern seines Buches durch die Erteilung der Absolution für die guten Demokraten, die Deutschen von heute, errettet wissen will. Auffällig ist dabei die Konstruktion, mit der er belegt, was die Konvertierung der Deutschen besagt: Die Behauptung, in den dreißiger Jahren seien die meisten Deutschen Antisemiten gewesen, ist nicht rassistischer, als wenn man sagt, die meisten Deutschen sind heute für Demokratie. Deutlich wird in dieser Argumentation nochmals, von welcher Position aus Goldhagen agiert - oder besser: reagiert.
In einem vom ZDF ausgestrahlten Gepräch Goldhagens mit Michael Friedmann, einem, der sein Gesicht für Deutschland und die CDU zeigen will, ist es das erste Mal in größerer Öffentlichkeit heraus: Diese künstliche Schranke gegen Volksverhetzung braucht es nicht mehr, meint Goldhagen. Nur einige Tage später leistete er dann in der Zeit seinen Offenbarungseid als Historiker: Wenn es um den Juden Goldhagen geht, ist es erlaubt, das Gespenst meiner Identität und meiner Herkunft herauf zu beschwören. Alle jene, die unterstellen, daß Juden im allgemeinen oder ich im besonderen, wegen meiner Herkunft, nicht wissenschaftlich über den Holocaust schreiben können, tun das, ohne auch nur einen Augenblick bei einer Überlegung zu verweilen. Der Überlegung nämlich, daß, wenn solche Vorbehalte für Juden gelten, sie auch für Deutsche gelten würden, die selber oder deren Eltern in der NS-Zeit lebten - vielleicht sogar im unvergleichlich höherem Maße. Der einäugige Blick ist wirklich erstaunlich. Er sagt es, der einäugige Blick ist wirklich erstaunlich. Warum nur kommt Goldhagen nicht in den Sinn, daß die gemeinten Kritiker eben aus einer deutschen Schicksalsgemeinschaft heraus publizieren, die derlei antisemitische Ressentiments, wie Goldhagen sie benennt, niemals abgelegt hat?
Offen gesagt, ich halte mich nicht für geeigneter als irgend jemanden sonst, eine Antwort zu geben, was die Kritiker bewogen haben könnte. Meint er in der Zeit. Dabei stellt Goldhagen selbst fest (ebenda): Befragungen von Deutschen, die im Jahr 1946 von der amerikanischen Besatzungsmacht in persönlichen Interviews durchgeführt wurden, zeigen, wie weit verbreitet ein heftiger eliminatorischer Antisemitismus war. Und zu dem Zeitpunkt und in der Situation mußten die befragten Deutschen fürchten, daß antisemitische Äußerungen sie in ernste Schwierigkeiten bringen würden - mit Sicherheit ist das Ausmaß des Antisemitismus in Deutschland deshalb bei diesen Untersuchungen noch zu niedrig erfaßt. In einer Umfrage waren 61 Prozent der Deutschen bereit, Meinungen zu äußern, die sie als Rassisten oder Antisemiten kenntlich machten. Weitere 19 Prozent erhielten die Klassifizierung Nationalisten. Bleibt die Frage, die Goldhagen offenbar nicht beantworten will. Wie also hat sich denn der Antisemitismus im Nachkriegsdeutschland gegeben, um der echten Demokratie, wie Goldhagen meint, Platz zu machen?
Daß diese Antwort im Versuch zuerst von Rudolf Augstein herausgekitzelt werden sollte, ist eine besondere Erwähnung wert. Der Spiegel, der rechtzeitig dafür sorgte, daß Goldhagen um Gottes Willen ja auch aus der Defensive argumentieren muß, fragt also: Doch der häßliche Deutsche? Und Goldhagen antwortet: Damit es ganz klar wird: Die heutige politische Kultur Deutschlands unterscheidet sich wesentlich, um 180 Grad, von der herrschenden deutschen politischen Kultur um 1933. Da gibt es doch keine Zweifel. Wer wäre denn nicht überzeugt, daß die allermeisten Deutschen heute für Demokratie sind und an demokratische Institutionen glauben? Nun, ich kenne da einen, der heißt Otto Köhler und der schrieb dazu folgendes (in der taz): Man hat nur deutsche Täter zum verschwinden gebracht. Eine Polizei, die, wo immer es sich machen läßt - oder auch nicht - einen ausländerfeindlichen Hintergrund bestreitet. Staatsanwälte, die mit einem an Fanatismus grenzenden Eifer Opfer zu Tätern ernennen, die deutsche Täter eiligst laufenlassen und dafür zunächst den erleichterten Beifall nahezu der gesamten Medienöffentlichkeit und auch der Deutschen selbst bekommen, das ist das demokratische Deutschland des Jahres 1996. Goldhagen: Für die frühen Jahre der Bundesrepublik könnte man behaupten, daß solche Beschränkungen nötig waren. (Gemeint ist das Gesetz gegen Volksverhetzung - R.) Aber ob das für immer die richtige Politik ist? Im allgemeinen sollte soviel freie Rede wie möglich erlaubt sein. Augstein: Ich war immer gegen dieses Gesetz. Er war schon IMMER dagegen. Genau deshalb ist Otto Köhler auch ein EX-Spiegel-Redakteur. Ralf |