• Titelbild
• Editorial
• das erste: Abschied ohne Tränen.
• Lebanon Hanover × Selofan
• Converge + Crowbar
• Terrorgruppe
• No-Crap-Flohmarkt
• Kritische Theorie des Antizionismus.
• Turbostaat - Nachtbrot
• Zur Aktualität von Johannes Agnolis Transformation der Demokratie
• Blumfeld
• Jimmy Eat World
• Vergessene Flüchtlinge. Die Vertreibung der Juden aus den arabischen Staaten nach 1948
• leserInnenbrief: Im Frühling blühen die Narzissen
• doku: Die Arbeit nieder
• doku: 70 Jahre Israel
• das letzte: Variationen auf Uwe (Logbucheintrag vom 13. März Sternenzeit)
• Jahresbericht 2017
2017 war für das Conne Island ein bewegtes Jahr. Auf verschiedensten Ebenen sahen sich seine BetreiberInnen von teils unerwarteten Geschehnissen herausgefordert. Neben den großen und kleinen Überraschungen, welche die soziokulturelle Arbeit immer wieder bereit hält, waren es im Wesentlichen drei Dinge, die von innen wie außen auf den Verein einwirkten: Zum Ersten die polarisierende Debatte um das bereits Ende 2016 vom Conne Island veröffentlichte Statement Ein Schritt vor, zwei zurück. Zum Zweiten die Welle von Diffamierungsversuchen, die in Folge der Proteste gegen G20 in Hamburg hochschlug und durch die folgende Bundestagswahl weiter an Kraft gewann. Als Drittes galt es gleich vier sehr spontane Stellenwechsel von teilweise alteingesessenen Festangestellten im Verein zu kompensieren.
Unter dieser Belastungsprobe hat sich einmal mehr gezeigt, wie verlässlich und strapazierfähig die über Jahre gewachsene Vereinsstruktur aus wenigen Festangestellten und einer Großzahl Ehrenamtlichen ist. Trotz der unerwarteten Herausforderungen wurde 2017 ein innovatives und dichtes Veranstaltungsprogramm auf sehr hohem Niveau geboten. Der Anspruch, den eigenen Veranstaltungsbetrieb kritisch zu hinterfragen und sich immer wieder über die eigenen vier Wände hinaus zu aktuellen politischen Themen zu äußern, gilt nach wie vor. Leider konnte diesem Anspruch auch 2017 aufgrund der begrenzten Kapazitäten nur punktuell entsprochen werden. Das Spektrum der bearbeiteten Themen reichte dabei von Empowerment-Projekten für Mädchen und Frauen in Pop- und Subkultur über Kritik an linkem Antisemitismus bis zur kritischen Betrachtung von aktueller queer-feministischer Politik. Die Diversität von Themen und Positionen, aber auch von Menschen, die im Conne Island zusammen kamen, zeigte einmal mehr seine soziale und politische Bedeutung für die Stadt Leipzig und den Stadtteil Connewitz im Besonderen.
Kultur – mehr als Konzerte und Partys
Das Conne Island ist weiterhin ein zentraler Treffpunkt für Menschen verschiedener Altersgruppen und eine wesentliche Anlaufstelle kulturell und politisch Interessierter in Leipzig. Die Infrastruktur des Vereins war und ist auch ohne die Bedingung ehrenamtlicher Mitarbeit frei nutzbar und wurde vom Umfeld des Conne Island sehr geschätzt. Der anhaltende Hype um Leipzig und die damit einhergehende Blüte vor allem der freien Szene- und Kulturlandschaft spiegelt sich auch in der Programmgestaltung des Conne Islands wieder. Neben einer zunehmenden Anzahl konkurrierender Veranstaltungsorte eröffnen sich dadurch es vor allem Möglichkeiten bedeutende KünstlerInnen davon zu überzeugen, in der Koburger Straße 3 zu gastieren. Außerdem sorgte 2017 für einen deutlichen Zuwachs von BesucherInnen und NutzerInnen des Conne Island Freigeländes. Die Beliebtheit des Freigeländes mit seinem großen Freisitz, der Skatebowl, dem Kinogelände und Basketballplatz, der Veranda und vielem mehr hält damit auch 2017 ungebrochen an. Auch die erste Conne Island Kinderdisko unter freiem Himmel mit etwa 250 BesucherInnen – davon etwa ein Drittel Kinder – stellte sich als erfolgreiches Experiment heraus und steht sinnbildlich für die Entwicklung des eigenen Programms mit den NutzerInnen und BetreiberInnen des Conne Islands hin zu einem generationsübergreifenden Projekt.
