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Aktuelles Heft

INHALT #247

Titelbild
Ein Angriff auf uns alle
• das erste: Der Stress mit Weihnachten ist vorerst vorbei.
The Menzingers
Sepultura
Terrorgruppe
Chain & the Gang
The Pains of Beeing Pure at Heart
• position: Abwege einer Polemik
• das letzte: Den Schaden haben die Anderen

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Chain & the Gang

Sous la rue Wolfgang-Heinze, la plage

Fünfzig Jahre Achtundsechzig. Nachdem das Lutherjahr glücklicherweise ins Wasser gefallen ist und das letzte Gespenst die Bühne der Erinnerung an die Oktoberrevolution inzwischen verlassen hat, dürfen sich KommunistInnen, KommentatorInnen und DenkerInnen aller Couleur dieser Tage öffentlich fragen, was geblieben ist von diesen so ereignisreichen Tagen Ende der 60er Jahre. Als Anschauungsobjekt für Feuilleton und Museen geraten die Geschehnisse dieses Sommers selbst zu nicht mehr als einem Spektakel. Auch auf reichlich linke Folklore dürfen wir gefasst sein. Höchstens in der CSU fürchtet man noch immer die Generation Achtundsechzig und ruft vorsichtshalber zum x-ten mal zur konservativen Revolution auf. Und in unseren Gefilden hat das Ganze ohnehin etwas anders stattgefunden. Wie kann man nicht verzweifeln bei all den Niederlagen, vertanen Chancen und trüben Aussichten? So bleibt für uns KommunistInnen nur die alte Frage: Was tun? Was gibt uns Halt und Zuversicht in diesen Zeiten? Pop natürlich! Was sonst? Gut, dass mit Ian Svenonius, Psychic Soviet und Vorsitzender des Rock’n’Roll Comintern, bald ein ausgemachter Experte für Kommunismus, Pop und Scheitern die Insel im Sachsensumpf besuchen wird.

Ian Svenonius geht es primär um den Rock’n’Roll. Er ist ihm nicht nur wissenschaftliche Weltanschauung, sondern vielmehr die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt. In seinem Buch über 22 Supernatural Strategies for Making a Rock’n’Roll Group beschreibt er ihn als Produkt der Industrialisierung, als genuin amerikanische, aber längst globalisierte Kulturform, die in sich den Keim zur Abschaffung ihrer eigenen Entstehungsbedingungen trägt. Was hat es dann mit CSU-Politikern auf sich, die im AC/DC Shirt rumlaufen? Widersprüche müssen eben manchmal ausgehalten werden. Svenonius jedenfalls geht es um das ungebrochene Potential, die nicht realisierte Chance. Jede Band soll eine Gang sein, jeder Song ein Aufruf zur Revolte, jedes Konzert eine Séance. Nicht obwohl, sondern weil das Versprechen der Popmusik nach wie vor uneingelöst ist.

Diesem notwendig richtigen Bewusstsein entspringen Svenonius' Projekte seit mehr als 20 Jahren. Begonnen hat alles im Umfeld von Dischord Records, Washington D.C. im Nevermind-Jahr 1991. Kurz vor Beginn des zweiten Punk-Booms, den die Übertragung von Smells Like Teen Spirit in die Jugendzimmer aller Welt auslöste, veröffentlichte Svenonius mit der Nation of Ulysses sein 13-Point Program To Destroy America. Situationistische Lyrik, kommunistisches Styling, Hardcore. Im Gegensatz zu den meisten Zeitgenossen waren der Band die Versprechungen vom Ende der Geschichte Anfang der 90er unheimlich, der Aufruf zur Revolte einzig notwendige Konsequenz. Vom wieder einmal ausbleibenden Revolution-Summer ließ sich Svenonius nicht beirren. Der Tumbheit neoliberaler Umwälzung und ihrer popkulturellen Überbauten stellte er Ende des Jahrzehnts mit seiner Band The Make-Up den Spirit und die Sexiness von Funk und Soul gegenüber. In den 2000ern setzte sich Svenonius in der gleichnamigen Band vor allem mit den vielen Inkarnationen des Weird War dieser Zeit auseinander. Begleitet von Proto-Punk und Motown-Soul, brachte er die Losung If You Can't Beat 'Em, Bite 'Em unter die Massen und besang ein ikonisches Sturmgewehr sowjetischen Fabrikats. Mit dem aktuellen Projekt Chain & the Gang arbeitet sich Svenonius seit ein paar Jahren am unsterblichen Garage-Rock ab. Im letzten Jahr hat er mit seiner Band ein neues Album veröffentlicht, das neben vielem Guten auch den sympathischen Titel I Hate Winners enthält. Unter dem Alias Escape-Ism veröffentlichte er jüngst auch ein von Suicide beeinflusstes Solo-Album, auf dem sich die schönste Ode an den Eisernen Vorhang seit Ronald M. Schernikau finden lässt. Dass zu diesen vielen Erscheinungen immer auch eine ekstatisch-manische Liveshow gehörte, versteht sich von selbst!

Ohne Rücksicht auf Peinlichkeit, Fremdscham und Ironie an einer objektiv richtigen Sache festhalten; cool den Zumutungen kapitalistischer Realität trotzen; Spaß haben, die Hüften kreisen lassen; die Gespensterkluft überwerfen - aus Überzeugung, wenigstens ab und zu. Von diesen Maximen des Ian Svenonius können wir viel lernen. Anfang März im Conne Island.

Christopher Sprelzner

 

11.02.2018
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
Tel.: 0341-3013028, Fax: 0341-3026503
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