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Aktuelles Heft

INHALT #238

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Mainstream der Minderheiten

Der Conne Island Plenumstext Ein Schritt vor, zwei zurück hat seit seiner Veröffentlichung Anfang Oktober für eine Vielzahl unterschiedlichster Reaktionen gesorgt. Während von anderen linksalternativen Clubs die positiven Rückmeldung überwogen oder zumindest von ähnlichen Konflikten berichtet wurde, erntete der Text vor allem von Seiten linker Blogs und Politgruppen teils heftige Kritik. Dazu mag nicht unwesentlich beigetragen haben, dass die mediale Resonanz auf die Veröffentlichung in den ersten Stunden vor allem von rechtspopulistischen Akteuren wie Junge Freiheit, Pegida, AfD und Co. dominiert wurde. Wer über diese Meldungen auf den Text stieß, kannte bereits den assoziativen Zusammenhang, der von den Nationalist/innen hergestellt worden war.

»Kriminelle Migranten - Conne Island ist in der Realität angekommen« titelte auch die Leipziger Volkszeitung (LVZ) und übernahm damit nicht nur die Deutung der Jungen Freiheit (»Linke im Realitätsstress«), also das rechte Narrativ vom weltfremden Gutmenschen, sondern auch das der kriminellen Flüchtlinge. Die Realität, dass ist für die LVZ wie für einen guten Teil der öffentlichen Meinung spätestens seit den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht 2015 der kriminelle, sexuell übergriffige Asylant. »Das Problem«, betont hingegen Tanja Rußack, Geschäftsführerin des Conne Islands, »das steht deutlich in dem Text, sind nicht Geflüchtete, sondern ist Sexismus.«

So deutlich haben es andere allerdings nicht gelesen. Von einem »Drama« schrieb eine Gruppe aus dem Ladenumfeld im Berliner Hate Magazin, einen »Nachruf« auf das »ehemals linke Zentrum« verfasste Robert Feustel für das Sprachlos-Blog und »gutes Gelingen dabei […], diese Inseln selbstgerechter Saturiertheit [zu] verwüsten«, wünschte den »jungen Männern mit Migrationshintergrund« Bernhard Torsch in der konkret. Die Vorwürfe der linken Kritiker laufen immer darauf hinaus, mit dem öffentlichen Statement »ein wenig im reaktionären Chor mitzuflöten« (Feustel) oder den »deutschlandweiten Rassistenchor [zu] verstärk[en]« (Torsch).

Dabei war das Ansinnen des Plenums gerade ein entgegengesetztes. Dieses hatte sich im Rahmen einer einjährigen Diskussion zu dieser Art der Auseinandersetzung entschlossen, da es »eine Thematisierung der Problematik innerhalb der Linken für längst überfällig« hielt und »dem Rechtspopulismus nicht die Deutungshoheit in dieser Debatte überlassen« wollte. »Wir wissen aus Gesprächen, dass andere linke Klubs in einer ähnlichen Lage sind,« erklärte Rußack gegenüber Spiegel Online (SpOn), »aber keiner will darüber reden«.

»Nachdem mehrere Anläufe einer öffentlichen Auseinandersetzung zur Situation in Kooperation mit anderen Clubs wir dem Institut für Zukunft (IfZ)« fehlgeschlagen waren, entschied man sich aufgrund der »angespannten und belastenden« Situation zum Alleingang. »Das Plenum des Conne Island ist natürlich nicht dafür zu kritisieren, dass es die nicht zu tolerierenden Geschehnisse auf den letzten Parties und Veranstaltungen offensiv nach Außen trägt und sich dadurch Lösungsansätze erhofft,« grenzte Marcus Adler im Hate Magazin die Stoßrichtung linker Kritik ein, »jedoch für die semantische Ebene, auf der die Aufarbeitung geschieht.«

