• Titelbild
• Ätsch!
• Das ist Wahnsinn! Warum schickst du mich in die Hölle?!
• The Dillinger Escape Plan
• Jeff Rowe
• No Crap - Flohmarkt
• Lesung »Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß« mit der Autorin Manja Präkels
• Prawn + Todo Para Todos
• Andreas Dorau
• position: Das Pulli-Archipel
• doku: Demoaufruf Wurzen
• das letzte: Cossi d´Azur
• Neue Titel im Infoladen
Der nicht mehr ganz blutjunge Musiker Andreas Dorau, der einen oder dem anderen vielleicht bekannt von diversen charmant neben die Schnittstelle von New Wave, Disco und Schlager geworfenen Liedern, kommt Anfang Oktober ins Conne Island, um seine neue Scheibe Die Liebe und der Ärger der Anderen im Rahmen eines Konzertes vorzustellen. Auf dem herrlichen Cover sieht man Andreas, wie er eine Chimäre aus Schwan und Leopard umarmt. Die Lieder heißen Dies Ist Nicht Real, Imitier Mich oder Das Bist Nicht Du. In einem geht es um die anscheinend wahre Geschichte eines Menschen aus dem Osten der Republik, der in München von einer Horde aufgebrachter Bajuwaren mit einem zur Waffe zweckentfremdeten Schwan attackiert wurde. Der Grund für den Groll der jungen Lederhosenträger lässt sich dem Lied leider nicht entnehmen. Vielleicht lag es daran, dass er sich in einem Biergarten an der Isar eine Cola bestellte. Andreas trägt die Geschichte mit entspannt dünnem Gesang vor, ein Chor singt im catchy Refrain „Dab-Da-Da“ über einen astreinen Easy-Listening-Disco-Track.
Ich glaube, ich stoße niemandem vor den Kopf, wenn ich behaupte, dass diese Musik alles andere als „hip“, „Rock“ oder „Punk“ ist. Ich würde eher sagen, die Musik von Andreas gehört in die Kategorie „Camp“. Die großartige Susan Sontag schrieb 1964 in ihren berühmten Notes on Camp: „Camp is the consistently aesthetic experience of the world. It incarnates a victory of ‘style’ over ‘content,’ ‘aesthetics’ over ‘morality’, of irony over tragedy”. Im Gegensatz zur heute wieder gern betrachteten „Hipness“, deren Retro-Fixierung immer mit einer Distanzierung und Belustigung einhergeht, feiert Camp überzeugt das Über-das-Ziel-Hinausschießen, das deplatziert Ambitionierte, den Kitsch und das Dandytum. Andreas' Kunst war weder jemals wirklich angesagt, noch irgendwie von sich selbst distanziert. Sie war in all ihrer Verschrobenheit immer völlig ernst gemeint und doch frei von plakativen Parolen. Eben alles andere als „angenehm stumpf“, wie es in einem sehr guten Lied aus den frühen 90ern behauptet wurde. Vor allem Poplinken galt Camp einst als ein möglicher „Fluchtweg“ aus der Sackgasse biederer Beliebigkeit im Pop. Dabei ging es vor allem darum, bewusst an etwas völlig Übertriebenem festzuhalten, ohne zugleich dem kulturindustriellen Authentizitätsmythos zu verfallen. Aber gibt es überhaupt noch Poplinke? Martin Büsser war sich 2008 in einem Beitrag in der damals offenkundig noch lesbaren Jungle World schon nicht mehr so sicher. Allen, die sich dieses Label auch heute noch an die Jeansjacke nähen würden, empfehle ich jedenfalls den Besuch des Conne Island am Freitag, dem sechsten Oktober.
[Christopher Sprelzner]