Über das Jahr verteilt fanden im Conne Island an 224 Tagen 289 Konzerte, Klubveranstaltungen, Lesungen, Sportveranstaltungen, Kinovorstellungen, Workshops und Diskussionsveranstaltungen statt. Damit konnten die BetreiberInnen des Conne Islands ihrem selbstgesetzten Ziel gerecht werden, das Veranstaltungspensum im Vergleich zu den Vorjahren etwas zu verringern, ohne dabei Abstriche an Qualität und Diversität machen zu müssen.
Deutlich mehr als ein Drittel der Veranstaltungen waren kostenlose Formate, darunter inhaltliche Veranstaltungen wie Lesungen oder Workshops und ein Großteil der Freiluftveranstaltungen. Hervorzuheben ist einmal mehr die Halftime, bei der im Sommer jeden Mittwoch bis zu 1.000 BesucherInnen ihren Weg auf das Freigelände des Conne Island fanden, um dort Tischtennis oder Basketball zu spielen, Skatebord oder BMX zu fahren oder einfach nur die Atmosphäre zu genießen und mit Freunden Zeit zu verbringen. Der jährlich stattfindende Little Sister Skate Cup, das aller zwei Jahre durchgeführte Tischtennis-Turnier, mehrere Basketball-Turniere und der No Crap Flohmarkt sind feste Bestandteile des kostenfreien Programms des Conne Islands. Die gewünschte Steigerung des Anteils kostenloser bzw. niedrigpreisiger Angebote ist eine Reaktion auf generell steigende Ticketpreise und ermöglicht Jugendlichen und Menschen mit geringen finanziellen Mitteln Teilhabe an Kultur und gesellschaftlichem Diskurs.
Im Bereich der Konzertveranstaltungen konnte an das außergewöhnliche Programm im Jubiläumsjahr 2016 (25YRS Conne Island) angeknüpft werden. Für die Genres Hardcore, Punk, Oi! und Metal sind als Highlights neben BROILERS, KADAVAR, BEATSTEAKS und THE DILLINGER ESCAPE PLAN auch SWANS hervorzuheben. Wie auch in den Vorjahren ist die Dominanz von männlichen Musikern in diesen Genres überdeutlich. Musikerinnen sind gerade auf großen Labels und Agenturen unterrepräsentiert, woraus eine geringere Wahrnehmung resultiert. Um dieser Ungleichheit etwas entgegen zu setzen, lag ein Schwerpunkt des Bookings im Bereich Punk auf weniger prominenten Bands von Musikerinnen. Besonders hervorzuheben sind dabei GURR aus Berlin und DECIBELLES aus Lyon. Im Bereich Pop, Indie und Hip Hop konnten mit THE NOTWIST, AUSTRA, JAMES HOLDEN, SOOKEE und FÜNF STERNE DELUXE wieder renommierte Größen des Genres in den Eiskeller geholt werden.
Der Grund für die gesunkene Veranstaltungszahl im Jahr 2017 ist vor allem im Bereich der Klubveranstaltungen zu finden. Die Vielzahl der neuen Klubs und eine deutlich höhere Veranstaltungsdichte in Leipzig wirkte sich auch schon vor 2017 negativ auf die BesucherInnenzahlen der House-Reihe Electric Island und anderer Klubabenden im Conne Island aus. Große Events wie der Electric Weekender oder die jährliche 24h-KANN-Lable-Nacht erfreuen sich demgegenüber noch immer großer Beliebtheit. Daher war es für 2017 folgerichtig weniger Klubveranstaltungen – im Verhältnis zum Vorjahr fast halb so viele – dafür aber ausgewähltere zu veranstalten. Dafür steht etwa der Abend 10 Years Hessle Audio mit BEN UFO oder das weitere Experimentieren mit anderen Formaten, etwa dem Klub Sonntag.