»Wer im aktuellen politischen Klima seit Köln und im Fahrwasser dessen, was fälschlich als ›Flüchtlingskrise‹ umschrieben wird, von ›gefürchteten Männergruppen‹ spricht,« eröffnet dieserart auch Feustel seine Kritik, der »sollte nicht glauben, die Assoziationen mit einem verschachtelten Hinweis lenken zu können, dass die Nationalität der männlichen Subjekte zunächst egal sei.« Die Kritik trifft das Geschriebene, wo sie den assoziativen Bedeutungszusammenhang, wie er von den Rezipienten dem Zeitgeist gemäß hergestellt werden kann, meint. So schiebt Feustel den ausdrücklichen Verweis des Plenums darauf, dass »Gruppen umherziehender Männer […] auf der ganzen Welt« auftreten und ihre (ethnische) Herkunft für den von ihnen ausgeübten Sexismus in Wort und Tat reichlich egal ist, mit der Bemerkung zur Seite, dass dies angesichts des in Teilen der Gesellschaft verfestigten Klischees »nordafrikanischer Männerhorden« nur »vorgeschobene Floskeln« seien, »die es noch braucht, um sich wenigstens ein Stück weit vom Besorgtensprech zu distanzieren.«

Der Fokus auf dem Assoziativen durchdringt dabei sogar die eigene Kritik: Wo sich die Assoziationen zur rechten Hetze in den Köpfen der semantischen Kritiker nicht von selbst ergeben, wird nachgeholfen: Da soll das Wort »Geflüchtete« mit »Asylanten« getauscht werden, damit es »auch von einer Gida-Bühne« hätte »schallen können« (Feustel), oder die Verwendung der Bezeichnung »junge Männer mit Migrationshintergrund« wird zur verdeckt rassistischen Redewendung, weil damit von Rassist/innen eigentlich »›Schlitzaugen‹, ›Kanacken‹ oder ›Bimbos‹« gemeint seien (Torsch). Die Freundinnen und Freunde des Conne Islands wollen in einer anderen Passage des Textes »nur ›Ort‹ durch Land, ›Grundsätze‹ durch christlich-abendländische Werte« ersetzen, um die untergründige Verwendung einer »rhetorischen Figur aus rechten Kreisen« und die »Anschlussfähig[keit] an die neurechte Lehre« herauszustellen.

Gegen die Begriffsinhalte wird die durchaus eingestandene verzerrte (Medien) oder bewusst verkehrte (Rechtspopulisten) assoziative Rezeption ins Feld geführt. Der Vorwurf lautet, den politischen Gegnern gewollt oder ungewollt einen Bärendienst erwiesen zu haben.

Diesem politischen Urteil folgt eine Überprüfung der knapp gehaltenen Erklärungsversuche des Conne Island Plenums. Dabei geraten besonders zwei Erklärungsansätze, der »Missbrauch des ›Refugees-Fuffzigers‹« und die Gegenüberstellung von »stark autoritär und patriarchal geprägter Sozialisation [...] Geflüchteter« und »Freizügigkeit der westlichen (Feier-)Kultur« in die Kritik.

So sei die darin enthaltene »kulturalistische und ethnische« Gegenüberstellung von »uns« und »denen« »grobschlächtig« und wiederhole »ausdrücklich ungewollt […] eingeübte Klischees, die Migranten/Flüchtlingen en bloc anheften«. Die Analyse kultureller und sozialer Hintergründe der Täter taugt für die Freundinnen und Freunde des CI »genauso wenig als Entschuldigung, wie zur Erklärung«, da soziale und kulturelle Prägung nicht wie Ausstechformen funktionieren, die »diese Form für immer festbackt.« Bernhard Torsch formuliert denselben Gedanken einfacher: »Niemand wird als Frauenverächter, Nazi oder Bluessänger geboren, und niemand, die in der Gesellschaft von Frauenverächtern, Nazis oder Bluessängern aufwächst, muss selber einer werden oder bleiben.« Und auch Feustel sieht den Text kulturalistische Klischees nicht nur streifen, sondern sie ausgiebig bedienen. Eine »autoritär und patriarchal geprägte Sozialisation« könne für den Einzelfall zwar zutreffen, im Text werde sie »allerdings im Modus der Sippenhaft vorgetragen. Als gäbe es keine anderen Gründe dafür, sich wie ein sexistisches Arschloch aufzuführen.« 

Die vorgetragene Kritik mag überwiegend zutreffen, allerdings wird das Kritisierte im Plenumstext in dieser Eindeutigkeit überhaupt nicht vorgebracht. Zunächst wird, wie oben bereits angeführt, ganz allgemein die Dynamik von »Gruppen umherziehender Männer« mit »Alkohol und/oder anderen Drogen, lauter Musik und der unübersichtlichen Situation im Club« als sexistische Übergriffe fördernd geschildert. Für Feustel beginnt der Übergang zur »gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit«, weil anschließend »aus einer Vielzahl von Verfehlungen und Übergriffen, die es jährlich im Conne Island gibt, einige zusammengebunden und gruppenbezogen verhandelt werden.« Was aber, wenn sich die Mehrzahl derartiger Vorkommnisse tatsächlich auf eine eingrenzbare Gruppe zurückführen lässt? Geschäftsführerin Tanja Rußack erklärte gegenüber SpOn, schon immer habe es Besucher gegeben, die sich nicht an die Grundsätze des Clubs gehalten hätten. »Doch seit jedes Wochenende 20 bis 50 geflüchtete Männer mitfeierten - nur ein Bruchteil der im Schnitt 500 Gäste -« heißt es dort weiter, »würden sich die Beschwerden häufen: Männer würden penetrant starren oder Frauen von hinten an den Po fassen. Die Übeltäter: meistens Flüchtlinge.«

Der Verweis des Plenumstextes auf die autoritäre und patriarchale Sozialisation mag nicht ausreichend sein, trifft jedoch das phänomenologisch Vorgefundene eher als Torsch oder Feustel, nach denen es sich lediglich um eine falsche, tendenziell rassistische Wahrnehmung einer Situation handelt, wo Einzelne sich individuell als Arschloch benehmen. Bernhard Torsch ist sich dafür nicht zu schade, bei einem linken Club, dessen Selbstverständnis die Anrufung staatlicher Repressionsorgane nur als letztes Mittel vorsieht, die Aussage des Polizeisprechers Alexander Bertram als Nachweis anzuführen.

Jene Kritiker, die die Beobachtung eines besonders im Zusammenhang mit Migranten auftretenden Konfliktpotenzials teilen, verweisen auf andere Ursachen wie traumatische Fluchterfahrungen, die soziale Lage der Geflüchteten innerhalb der deutschen Gesellschaft (Freundinnen und Freunde des CI) oder auf die tatsächliche oder vermutete religiöse Zugehörigkeit (AG No Tears for Krauts in diesem Heft). Während erstere damit den Fokus der Kritik auf die deutschen Zustände richten und die Geflüchteten zur Vermeidung kulturalistischer Erklärungsansätze tendenziell als tabula rasa begreifen, erklären letztere den religiösen Überbau der immer noch dominant feudal geprägten Herkunftsgesellschaften zu ihrem Wesensmerkmal und damit zur Ursache – dies übrigens unter Aufbietung eines assoziativen Zusammenhangs, der die Clubnächte im Conne Island in die Nähe der Kölner Silvesternacht 2015 stellt.

Nicht alles an der vorgebrachten Kritik ist falsch, doch geht sie überwiegend am Ansinnen des Plenumstextes, eine offene Debatte innerhalb der Linken über die Problematik zu führen, vorbei. Eine positive Bestimmung der Situation oder eigene konstruktive Vorschläge bringt unter den hier aufgeführten Kritiken allein die der Freundinnen und Freunde des CI an. Ein meiner Ansicht nach adäquates Verständnis scheint über viele Kritiken und Berichte verteilt immer wieder auf, wurde bisher jedoch nicht explizit ausformuliert.

Ein grundlegendes Problem des Plenumstextes ist, dass in ihm das Conne Island zwar als Akteur innerhalb der Gesellschaft (Schutzraum, Willkommenskultur, etc.) auftritt, das Wirken gesellschaftlicher Verhältnisse im Island selbst jedoch kaum berücksichtigt wird. Selbstverständlich weiß man, dass auch das eigene Publikum nicht frei von Sexismus und Rassismus ist, weil die Insel nicht in einem gesellschaftsfreien Ozean verortet ist. Mit etwas Stolz wird auch zurecht auf die Unterstützungsgruppe und der erfolgreichen Begegnung von Sexismus in der Vergangenheit verwiesen. Nur wurde alle gesellschaftliche Vermittlung vergessen, als zeitgleich mit dem Auftreten einer neuen Besuchergruppe die Zahl der sexuellen Übergriffe und Diebstähle sprunghaft anstieg. Für diese neue Gruppe hatte das Plenum zuvor mit der Entscheidung, den Einlass zu Kulturveranstaltungen für symbolische 50 Cent zu gewähren, bewusst »den Laden aktiv für Geflüchtete […] öffnen« wollen.

