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Am Freitag, den 23. Juni 2017 wollen im 21. Jahr in Folge hunderte Antisemit*innen am sogenannten Al Quds-Tag in Berlin aufmarschieren. Sie demonstrieren für eine Eroberung Jerusalems (arabisch: Al Quds) und die Vernichtung Israels. Der Revolutionsführer Ayatollah Khomeini rief den Al Quds-Tag 1979, kurz nach der Islamischen Revolution im Iran, aus. Der Tag wird jährlich im Rahmen eines Staatsaktes am Ende des Ramadan abgehalten. Dabei wird er sowohl als »Tag des Widerstandes gegen den jüdischen Staat« verstanden, als auch zum »Kampftag für die Unterdrückten der Welt« stilisiert. Mit der Forderung, dass »die Unterdrückten« sich ausgerechnet gegen den jüdischen Staat zur Wehr setzen sollen, steht der Al Quds-Tag in einer antisemitischen Tradition: Die Idee einer jüdischen Weltverschwörung, die für alle Übel der Gegenwart verantwortlich sei, ist zentraler Kern antisemitischer Ideologie. Für die Islamische Republik Iran ist Antisemitismus seit der Gründung im Jahr 1979 zentraler Bestandteil der Staatsideologie.
Am Al Quds-Tag in Berlin beteiligen sich neben Anhänger*innen der Terrororganisationen Hizbollah und Hamas auch linke Antisemit*innen, einige Neonazis und andere antiemanzipatorische Kräfte. Lediglich in ihrem Antisemitismus geeint marschieren sie alle gemeinsam über den Ku‘damm: durch ein Viertel, in dem es vor der Vernichtungspolitik des nationalsozialistischen Deutschlands jüdisches Leben gab und das nun dort auch wieder zu Hause ist. In der Nähe der Demonstrationsroute liegen heute verschiedene Synagogen. Die Wahl dieser Route ist entsprechend eine reale Bedrohung hier lebender Jüdinnen*Juden. So kam es im Rahmen des Aufmarsches in den letzten Jahren wiederholt zu Übergriffen. Es gilt, sich den Antisemit*innen entgegenzustellen.
Der Al Quds-Tag in Berlin
Der Hauptorganisator des Berliner Aufmarsches ist Jürgen Grassmann. Grassmann leugnete im April diesen Jahres auf der Intifada-Konferenz in Teheran die Shoa, sprach dabei unter anderem von »der Täuschung der Menschen mit dieser Geschichte« und führte in diesem Zusammenhang fort: »Das Problem ist, dass die Zionisten es übertreiben«. Im gleichen Monat brachte Grassmann auf einer Querfrontdemonstration in Berlin während eines Redebeitrags seine antisemitische Verschwörungsideologie zum Ausdruck. Unter anderem sagte er in diesem Beitrag, dass der IS »ein Produkt der Zionisten« sei und forderte anschließend das Ende des Staates Israel. Bereits 2012 teilte er sich bei einer Veranstaltung des neurechten Querfront-Magazins »Compact« mit Jürgen Elsässer das Podium.
Die Redner*innen auf dem Berliner Al Quds-Tag decken das weite Feld des Israelhasses ab: Dazu zählen etwa der Verschwörungsideologe Christoph Hörstel, die Sekte »Neturei Karta«, Vertreter*innen der AKP-nahen BIG-Partei und der islamistischen UISAE (Union of Islamic Student Associations in Europe). Sie alle folgen dem Ruf des iranischen Regimes und tragen ihren Antisemitismus in Berlin an diesem Tag auf die Straße.