Nichts ändern wird sich am anhaltenden Engagement des Conne Islands, mehr Mädchen und Frauen hinter die Pulte zu bekommen. So gab es 2017 in Kooperation mit Feat. Fem eine ganze Reihe an Partys und Workshops, welche sich an Frauen in der elektronischen Musikszene richteten.
Mit Vorträgen, Lesungen, Workshops, Filmvorführungen und Diskussionsveranstaltungen wurde sich 2017 mit verschiedenen Aspekten des Feminismus und Sexismus, des Antisemitismus, Nationalismus und rechter Gewalt auseinandergesetzt. So beschäftigte sich z. B. die Buchvorstellung Wörterbuch des besorgten Bürgers mit der populistischen Sprache von Pegida und AfD, das dokumentarische Theaterstück Urteile mit der schleppenden Aufklärung des NSU- Komplexes und Magnus Klaue referierte eine polemische Kritik an aktueller feministischer Politik. Mit Manja Präkels Buchvorstellung Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß wurde dem Conne Island-Publikum preisgekrönte Belletristik geboten.
Besondere Bedeutung kam der Buchvorstellung Beißreflexe – Kritik an queerem Aktivismus, autoritären Sehnsüchten, Sprechverboten zu. Die kritische Bestandsaufnahme queer-feministischer Diskurse mit Schlagwörtern wie „Privilegien“, „Critical Whiteness“ oder „kulturelle Aneignung“ beschäftigte über Monate das Umfeld des Conne Islands und zeigte damit eine notwendige Debatte in zivilgesellschaftlichen wie universitären Kreisen.
Unter anderem in Kooperation mit der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig und der Initiative Geschichte vermitteln waren auch Themen der historisch-politischen Bildung im Veranstaltungsprogramm vertreten. So gab es etwa eine Filmvorführung zur Geschichte der Kibbuz-Bewegung, einen Vortrag zur antisemitischen Schrift Protokolle der Weisen von Zion und eine Diskussionsveranstaltung über die Bedeutung des 8. Mai 1945 für aktuelle linke Bewegungen. Diese auf Diskussion angelegten Formen der gesellschaftskritischen Auseinandersetzung stellten weiterhin einen Kernaspekt der politischen Bildungsarbeit des Vereins dar und konnten Debatten in und um den Verein anstoßen.
Erstmals gab es 2017 eine Comic-Lesung im Conne Island, auf der internationale KünstlerInnen ihre Werke vorstellten. Die positive Resonanz beim Publikum wie bei den BetreiberInnen des Conne Islands führte zur Fortführung dieses Veranstaltungsformats in 2018.
Trotz fortschreitender und teilweise notwendig werdender Professionalisierung fanden auch 2017 Jugendliche und junge Erwachsene den Weg ins Conne Island, um mit Leichtigkeit und unbedarfter Sorglosigkeit ihre kulturellen Vorstellungen umzusetzen. Davon profitierte auch der eingefahrene Veranstaltungsalltag des Conne Islands und nicht zuletzt die kulturelle Vielfalt.
Projekte
SK8 Island
Der aufwendige Umbau des Skateparks zu einer Beton-Bowl 2013 ist auch im vierten Jahr eine Erfolgsgeschichte. Der große Zuspruch aus der Leipziger Skate- und BMX-Szene hält ungebrochen an. Alle AkteurInnen sind an dem Projekt weiterhin mit großem Elan, viel Engagement und kreativen Ideen beteiligt. Wie auch in den vergangenen Jahren konnten 2017 im Rahmen des Sommerferienpasses mit überragender Resonanz Skateworkshops für Mädchen und Jungen angeboten werden. Darüber hinaus umfasste das Workshop-Angebot wieder zwei Tage, an denen sich explizit Mädchen und junge Frauen im Alter von 17 bis 27 Jahren unter Anleitung in der Skatebowl ausprobieren konnten. Das Konzept der Nachwuchsförderung und des Mädchen- und Frauen-Empowerment beweist sich seit Jahren als sehr sinnvoll und macht sich in einer deutlich heterogeneren Zusammensetzung der SkaterInnenszene im Conne Island bemerkbar.
