• Titelbild
• Großwetterlage
• das erste: Lückenbüßer
• Apotheose des Revolutionärs - Che Guevara als Lichtgestalt der Linken
• Vitamin X, Night Fever, Messerschießerei
• Offenes Antifa Treffen
• HVOB + Winston Marshall
• Neck Deep
• Swans + Baby Dee
• Q. Szenische Lesung des Romans von Luther Blissett
• Erhobenen Hauptes. (Über)Leben im Kibbuz Ma'abarot.
• And So I Watch You from Afar + Fargo + Kid Dad
• doku: ZDF-Doku: Rechte Propaganda gegen Links
• review-corner event: Unversöhnlich in Wurzen
• das letzte: Ein Grusz aus der Zukunft1
• Nix einreißen lassen?
• Neue Titel im Infoladen
I.
Tinder. Jobcenter. Callcenter. Vegan kochen. CDU. Hausprojekt. LVZ. Ellesse. No Cops. MacBook Pro. Puh! All diese Momente der Freiheit, die zwischen Eisi, Karli und Späti tagtäglich aufscheinen - es kann einem schwindelig werden. Oder fad, enthalten sie doch einige Trostlosigkeit. Gegen diese Gleichzeitigkeit von eklatanter Überforderung und bedrückender Langeweile lässt sich nicht leicht ankämpfen. Zu den klassischen Methoden dem Leben dennoch ein wenig Bedeutung abzutrotzen gehören Dinge wie Liebe, Aufstand, Drogen, Kunst. Die Band Swans, die im November ins Conne Island kommt, hat all das in unterschiedlicher Ausführung im Angebot; bietet deswegen an, uns Geschundenen einen Abend lang Trost zu spenden in Form einer »sonic experience«, wie sie selbst sagt.
So ähnlich wie Sunn o))) im letzten Jahr, geht es Swans um Überwältigung durch musikalische Brachialität, Trance durch unablässige Wiederholung, Ekstase durch künstlerische Hingabe. Das 2012er Album The Seer kann ohne Weiteres zu den wenigen wirklich relevanten Platten der letzten zehn Jahre gezählt werden. Es besteht aus teils unheimlich langen, von Noise, Industrial, Neo-Folk, Post-Punk, Drone (also praktisch allem, was geil ist) beeinflussten Exkursionen. Bei Konzerten stehen die Musiker grimmig dreinschauend im Halbkreis, improvisieren auf Basis der Songs, verändern oder dehnen sie noch weiter aus. Die Szenerie erinnert an ein dunkles Ritual, der Sound entfaltet sich düster psychedelisch, wird nur selten von Momenten der Schönheit unterbrochen. Inhaltlich drehen sich die Songs um Abtrünnige, Seher, Wahnsinn, die Gosse. Natürlich klingt das furchtbar prätentiös und übertrieben. Spätestens wenn du in der ersten Reihe von Sänger Michael Gira böse angefunkelt wirst, dich zwei Stunden lang starr an deinem leeren Bier festhalten musst, nur um von dem Spektakel nichts zu verpassen, die Ohren trotz Ohropax klingeln (dennoch: bitte unbedingt einpacken!), vergeht das Lachen. Ironisch gemeint ist das alles definitiv auch nicht.
II.
Könnte also alles ganz schön sein. Wir haben gemeinsam einen guten Abend, lassen uns von den Gitarren umpusten, wundern uns ein wenig über die lauten alten Männer auf der Bühne, gehen leicht erheitert vom Žatec-Bier und um eine sonische Erfahrung reicher nach Hause.
So einfach ist es nicht, wird es nicht sein - und das hat einen Grund: Im Februar 2016 veröffentlichte die Musikerin Larkin Grimm auf ihrer Facebook-Seite ein Statement, in dem sie Michael Gira der Vergewaltigung im Jahre 2008 bezichtigte. Im unmittelbaren Nachgang mit dem Vorwurf konfrontiert, beendete Gira die Zusammenarbeit mit der Musikerin, die bis dato bei seinem Label Young God Records unter Vertrag stand. Gira hat in Interviews Stellung zu den Vorwürfen genommen, sie zurückgewiesen und die Situation als einvernehmlichen Geschlechtsverkehr charakterisiert. Andererseits hielt er es für notwendig in einer offiziellen Social-Media-Stellungnahme verunglimpfend über Grimm zu sprechen. Es ist nicht meine Aufgabe hier Stellung zur Richtigkeit der Vorwürfe oder zur Angemessenheit der Reaktion zu formulieren. Zu einem Gerichtsverfahren ist es nicht gekommen. Die Situation lässt sich über das Internet kaum rekonstruieren. Einige Aspekte möchte ich dennoch hier ansprechen: