An dieser Stelle dokumentieren wir den Aufruf der AG Religionsfreiheit gegen den 100. Katholikentag in Leipzig.
Unser Elend ist euer Kapital!
Vom 25. - 29. Mai den Katholikentag sabotieren
»Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elends und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.« (Karl Marx)
Im Alltag fallen Menschen mit religiösem Weltbild gar nicht weiter auf, zumindest wenn sie den Dienst an Gott nicht gleich zu ihrem Lebensunterhalt auserkoren haben. Schließlich verhält es sich wie bei Anhängern anderer Weltanschauungen auch: Was sie tun dürfen, wie sie an Essen, Kleidung, Wohnung kommen und ihren Haushalt führen wird nämlich von sehr weltlichen Prinzipien bestimmt, denen sich z.B. die Anhänger*innen der katholischen Kirche ebenso im wirklichen Leben unterwerfen, wie sie sich theoretisch dem Höchsten (»Gott«) selbst verpflichtet wissen. Und es ist ja auch nicht mehr wie in grauer Vorzeit, dass über'm ganzen Firmament ein ewiger Gott-Vater vermutet wird und alles Wohl und Wehe daran hängt, vorm jüngsten Gericht behaupten zu können, zeitlebens den richtigen angehimmelt zu haben. Stattdessen kann sich die katholische Kirche über gähnende Leere in den Sonntagsmessen damit hinwegtrösten, dass den Weg zu Gott noch jeder moderne Bürger ganz privat und individuell findet.
Wenn jetzt allerdings das Spektakel der Gegenaufklärung namens »Deutscher Katholikentag« zum hundertsten Mal abgewickelt wird, wollen wir das dann doch nicht unkommentiert an uns vorübergehen lassen:
- Die Menschen sind nicht Gottes Schöpfung sondern umgekehrt: Gott ist Schöpfung der Menschen in einer Welt, die solcherlei Schöpfungen bedarf, weil sie das materielle Elend des Kapitalismus gegen jede vernünftige Einrichtung dieser Welt verewigt. Folglich treten religiöse Eiferer, Kirchenverwalter*innen und ihre Institutionen immer dann verstärkt auf den Plan, wenn es den Menschen in ihren eigenen Zuständen mal wieder ganz besonders beschissen geht.
- Trost bedarf es nur in einer trostlosen Welt, religiöses Gnadenbrot nur in einer Gesellschaft, in der trotz Überproduktion gehungert wird und den Verweis auf das göttliche Himmelreich nur für jene, die nicht begreifen wollen, dass eine an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtete Einrichtung der Welt nicht »Gottes Willen« bedarf, sondern menschlicher Organisation und Entschlossenheit gegen die kapitalistisch-patriarchalen Zustände vorzugehen.
- Geht’s den Christ*innen gut, beten sie zu Gott, um für die unverdiente Gnade zu danken. Geht’s ihnen schlecht, wissen sie das als Prüfung ihrer Glaubenstreue zu würdigen. Jede Zumutung, die ihnen die kapitalistisch-patriarchale Gesellschaft bereithält und der gegenüber das »kleine Glück« in Gartensparte und bürgerlicher Kleinfamilie als Geschenk Gottes erscheint, integriert das religiöse Weltbild so ganz wunderbar in ein Verhältnis zwischen abstraktem Einzelwesen und einer »Macht«, die außerhalb des menschlichen Einflusses steht. Analyse der Gesellschaft, ade!
- Folglich würde sich ein*e Christ*in niemals anmaßen, aus der bloßen eigenen Kraft die ökonomischen und politischen Ursachen festzustellen, wenn ihr oder ihm etwas nicht passt. Denn dass irgendwas nicht passt, weiß Christ*in spätestens bei Abgleich mit dem Paradies sehr genau. Der Glaube an Gott bedarf weder eines Beweises, noch lässt er eine Widerlegung zu. Und so ersetzt der Glaube das Wissen und den Willen, den Verwalter*innen dieser, nach Erlösung schreienden Welt entgegenzutreten.