Im Jahr 2017 hat das Conne Island zum dritten Mal in Folge einen Workshop für Kinder und Jugendliche mit Gehbehinderung organisiert: Chairskating – Skateboarden im Rollstuhl. Unterstützung erhielten wir erneut von David Lebuser, dem ersten professionellen Chairskater Deutschlands, und seiner Begleitung Lisa Schmidt, die den Workshop mit ihrem Know-how leiteten. Der Erfolg war überragend und hat gezeigt, dass das Angebot für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen unbedingt ausgebaut werden muss.
Auch 2017 fanden in Selbstorganisation durch die Skate-Crew immer wieder Builders Days statt. Im Rahmen dieser wurden mobile Skate-Elemente gebaut wurden, um auch außerhalb der großen Beton-Bowl Tricks üben zu können. Auf der Skate-Anlage und auf den Streetflächen um den Veranstaltungssaal ist täglich Betrieb und oft sind die SportlerInnen bis in die späten Abendstunden, selbst im Herbst und Winter, bei Flutlicht und Musik anzutreffen.
United on Wheels
2017 fand zum dritten Mal in Folge unser Projekt United on Wheels – Deine, meine, unsere Stadt! statt. Zielgruppe waren neben MigrantInnen bzw. Asylsuchenden aller Altersschichten auch Kinder und Jugendliche zwischen fünf und 28 Jahren als stärkste MultiplikatorInnenen.
Den ersten Teil des Projektes stellte der Roller Day dar. Dabei konnten die TeilnehmerInnen mit bereitgestellten Rollschuhen erste Erfahrungen mit Roller Derby sammeln. Der aus den USA stammende Vollkontaktsport auf Rollschuhen wird mehrheitlich von Frauen ausgeübt und erfreut sich seit einigen Jahren auch in Deutschland steigender Beliebtheit.
Die Skate Days – als zweiter Projektteil – fanden mit Unterstützung des Urban Souls e.V. in der Grünauer Skate-Halle Heizhaus statt. An zwei Tagen wurde zunächst ein EinsteigerInnenkurs angeboten. Im Anschluss konnten die TeilnehmerInnen sich im freien Training weiter ausprobieren und den langjährigen SkaterInnen aus dem Urban Souls e.V. Fragen stellen.
Als dritter Teil des Projekts fanden die Bike Days im Conne Island statt. Den TeilnehmerInnen wurden Fahrräder zur Verfügung gestellt, die im Vorfeld von privaten SpenderInnen bereitgestellt wurden. Durch die Unterstützung des Bike Department Ost wurden ausreichend Ersatzteile und Werkzeuge besorgt, um die Fahrräder an beiden Projekttagen gemeinsam wieder in Schuss zu bringen. Die TeilnehmerInnen haben nicht nur gelernt, wie ein Fahrrad aufgebaut ist, sondern auch, wie einfach es ist, kleine Reparaturen selbst zu erledigen. Wichtig war uns vor allem das solidarische Miteinander während des Workshops.
Bring it on – Girls on Stage
Mit dem Projekt Bring it on - Girlzzz on Stage! wollten wir unsere Erfahrungen weitergeben und Mädchen sowie jungen Frauen, die bisher noch keinen Zugang zu elektronischer Musik oder Hip Hop hatten, die Welt des DJing, VJing und des Raps näher bringen. Dies erfolgte in Form von drei ganztäglichen Workshops im Conne Island. Darin wurden erste Grundlagen vermittelt und die Teilnehmerinnen ermutigt, auch zukünftig unseren Girlzzz Edit-Proberaum und die damit verbundenen Angebote in Anspruch zu nehmen.
Im ersten Teil des Djing-Workshops (Vinyl, CD), der im Veranstaltungssaal des Conne Islands stattfand, wurde den Teilnehmerinnen zunächst der Aufbau und die Funktionen des DJ-Sets, der Anlage, des Mixers sowie der Platten- und CD-Spieler erklärt. Jede Teilnehmerin hatte ein eigenes DJ-Set zur Verfügung. Die Workshop-Leiterinnen erläuterten die Tricks und Schwierigkeiten des Mischens zweier Musikstücke unter Zuhilfenahme verschiedener Techniken. Schließlich konnten die Teilnehmerinnen sich selber ausprobieren.