Robert Feustel ist, was die Diebstähle anbelangt, recht zu geben, wenn er darauf hinweist, dass »die Gruppe derer, die (mitunter mehrfach) Stress gemacht haben, [...] vergleichsweise klein gewesen sein« dürfte. Auch sein Hinweis darauf, dass »Geflüchtete statistisch nicht krimineller oder sexistischer sind als Deutsche«, ist nicht falsch. Weshalb dann aber die gegenteiligen Erfahrungen des Conne Islands »und anderer linker Clubs«, wie der Plenumstext die verallgemeinerbaren Konflikte an vielen Stellen hervorhebt? Werden sexuelle Übergriffe von Männern mit Migrationshintergrund nur verstärkt wahrgenommen oder zeigen betroffene Frauen diese eher an? Es gibt Studien, die dies den gesellschaftlichen Durchschnitt betreffend nahelegen, allerdings lässt die vom Plenum geschilderte kulturalistische Relativierung und der vorauseilende Antirassismus für das Publikum des Conne Islands eher eine andere Tendenz vermuten.

Bernhard Torsch hat aus diesem Grund richtig darauf hingewiesen, dass »nahezu alles, was das Conne-Island-Plenum am angeblichen oder tatsächlichen sexuell übergriffigen Verhalten von Refugees beanstandet, […] ausschließlich nach Conne-Island-Standards sanktionierbar« ist, »nicht aber nach dem Strafgesetzbuch.« Das mag – so Torschs damit einhergehender Vorwurf - zu einer verzerrten Wahrnehmung der Geschehnisse in der medialen Berichterstattung geführt haben, jedoch wurde von Kritiker/innen der Medienhysterie zur Kölner Silvesternacht 2015 bereits darauf hingewiesen, dass die Mehrzahl der dort angezeigten Übergriffe selbst nach geltendem Recht nicht strafbar seien. Mir geht es hier aber erst einmal nur darum, dass Feustels Verweise auf die Gesellschaft im Allgemeinen betreffende Statistiken an dieser Stelle nicht weiterhelfen.

Wie also den Umstand erklären, dass mit dem Auftreten einer neuen Besuchergruppe die Zahl der Verstöße gegen die Grundsätze sprunghaft zugenommen hat? Der Plenumstext bleibt unmittelbar in dieser Erfahrung verhaftet und sucht nach den Gründen deshalb maßgeblich bei der auffallenden Gruppe selbst. Diese kann an und für sich noch so inhomogen sein - aufgrund ihres staatlich zugewiesenen gesellschaftlichen Status (samt Widerspiegelung durch den »Refugee-Fuffziger«) und der weitestgehenden phänotypischen Homogenität des üblichen Publikums wird sie als homogene Gruppe wahrgenommen. Doch in der Fokussierung auf das Besondere verschwindet der Blick auf's Allgemeine. Nicht das Wirken gesellschaftlicher Verhältnisse im Club, sondern das bestimmte Verhalten einer besonderen Gruppe wird zum Gegenstand der Analyse.

Das Plenum bietet folglich als Erklärungsversuch das Unterscheidbare an: die »stark autoritär und patriarchal geprägte Sozialisation in einigen Herkunftsländern Geflüchteter«. Der Verweis auf das Herkunftsland nimmt, darauf sei nur hingewiesen, der oben bereits aufgeführten Kritik Feustels, Torschs und der Freundinnen und Freunde des CI, dass es sich bei der Sozialisation nicht um ein als unveränderbar zu verstehendes Wesensmerkmal handle, den Wind aus den Segeln. Doch auch die Freundinnen und Freunde des CI und die AG NTFK teilen die Fokussierung auf das Besondere der Gruppe und ergänzen die Erklärung des Plenumstextes um die oben bereits angeführten Gründe. Bernhard Torsch entdeckt darin eine Kulturalisierung von Arschlochverhalten. Er bietet jedoch, ebenso wie Feustel, der gar eine »kulturrassistische Ideologie« ausmacht, keine eigene Erklärung an. Aus ihren Kritiken kann das kollektiv auftretende Fehlverhalten höchstens auf individuelles Fehlverhalten zurückgeführt werden.