Antisemitismus – deutsche Normalität
Im Jahr 2016 wurden von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) 470 antisemitische Vorfälle, inklusive Angriffe und Anfeindungen in Berlin gezählt, was mehr als ein antisemitischer Angriff pro Tag ist. Die Dunkelziffer, also Fälle, die weder RIAS noch der Polizei gemeldet werden, liegt deutlich höher. Deutschland hat ein Antisemitismus-Problem, das weder erst seit gestern besteht, noch importiert wurde. Der deutsche Antisemitismus fand seinen Höhepunkt in der Shoa, dem Mord an sechs Millionen Jüdinnen*Juden. Heute lebt er in anderen Gewändern fort und ist in Deutschland, trotz (oder gerade wegen) einer vorgeblichen Tabuisierung, noch immer hochgefährlich.
Mediale Aufmerksamkeit erregte zum Beispiel im Frühling 2017 der Fall eines 14-jährigen Schülers einer Schöneberger Schule. Er wurde monatelang von Mitschüler*innen antisemitisch beleidigt und angegriffen. Trotz eindringlicher Hinweise seiner Eltern zog die Schulleitung keinerlei Konsequenzen, weshalb der Jugendliche die Schule schließlich verlassen musste. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Antisemitismus an der Schule fand danach nicht statt. Dieser Fall ist nur einer von vielen.
Antisemitismus wird als direkte Jüdinnen*Judenfeindschaft offen zur Schau getragen oder besonders innerhalb des sich als aufgeklärt gebenden liberalen Bürgertums in schönen Worten verpackt und hinter antisemitischem Antizionismus versteckt. Auch die sich vom Bürgertum eigentlich lossagende radikale Linke zeigt oft ihre antizionistischen Ausprägungen. Beispielhaft sei etwa das trotzkistische Nachrichtenportal »Klasse gegen Klasse« angeführt. Regelmäßig wird auf dieser Seite gegen Israel gehetzt. Dabei werden beständig antisemitische Argumentationsmuster auf den jüdischen Staat angewendet. Er wird als »künstlich« und als »Enklave« beschrieben, also als Fremdkörper im ansonsten »natürlichen« Nahen Osten; der israelische Ministerpräsident Netanjahu wird in einer Bildmontage als böser Herrscher auf dem »Eisernen Thron« porträtiert und Israel wahlweise als »Apartheids-« oder »Terrorstaat« dämonisiert.
Die Flucht vor Antisemitismus, auch schon vor der Shoa, wird nicht als Grund für die Gründung Israels anerkannt, sondern wird als konspiratives Projekt eines ominösen Imperialismus verklärt und so delegitimiert. Kurz: Der als Imperialismus interpretierte Kapitalismus wird auf Israel projiziert.
Aus der Ideengeschichte der antisemitischen Ideologie ergibt sich auch für einige Linke ein attraktives Denkmuster falscher Kapitalismuskritik: Dabei wird »das Jüdische« beispielsweise durch Projektion nicht nur zum »Kapitalisten« stilisiert, sondern zur Personifizierung des eigentlich unpersönlichen Kapitals als solches. Der Antisemitismus dient dabei als Gegenentwurf zur kapitalistischen Moderne und als Erklärung komplexer Zusammenhänge. Gegenwärtig ist offener Antisemitismus tabuisiert und wird stattdessen zumeist in Codes und Chiffren geäußert. So wird er zum Beispiel als Antizionismus verklausuliert. Das zeigen auch die Veranstaltenden des Al Quds-Tag-Marsches beispielhaft in ihren Äußerungen. Besonders deutlich war Jürgen Grassmann hierbei in seiner Rede beim Al Quds-Tag 2015. Dabei propagierte er: »Und warum? Die Antwort ist eigentlich immer die gleiche: Alles wegen Israel! Israel ist das Krebsgeschwür der Menschheit […]. Israel ist der Schuldige an allen Übeln der Welt! Sie sind […] die Feinde der Menschheit.«
Das antisemitische Regime im Iran