Die historische Entwicklung des VJings sowie die Einführung in die Nutzung grundlegender Hard- und Software war Bestandteil des ersten Teils des VJing-Workshops. Für den Workshop wurde das Café des Conne Islands genutzt. Hier stellten wir jeder Teilnehmerin ein Computer-Setup zur Verfügung. Im zweiten Teil wurde ein ausgewählter technischer und künstlerischer Aspekt des Mediums Video beleuchtet. Danach produzierten die Teilnehmerinnen eigene Videosequenzen.
Im Rap-Workshop ging es darum, sich mit der Hip Hop-Kultur und den dort vorherrschenden Klischees auseinanderzusetzen. Dabei wurde vor allem auch auf den Aspekt eingegangen, dass es leider kaum Female MC's gibt und die Funktion der Frau meist darin besteht, leichtbekleidet als Background-Sängerin aufzutreten. Diese Darstellung wurde gemeinsam mit den Teilnehmerinnen diskutiert und kritisch reflektiert. Im zweiten Schritt wurde das Formulieren der eigenen Gedanken und der praktische Umgang mit dem Mikrophon erprobt. Auch dieses Projekt wurde nun schon das zweite Jahr sehr gut angenommen, weshalb wir es 2018 ebenfalls fortsetzen werden.
Featuring Females – Frauen in der Klubkultur
Zielgruppe des Projekts Featuring Females – Frauen im Klubkultur waren Mädchen und junge Frauen, die Interesse am Musikbusiness haben. Umgesetzt wurde es als Kooperationsprojekt von verschiedenen Veranstalterinnen, Musikerinnen und Produzentinnen. Der Fokus lag im elektronischen Bereich der Pop- und Klubkultur, sowohl praktisch als auch theoretisch. Das Projekt setzte sich zum Ziel, das Selbstbewusstsein und die Stellung von Frauen in der männerdominierten Branche des Musikbusiness nachhaltig zu stärken. Dies sollte auf drei verschiedenen Ebenen geschehen.
Auf der praktischen Ebene wurde ein umfangreiches kostenloses Workshop-Angebot realisiert. Die Workshops setzten sich aus den wesentlichen künstlerischen Bestandteilen der Clubkultur zusammen (Dj-ing, Producing und VJ-ing). Da die Musik- und Clubkultur bis heute männlich dominiert ist, sollten in dem Projekt tradierte Genderstrukturen aufgebrochen werden. Die Workshops fanden neben dem Conne Island auch im Institut für Zukunft (IFZ) statt.
Die zweite Ebene des Projekts war die der Visibility. Hier ging es darum, Frauen in der Klubkultur sichtbar zu machen. Daher wurde der Dokumentarfilm RAW CHICKS.BERLIN von und mit Beate Kunath gezeigt und anschließend ein Publikumsgespräch geführt. Die Veranstaltung unterstrich insbesondere den Netzwerkgedanken des Projekts und stellte somit eine Grundlage zur weiteren Zusammenarbeit – regional wie überregional – dar.
Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema Frauen in der Klubkultur in Form einer zweiteiligen Diskussionsveranstaltung stellte schließlich die dritte Ebene dar. Mit verschiedenen Vertreterinnen aus dem Veranstaltungsbereich der elektronischen Pop- und Clubkultur wurde die geschlechterbezogene Rollenverteilung im Musikbusiness beleuchtet und diskutiert.
Antifaschistischer Jugendkongress – Get organized now
Gemeinsam mit dem AJZ Chemnitz und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen organisierte das Conne Island das zweite Jahr in Folge den viertägigen Antifaschistischen Jugendkongress. Der Kongress eröffnete Jugendlichen Perspektiven sich antifaschistisch, feministisch und antirassistisch zu organisieren. Dazu wurde ihnen ein kostenloses Programm mit etwa 50 Vorträgen und Workshops zu unterschiedlichen Themen, wie Antirassismus, Feminismus und Kapitalismuskritik sowie Flyergestaltung und Streetart, angeboten. Der Jugendkongress wurde von über 300 TeilnehmerInnen besucht und soll 2018 fortgeführt werden.