Dabei hatte das Plenum in seiner Stellungnahme Sexismus zunächst allgemein bei umherziehenden Männergruppen, verschärft durch Alkohol und/oder andere Drogen und die Feieratmosphäre im Club, verortet. Im Dezember gab die LVZ Katja Krauses (Geschäftsführerin Werk 2) ebenso gelagerte Einschätzung wieder, »dass deutsche Männer keineswegs netter sind[. A]ber sie hätten in ihrer Feierroutine gelernt, bestimmte Dinge anders zu verpacken«. Selbstverständlich soll hier nicht behauptet werden, dass ein mit (sub)kulturellem Kapital (Pierre Bourdieu) vermittelter Sexismus vergleichbar sei mit einem unvermittelten Übergriff. Doch Krauses Bemerkung weist, wenn man die Besonderheit des Publikums der linksalternativen Clubs berücksichtigt, in die richtige Richtung. Denn was dem Grunde nach geschah, war nicht das Aufeinandertreffen von autoritär und patriarchal sozialisierten Geflüchteten und einer freizügigen westlichen Feierkultur, sondern das unvermittelte Auftreten von Männer(gruppe)n in einem Partymilieu, dass, wie auch der Plenumstext erwähnt, über Jahrzehnte hinweg die eigenen Grundsätze erkämpft und verteidigt hat. Die neuen Besucher kannten diese Grundsätze nicht und die Clubbetreiber/innen stellten recht schnell fest, dass der Aushang von (mehrsprachigen) »Postern zu richtigem Verhalten auf Partys« nicht ausreichte, um »die Grundsätze des Ladens zu erläutern und etwaige Möglichkeiten der Partizipation vorzustellen.«

Doch auch gegenüber Teilen des deutschen Publikums hatte man die Regeln einst durchsetzen müssen und muss dies noch immer. So hat über Jahre und Jahrzehnte ein Anpassungsprozess stattgefunden. Wer linksalternative Clubs besuchte, konnte erfahren, dass sich auch diskriminierungsfrei oder zumindest -arm feiern lässt und wer daran keinen Gefallen fand, dem wurde der Aufenthalt entweder unangenehmer oder ihm drohte der Rauswurf, wenn er gegen die Grundsätze verstieß. Diesen Anspruch erhebt der Plenumstext zu Recht weiterhin. Die Geflüchteten aber hatten keine längere Zeit der Eingewöhnung in die Gegebenheiten der Clubs. Sie kennen auch nicht die seit Jahren geführten Debatten der Szene oder des Feuilletons. Es ist auch unrealistisch, wie die Freundinnen und Freunde des CI anführen, dass die Männer vor »Frauenverachtung« oder »Hass auf den Westen usw.« geflohen seien.

Realistischer ist hingegen einfach davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Geflüchteten in etwa dem gesellschaftlichen Durchschnitt entspricht. Demnach würden sie auch hierzulande viel eher zum Publikum von Mainstream-Clubs wie etwa des TwentyOne oder des von Feustel bemühten Alpenmax passen. Da der Besuch dieser Clubs in der Regel an den fehlenden finanziellen Mitteln und - darauf weisen auch die Freundinnen und Freunde des CI hin - dem Rassismus der Türsteher scheitert, kommen jedoch nur die linksalternativen Clubs in Frage. Geflüchtete besuchen deshalb vor allem die Clubs bzw. Partys, die nicht auf eine bestimmte Sparte zugeschnitten sind, sondern ein über die eigenen subkulturellen Szenen hinausgehendes Publikum erreichen wollen. Es kommt zu der paradoxen Situation, dass der Mainstream in Gestalt einer äußerlich identifizierbaren Minderheit die Gepflogenheiten der hiesigen linksalternativen Minderheit durcheinander wirbelt. Doch gerade diese gesellschaftliche Vermitteltheit entgeht dem Plenum wie seinen Kritiker/innen, weshalb sie entweder die Erscheinung zum Wesen erklären oder diese tendenziell leugnen.