Für die Islamische Republik Iran ist Antisemitismus und der Hass auf die Moderne seit der Gründung im Jahr 1979 ein Dreh- und Angelpunkt der Staatsdoktrin. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass unmittelbar nach der gewaltsamen Islamischen Revolution der Al Quds-Tag eingeführt wurde. Das durch die Islamische Revolution geschaffene System propagiert die eigene Überlegenheit, bekämpft »Andersgläubige« und verteufelt den Westen und individuelle Freiheiten. In diesem Denken stellen Jüdinnen*Juden die Personifizierung der Moderne dar, der Hass auf Israel und die Leugnung der Shoa sind tragende Elemente dieses Systems. Diese »weltanschauliche Botschaft« beschränkt sich nicht auf den Iran, sondern soll auch verbreitet werden. Der Antisemitismus des Regimes wird immer wieder offen zur Schau getragen: So propagierte der Führer des Regimes Khamenei ausgerechnet am 9. November 2014 in neun Punkten, auf welche Weise Israel eliminiert werden müsse. Dazu gehört die Bewaffnung des Westjordanlandes nach dem Vorbild des Gazastreifens – ein Unterfangen, welches das iranische Regime seit 1979 vorantreibt. Zusätzlich finanziert das Regime islamistischen Terror weltweit (beispielsweise der Hizbollah und Hamas). Durch die Unterstützung für das Assad-Regime in Syrien starben Hunderttausende und Millionen Menschen sind auf der Flucht.
Der bei der antidemokratischen Präsidentschaftswahl erneut erfolgreiche Hassan Rohani ist im Gegensatz zur etablierten Darstellung kein »moderater Hoffnungsträger«, sondern das freundliche Gesicht des Terrors. Seit Beginn seiner Präsidentschaft werden im Iran deutlich mehr Menschen hingerichtet, als unter seinem Vorgänger Ahmadinejad. Seit Beginn seiner Amtszeit sind nach Angaben der iranischen Opposition mindestens 3000 Hinrichtungen durchgeführt worden. Den Nuklear-Deal feierte Khamenei, der auch der oberste Religionsführer des Iran ist, im September 2015 mit den Worten »Israel wird die nächsten 25 Jahre nicht mehr erleben« und auf Twitter verkündete er: »Bis dahin werden wir kämpfen, heroisch und mit der Moral des Jihad, um den Zionisten keinen Moment der Ruhe zu lassen«. Die internationale Gemeinschaft und somit auch Deutschland, betreibt zu großen Teilen eine Appeasement-Politik, die Rohani zum Reformer verklärt und bei der Unterdrückung Oppositioneller die Augen verschließt. Die deutsche Iran-Politik ist fatal: in regelmäßigen Abstand reisen Wirtschaftsdelegationen in den Iran, aber auch in Deutschland selbst werden iranische Institutionen gerne als Partner*innen, zum Beispiel für die Gestaltung des Religionsunterrichts oder in der Geflüchtetenhilfe miteinbezogen.
Antifa heißt Solidarität mit Israel
Unsere antifaschistische Kritik am Antisemitismus bleibt mit einer Israelsolidarität verbunden, die den Staat Israel als Schutzraum und notwendige Konsequenz aus der Shoa begreift. Diese Solidarität bedeutet, sich aus einer emanzipatorischen Perspektive gegen jeden Antisemitismus zu stellen, der sich heute in allen Teilen der Gesellschaft vornehmlich im israelbezogenen Antizionismus manifestiert.
Wir werden den antisemitischen Aufmarsch zum Al Quds-Tag auch in diesem Jahr nicht unwidersprochen hinnehmen und unsere Kritik an religiösen Fundamentalist*innen und Antisemit*innen aller Couleur am 23. Juni auf die Straße tragen. Wir solidarisieren uns mit allen von Antisemitismus Betroffenen und deren Schutzraum Israel. Außerdem gilt unsere Solidarität den emanzipatorischen Kräften im Iran.
Nieder mit dem mörderischen Regime im Iran!
Nieder mit dem antisemitischen Al Quds-Tag!
Antifaschistisches Berliner Bündnis gegen den Al Quds-Tag