Der Rote Salon präsentiert Gerd Koenen
Die Veranstaltungsgruppe Roter Salon setzte ihre Tradition fort, renommierte WissenschaftlerInnen und AutorInnen im Conne Island zum Gespräch zu bitten. Der Publizist und freiberufliche Historiker Gerd Koenen wurde im Oktober 2017 gleich zu einer Doppelveranstaltung eingeladen. In einer ersten Veranstaltung referierte er über die Ikonographie der Säuberung – Feindbilder im Roten Oktober und in einer zweiten über die Rezeption und Ikonisierung Che Guevaras. Die Veranstaltungen des Roten Salons erfahren seit Jahren viel Publikumszuspruch und bewegen sich stets auf einem sehr hohen wissenschaftlichen und rhetorischen Niveau. Gefördert wurden die Veranstaltungen durch den Aktionsfond der Lokalen Partnerschaft für Demokratie Stadt Leipzig.
Politik und Diskurs
Zu Beginn des Jahres 2017 stand das Conne Island bereits einige Wochen im Fokus einer bundesweiten Öffentlichkeit, nachdem sich das Plenum – die Entscheidungsinstanz des Conne Islands – mit dem Statement Ein Schritt vor, zwei zurück an die Öffentlichkeit wandte. Angesprochen wurde darin die drastische Zunahme von sexuellen Übergriffen auf Klub- und Konzertbesucherinnen im hauseigenen Saal. Sie gingen mehrheitlich von Männern aus, die als Geflüchtete wahrgenommen wurden. Kein Thema der letzten Jahre hat BesucherInnen wie BetreiberInnen des Conne Islands derart polarisiert und kaum ein Statement des Conne Islands wurde so häufig medial rezipiert. Dem Verständnis des Conne Islands als gesellschaftspolitischer Akteur entsprechend war es selbstverständlich, dass die Debatte um die Verschränkung von Antisexismus und Antirassismus innerhalb des Conne Islands weiter geführt werden musste.
Neben vielen internern Diskussionen entstand in Folge der Auseinandersetzung ein reger Austausch mit anderen Klubs und Veranstaltungsorten in ganz Deutschland. Und auch wenn sich die Diskussionen und Veranstaltungsplanungen zum Thema über einige Monate hinzogen, entstand schlussendlich keine relevante Positionierung oder Auswertung der Debatte von Seiten des Conne Islands. Zu kontrovers waren die Positionen der BetreiberInnen und so blieb das Conne Island sich und seinem Umfeld die weitere Auseinandersetzung schuldig.
Im Sommer 2017 fand sich der Verein erneut im Schlaglicht einer breiten Öffentlichkeit, ohne irgendetwas dafür getan zu haben. Die Debatten um die Proteste zum G20 Gipfel in Hamburg und die bevorstehende Bundestagswahl kulminierten in einer Konjunktur populistischer Aussagen von PolitikerInnen und Berichterstattungen. Das Conne Island wurde neben anderen Alternativen Jugend- und soziokulturellen Zentren mit Diffamierungen überzogen – fast immer in Unkenntnis der vor Ort geleisteten Arbeit. Daher war es der richtige Umgang, auf diese Anfeindungen nicht zu reagieren. Zugleich war es beruhigend zu wissen, dass das Leipziger Kulturamt sowie der Oberbürgermeister hinter dem Conne Island und generell der soziokulturellen Arbeit in Leipzig stehen. Die Erfahrung des Sommers 2017 zeigt jedoch deutlich, dass es zukünftig mehr denn je Aufgabe des Conne Islands sein muss, Positionen und Antworten auf einen erstarkenden Populismus zu finden. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der sächsischen Landtagswahlen 2019.
Die Förderung von Eigenverantwortung und Mitbestimmung, wie es die Grundsätze des Vereins sind, sowie die Stärkung von politischer Bildungs- und Jugendarbeit werden daher zukünftig bestimmende Themen des Conne Islands sein. Die Neuaushandlung etablierter Grundsätze ist im Conne Island keine übergestülpte Meinungsbildung sondern ein – manchmal zäher und nervenraubender – Diskurs im Sinne einer demokratischen Debattenkultur.