Was die vom Plenum konstatierte »neue Qualität der Vorfälle« betrifft, mögen auch Gründe in der besonderen Situation von Geflüchteten zu finden seien. Andererseits gibt es in der Vergangenheit kaum vergleichbare Erfahrungen, da Türpolitik oder Rauswurfpraxis ein gruppenspezifisches Auftreten verhinderten oder als einmaligen Vorfall bewältigten konnten. Die wenigen Konflikte mit spezifischen Gruppen, wie beispielsweise einer Gruppe Fußball-Fans, konnten im Conne Island durch die Einbindung von Vertreter/innen in die Ladenstrukturen gelöst werden. Ähnliche Ansätze gestalten sich bei den Geflüchteten aufgrund dessen, dass eine Gruppe für sich überhaupt nicht existiert, jedoch als kaum Erfolg versprechend. Eine gleichgroße Gruppe des Alpenmax-Publikums dürfte jedenfalls auch ohne Sprachbarriere für ähnliche Konflikte sorgen, wenn sie zu Partys in linksalternativen Clubs erscheinen würde.

Das Conne Island-Plenum bemerkte recht schnell, dass sich das Stresspotenzial »insbesondere« durch den »quasi kostenlosen Eintritt zu allen Veranstaltungen« erhöht hatte. Wer in Erwägung zieht, sich gehen zu lassen, mutwillig Stress zu suchen oder Diebstähle zu begehen, dem lässt sich eine einfache Kosten/Nutzen-Rechnung unterstellen. Wenn es jenseits des Rauswurfs nicht weiter schmerzt, da der Abend noch in ähnlichen Clubs und Bars fortgesetzt werden kann und auch nicht mit einem durchsetzbaren Hausverbot in Zukunft gerechnet werden muss, dann sind diesem Verhalten kaum Grenzen gesetzt. Der Plenumstext spricht folglich von einem »Missbrauch« des zur Öffnung des Ladens für Geflüchtete eingeführten »Refugee-Fuffzigers« durch größere Männergruppen, die augenfällig auf Stress aus waren.

Die Freundinnen und Freunde des CI schreiben diesbezüglich abfällig von einer »50-Cent-Charity« und Bernhard Torsch stellt die Thematisierung des Missbrauchs in eine Reihe mit »Sozialdemokratie, […] Volksheim und Fördern und Fordern«. Dass eine Statuskontrolle, also Bedürftigkeitsprüfung, von Seiten der Betreiber/innen gerade nicht gewünscht ist, wird von ihm dabei geflissentlich ignoriert. Vielleicht entstammt seine Lesart dieser Textstelle aber auch aus zweiter Hand. Etwa von Edith Kresta, ihres Zeichens taz-Redakteurin für Interkulturelles, die den Missbrauch des »Refugee-Fuffzigers« zum Missbrauch am Laden umschrieb: »das großzügige Engagement für Flüchtlinge des Leipziger Clubs Conne Island ist missbraucht worden.«

Die personelle Aufstockung und Professionalisierung des Einlass-Personals sowie die Änderung, Geflüchteten den symbolischen Eintrittspreis nur noch nach vortäglicher Anmeldung per E-Mail zu gewähren, haben laut dem Bericht des Plenums zu einer »leichten Entspannung der Situation« beigetragen. Die AG NFTK bezeichnet die Einschränkung der 50-Cent-Regelung auf vorangemeldete Geflüchtete in diesem Heft ohne Angabe von Gründen als ihre faktische Abschaffung. Selbstverständlich schränkt die Voranmeldung die Spontanität von Geflüchteten bei der Abendgestaltung ein, und es ließe sich diskutieren, ob die Anmeldung per E-Mail eine geringe, das heißt möglichst voraussetzungslose Hürde ist. Tatsächlich waren es zumindest laut einem SpOn-Artikel im Oktober immer nur die gleichen zehn Personen, die von der geänderten Regelung Gebrauch machten. Doch im Grunde war es vor allem eine kurzfristige, den Organisationsstrukturen des Ladens entsprechende Anpassung, den personell wechselnden und hauptsächlich ehrenamtlich arbeitenden Einlass zu entlasten, ohne den »Refugee-Fuffziger« aufgeben zu müssen.