- Es sind dieselben Gefühle der organisierten Moral, der »Caritas«, des grenzenlosen Verständnisses und Mitleids für alle erniedrigten, geknechteten, verlassenen und verächtlichen Wesen daheim und im fernen Afrika, mit denen es »Gott« (gemeint ist die unverrückbare Einrichtung dieser Welt) wohl nicht ganz so gut gemeint hat und die den kreuzbraven Christen die nervtötende Frage nach den (menschlichen) Ursachen von Not, Elend und Gewalt auf moralisch so vortreffliche Art und Weise ersparen.
- Das Elend dieser Zustände und die Konjunktur religiöser Wahnvorstellungen (in welcher Form auch immer) fallen also in eins: Unser Elend ist ihr Kapital! Der geistige Rückfall in die Vorstellungswelt von Dreijährigen, die kindlich-narzisstische Sehnsucht nach der Geborgenheit »unseres Vaters«, der allmächtig über uns wacht, ist die wohl ohnmächtigste Antwort auf die fortschreitend katastrophalen Zustände. Zu einer Aufhebung des religiösen Bedürfnisses (ob nun christlich oder sonstwie) bedarf es der Aufhebung der kapitalistisch-patriarchalen Gesellschaft.
DESHALB ermutigen wir alle an einer vernünftigen Einrichtung der Gesellschaft Interessierten, dem Spektakel der Gegenaufklärung zum »100. Deutschen Katholikentag« auf vielfältige Weise entgegenzutreten und zur Organisation gegen die zunehmend sich barbarisierenden Verhältnisse aufzurufen. Unsere momentane Vereinzelung heißt nicht, dass wir dem religiösen Selbstvergewisserungsreigen nichts entgegensetzen könnten. Unsere Antwort heißt radikale Kritik und Sabotage der religiösen Reaktion.
GEBT DEN KATHOLIKENTAG DER LÄCHERLICHKEIT PREIS, die er verdient, nehmt ihr Motto »Seht, da ist der Mensch« ernst und rennt, gerade so, wie »Gott euch geschaffen hat«, nackt über die Kirchenmeile. Sabotiert die reaktionären Vortragveranstaltungen, konfrontiert die katholischen Schäfchen mit ihrem Sexualkomplex, ihrem Konformismus, ihrer Frauenverachtung, ihrer Kritikunfähigkeit, ihrem autoritären Charakter, ihrer Rolle zur Verewigung kapitalistisch-patriarchaler Verhältnisse... auf all den lächerlichen Veranstaltungen, die der Katholikentag so zu bieten hat. Einer Autorität, wie der Katholischen Kirche und ihren Verwalter*innen können wir am besten die Zornesröte ins Gesicht treiben, wenn wir ihnen die offensichtliche Verneblung ihres Bewusstseins vor Augen führen. Ihr gefährlichster Gegner »ist nicht die Feindschaft sondern Verachtung, und was sie am sichersten unterminiert, ist das Lachen.« (Hannah Arendt)
DARÜBER HINAUS: LEISTET RADIKALE KRITIK: Klärt die Menschen auf über den Zusammenhang von Religiosität, ihrem »heilsamen Charakter, ihrer Verschleierung der Klassenverhältnisse und der Verewigung des Patriarchats in Form und Inhalt der katholischen Monarchie (»Seht, da ist der Mann!«). Die Katholische Kirche hat ihren eigenen Untergang nur überlebt, weil sie für die bestehenden Verhältnisse eben noch eine ganz nützliche Rolle spielt und wird nicht zuletzt deswegen vom Staat mit mehreren Millionen bei der Ausrichtung dieses reaktionären Spektakels unterstützt.
Religion vernebelt das Bewusstsein!
Armut bekämpfen: Kirche enteignen!
Organisiert euch gegen Kapitalismus und Patriarchat!AG Religionsfreiheit