Personalsituation
Für das Jahr 2017 sind einige gravierende Veränderungen in der Riege der Festangestellten des Conne Islands zu verzeichnen. Diese Veränderungen zu erklären oder einzuordnen fällt nicht leicht. Es ist festzuhalten, dass in der zweiten Jahreshälfte gleich vier der dreizehn unbefristeten Stellen sehr spontan neu besetzt werden mussten und sich das Stellenkarussell auch 2018 noch weiter dreht. Dass die Arbeit des Vereins dadurch deutlich eingeschränkt wurde, ist selbstverständlich, berücksichtigt man die Tatsache, dass es sich um die Geschäftsführung, die Gastronomieleitung, eine halbe Bookingstelle und die stellvertretende Geschäftsführung handelte. Hinzu kommt die Tatsache, dass es sich teilweise um langjährige MitarbeiterInnen und wichtige Stützen der Arbeit des Conne Islands handelte. Die Gründe dieser Stellenwechsel sind vielfältig und vielschichtig. Ursächlich ist die hohe Belastung bei relativ geringer Bezahlung: Ein Dilemma, welches seit Jahren gesehen und diskutiert wird. Folgerichtig entschied sich der Verein Ende das Jahres 2017 für eine lange überfällige Anhebung des Haustarifes.
Wie im Vorjahr bestanden 2017 im Verein 15 Festanstellungen, davon sieben volle, sechs halbe und zwei temporäre halbe Stellen. Zusätzlich gab es wieder eine FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr) Kultur Beschäftigung.
Professionalisierung und Ehrenamt
Wurde vor Jahren noch erbittert um einen Generationswechsel gestritten, scheint er im Jahr 2017 eher beiläufig und etwas unkontrolliert vorangeschritten zu sein. Neben den abrupten Wechseln auf den festen Stellen geht eine neue Welle der Verjüngung durch die vielen Vereinsmitglieder und Ehrenamtlichen. Dabei kommt den FSJlerInnen eine besondere Rolle als MultiplikatorInnen zu. Es zeigte sich, dass ein gezwungener und vollkommen gelenkter Generationswechsel nur auf dem Papier funktioniert, im Alltag jedoch von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, auf die der Verein keinen Einfluss hat.
Zum einen ist das die notwendige Professionalisierung des Veranstaltungsbetriebs sowie der Gastronomie. Zwar schafft diese Entwicklung hin zur zentralisierten Organisation durch Festangestellte Entlastung und Sicherheit, jedoch nimmt sie häufig auch den Spielraum, Neues zu probieren oder Dinge schlicht entspannter anzugehen. Sie ist an einigen Stellen jedoch nötig, um den Anforderungen des Kulturbetriebs gerecht zu werden. Professionalisierung ist damit auch eine Zugangsbarriere für jugendliches Engagement und eine vielschichtige Herausforderung für das Conne Island.
Viele der Ehrenamtlichen beklagen weiterhin, dass ihre Kapazitäten durch Studium, Beruf oder Familie weiter schwinden. Nichtsdestotrotz nehmen sich einige neue junge Menschen die Zeit, um die Arbeit des Vereins zu unterstützen und tragen dazu bei das Prinzip Ehrenamt hochzuhalten. Es ist erklärtes Ziel des Conne Islands, Erfahrungen weiterzugeben, neuen Leuten den Zugang zu Wissen und Verantwortung zu ermöglichen und dem schleichenden Prozess der Professionalisierung und Zentralisierung bewusst etwas entgegenzusetzen.
Auch 2017 trugen etwa 250 Ehrenamtliche einen Großteil der vielfältigen Aufgaben des Projekt Vereins.
Finanzen
Das finanzielle Fundament des Conne Islands bildet nach wie vor die institutionelle Förderung durch das Kulturamt der Stadt Leipzig. 2017 wurde etwa die Hälfte der Stellen sowie Miete und Betriebskosten über diese Mittel abgedeckt. Die gestiegenen Lohn- und Betriebskosten der letzten Jahre führten 2017, wie bereits im Vorjahr, zum faktischen Wegfall der sogenannten freien Spitze für die Förderung von Projekten im ideellen Bereich. Dem musste das Conne Island durch die fast vollständige Gegenfinanzierung der Projekte durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb beziehungsweise durch Drittmittel Rechnung tragen. Sollten Betriebskosten oder Miete in den nächsten Jahren steigen, wird eine Erhöhung der institutionellen Förderung unerlässlich, um die erfolgreiche Arbeit des Vereins auf gewohntem Niveau erhalten zu können.