Eine andere Kritik der 50-Cent-Regelung betraf ihre Exklusivität für Geflüchtete. Warum sollten nicht auch erwiesenermaßen Bedürftige wie Leipzig Pass-Inhaber/innen in den Genuss dieser Vergünstigung kommen? Hier muss der Hinweis genügen, dass auch ein Jugend-Kulturzentrum von der Größe des Conne Islands trotz Förderung aus dem städtischen Haushalt auf eine nachhaltige Bewirtschaftung angewiesen ist. Bei der Einführung des »Refugee-Fuffzigers« handelte es sich um eine explizit politische Entscheidung, die den vorherrschenden deutschen Zuständen und der spezifischen gesellschaftlichen Situation von Geflüchteten Rechnung tragen sollte. Dies bedeutet nicht, dass es keine anderen gesellschaftlichen Ausschlussmechanismen gäbe, doch lässt sich im Conne Island gerade dem finanziellen Ausschluss durch eigenes Engagement ganz einfach entgegenwirken. Das lässt sich sogar am »Refugee-Fuffziger« selbst zeigen, der von der Sache her lediglich eine Erweiterung des »Ehrenamts-Fuffzigers« ist. Denn wer sich regelmäßig am Laden einbringt, kann ebenfalls fast alle Kulturveranstaltungen für diesen symbolischen Eintritt genießen - und gerade an ehrenamtlicher Partizipation mangelt es schon seit geraumer Zeit. Anders als bei Geflüchteten dürften dem eigenen Engagement auch keine anfänglichen Hürden wie fehlende Sprachkenntnisse oder ein ungeklärter Aufenthaltsstatus im Wege stehen.

Bleibt die Frage: Was tun? Der Plenumstext äußert selbst die Besorgnis, sich nicht ausreichend mit den Betroffenen sexistischer und sexueller Übergriffe solidarisiert zu haben. Ein wichtiger Schritt, neben der erfolgten öffentlichen Thematisierung, wäre deshalb die Stärkung der UnterstützerInnengruppe. Ein weiterer wäre der Ausbau des Fraueneinlass. Wenn bei der EZLN oder den kurdischen Selbstverteidigungskräften die Frauenbataillone zum Aufbrechen des Machismus ihrer feudal geprägten Gesellschaften beitragen können, dann dürfte gegen sexistische Übergriffe im Club auch die selbstbewusste Ausübung von Hausmacht- und Ordnungsfunktionen durch weibliches Security-Personal wirken. Zum Thema Einlass gehört ebenfalls eine Club-Vernetzung, die neben dem gemeinsamen Erfahrungsaustausch auch ein Frühwarnsystem für umherziehende Stress-Gruppen an den Wochenenden bieten kann. Gegen Diebstähle hilft die Inanspruchnahme der Garderobe durch die Gäste.

Ebenso wichtig ist die ja durchaus gewollte Partizipation von Migrant/innen am Laden. Auf diese Weise könnten Sprachbarrieren überwunden werden und Migrant/innen würden nicht, wie von den Freundinnen und Freunden des CI kritisiert, vorwiegend als Sicherheitsproblem wahrgenommen und adressiert. Tanja Rußack hat ein solches Vorhaben bereits gegenüber der Jungle World angekündigt. Man werde »gemeinschaftlich Lösungen zu erarbeiten, auch gemeinsam mit den Geflüchteten, die ebenso genervt sind von diesen Verhaltensweisen. Und im besten Fall schmeißt man dann zukünftig mit ihnen zusammen die Arschlöcher raus, ganz egal, woher sie kommen.«

Damit es auch beim Begreifen der Situation nicht zu den am Laden vermiedenen »doppelten Standards« kommt, braucht es die Expertise der sich im Conne Island treffenden linken Polit-Gruppen, braucht es eine Gesellschaftsanalyse und -kritik jenseits von Phänomenologisierung und »antirassistischer Ideologie« (Detlev Claussen). Phänomene, die im Durchschnitt dieser patriarchalen Gesellschaft leider ganz gewöhnlich sind, durch ihr Auftreten in Gestalt von neuen Gesellschaftsmitgliedern auf außerhalb dieser Gesellschaft liegende Ursachen zurückzuführen ist dabei ebenso falsch, wie die Besonderheit dieser Personen und des situativen Kontextes zu ignorieren. Wichtig bleibt, auch gegen den falschen Beifall der multikulturalistischen Ideolog/innen aus den Leitmedien, darauf zu beharren, dass es sich gerade nicht um Konflikte handelt, »die durch Zuwanderung entstehen« (Kresta).


shadab

10.02.2017
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