Das erwähnte Schlagwort Professionalisierung stellte 2017 nicht nur eine Zugangsbarriere dar, sondern schlug sich auch in handfesten Zahlen nieder. Neben großen Teilen der Gästebetreuung (umgangssprachlich Security) war es 2017 unerlässlich, auch punktuell die bis dato ehrenamtliche gastronomische Betreuung zu entlohnen. Nichtsdestotrotz wäre das Conne Island ohne die vielfälltige Arbeit von Ehrenamtlichen auch im Jahr 2017 unvorstellbar gewesen, was sich auch an den steigenden Kosten für die Versorgung der Ehrenamtlichen ablesen lässt.
Perspektivisch lassen sich für die folgenden Jahre zunehmende steuerliche Belastungen erwarten. Ebenso werden sowohl Personalkosten durch die Notwendigkeit der Bezahlung ehemals ehrenamtlicher Aufgaben steigen, während auch KünstlerInnen und ReferentInnen angemessener honoriert werden müssen. Wachsende Kosten durch den Gastronomiebetrieb abfangen zu wollen, kann jedoch nicht zielführend sein, da dies zum einen zu weiteren Steuerbelastungen führt und zum anderen auch MitarbeiterInnen und Ehrenamtliche über die Maßen beanspruchen würde.
Dauerthema: Umbau, Renovierung und Barrierefreiheit
Im Vergleich zum vergangenen Jahr war 2017, was bauliche Maßnahmen angeht, ein relativ ruhiges Jahr. Die einzige umfangreiche Baustelle war die städtisch finanzierte Sanierung des Parkplatzes samt Errichtung von 22 Fahrradbügeln. Kleine, aber bitter nötige Erneuerungen der Abflusssysteme konnten in diesem Zuge mit realisiert werden. Die Einfahrt zum Gelände des Conne Islands, die komplette Instandsetzung des Spielplatzes und des Saaldachs konnten jedoch auch 2017 aufgrund der beschränkten Mittel noch nicht berücksichtigt werden.
Zudem konnte durch die Förderung des Kulturamts die Ausstattung des Vereins um einige sehr nützliche Dinge erweitert werden, darunter ein Carport für die wetterfeste Lagerung von Tischtennisplatten. Außerdem konnten drei Stuhlwagen angeschafft werden, die den Auf- und Abbau von Lesungen und Vortragsveranstaltungen erheblich erleichtern.
In Sachen Barrierefreiheit gab es 2017 keine wesentlichen Neuerungen. Nichtsdestotrotz wurde das Conne Island immer wieder auf seine barrierefreien Möglichkeiten angesprochen, so etwa in einem Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung. In diesem Bereich wurde einiges erreicht. Barrierefreie Zugänge und eine barrierefreie Toilette können jedoch nur ein Anfang hin zu ernstgemeinter Inklusion sein.
Die Sanierung und Pflege des über 5.000 qm großen Freigeländes des Conne Islands sowie des über 120 Jahre alten Veranstaltungssaals müssen auch die nächsten Jahre im Fokus bleiben.
Perspektive
Es sollte klar geworden sein, dass das Conne Island 2017 in einer Phase des Umbruchs und der Neuorientierung stand: Generations- und Stellenwechsel, neue politische und finanzielle Herausforderungen sowie altbekanntes Ringen um den Anspruch an die eigene Arbeit. Wirklich neu ist der Zustand von Veränderung und Bewegung jedoch nicht, vielmehr beschreibt er den Charakter des Conne Islands. Für die Arbeit des Vereins ist der Bezug zum Alltag, zu tagesaktuellen Themen und zu momentanen gesellschaftlichen Konflikten die entscheidende Bezugsgröße. An den Grundsätzen der Arbeit des Vereins hat sich dennoch nichts geändert: Partizipation, Empowerment, Eigeninitiative und eine offene, auf Ehrenamt basierende Struktur sind erfolgreiche Prinzipien. Die eigenen Entscheidungen und Arbeitsweisen müssen dennoch immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden.
Für die kommenden Jahre gilt es, eine überzeugende Position und eine politische Antwort auf einen erstarkenden Populismus zu finden. Außerdem muss weiterhin am selbstgesteckten Ziel gearbeitet werden, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Professionalität und Veranstaltungsdichte auf der einen und (kultur)politischen Interventionen und inhaltlichen Debatten auf der anderen Seite zu finden.
Projekt Verein e.V.
März 2018