Mo Di Mi Do Fr Sa So 
00 00 00 00 0102 03 
04 05 06 070809 10 
11 12 13 141516 17 
18192021222324 
25 2627282930

Aktuelle Termine

CEE IEH-ARCHIV

#230, Februar 2016
#231, März 2016
#232, April 2016
#233, Mai 2016
#234, September 2016
#235, Oktober 2016
#236, November 2016
#237, Dezember 2016

Aktuelles Heft

INHALT #231

Titelbild
Editorial
• das erste: Theorien im kritischen Dialog
Schwarze Deutsche im Nationalsozialismus
SPACE BINGO
Madball
Klub: Electric Island / Dixon
Sick of it all
Baroness
Wurzellose Kosmopoliten. Von Luftmenschen, Golems und jüdischer Subkultur.
WORD! cypher / End Of The Weak Leipzig (Open-Mic-Freestyle-Session).
Dabei Geblieben – Aktivist_innen erzählen vom Älterwerden und Weiterkämpfen
Vorsicht Volk!
Die Neuordnung der deutschen Geschichte – Bundesrepublikanische Geschichts- und Gedenkstättenpolitik seit 1990
Hawaiianischer Schnee Tour (Teil 2)
Easter Ska Jam
Record Release Party zur Hannah (EP) von Duktus
TOCOTRONIC - »Pädagogisch Wertlos Tour 2016«
• review-corner event: Sleep In-Review
• position: Antifaschistischer Selbstschutz und die Gewaltfrage
• doku: Jetzt kommt die Nagelprobe
• doku: Sächsische Zustände
• das letzte: Das Letzte
Neue Titel im Infoladen

LINKS

Eigene Inhalte:
Facebook
Fotos (Flickr)
Tickets (TixforGigs)

Fremde Inhalte:
last.fm
Fotos (Flickr)
Videos (YouTube)
Videos (vimeo)

Der folgende Beitrag wurde als eines der Ko-Referate auf dem von ...ums Ganze! organisierten bundesweiten Antifra-Treffen im Januar 2016 gehalten. Im Zentrum der Diskussion standen strategische Fragen nach dem weiteren gemeinsamen Vorgehen der antifaschistischen und antirassistischen Linksradikalen. Dabei hat ...ums Ganze! den Fokus auf die Zusammenarbeit mit Willkommensinitiativen, die Kritik staatlicher Abschottungspolitik und die AfD als maßgebliche Stichwortgeber*in für einen sich immer weiter rassistisch aufladenden Diskurs gelegt. Ergänzend dazu hat die Antifa Klein-Paris ein Augenmerk auf die militanten Nazi-Strukturen, besonders in den ländlichen Regionen Ostdeutschlands, gelegt und betont damit, dass diese nicht außer Acht gelassen werden dürfen.



Sächsische Zustände

Als wir gebeten wurden, hier in fünf Minuten die Situation in Ostdeutschland vorzustellen, schien das zuerst unmöglich. Wir werden uns im Folgenden deshalb zum überwiegend auf Sachsen beziehen. Unser Fokus auf Sachsen kommt auch daher, dass wir eine gewisse Sonderstellung der sächsischen Zustände aufzeigen wollen.
Auch wenn wir grundsätzlich der Meinung sind, dass Sachsen schon immer Scheiße war, begreifen wir die rassistische Mobilisierung in Schneeberg Ende 2013 als einen Wendepunkt. Dort wurde endgültig das Tabu gebrochen, mit offen auftretenden Neonazis auf die Straße zu gehen. Schneeberg war in gewissem Sinne eine Blaupause für alles was danach kam. Es folgte eine kontinuierliche Zuspitzung der Situation. Das zeigt sich in einem massiven Anstieg neonazistischer Gewalt, welcher immer häufiger mit Verständnis begegnet wird. Beispiele für den Schulterschluss sind die bürgerlich auftretenden »Nein zum Heim«-Kampagnen unter Federführung der NPD. Freital, wo rassistische Anwohner*innen zusammen mit organisierten Neonazis aufmarschierten und natürlich PEGIDA und LEGIDA. Bezüglich neonazistischer Militanz sind vor allem die mehrtägigen Angriffe auf eine Asylunterkunft in Heidenau zu nennen, sowie Dresden, das als Brennpunkt rassistischer Übergriffe und rechter Gewalt gelten muss.
2015 bildet den bisherigen Höhepunkt dieser Entwicklung, ohne dass ein Ende in Sicht ist. Exemplarisch lässt sich das an einigen prägnanten Zahlen verdeutlichen: Allein im Oktober gab es weit über einhundert rassistische Aufmärsche und Kundgebungen in Sachsen, runter gerechnet also 3-4 pro Tag. Dabei bewegte sich die Zahl der Teilnehmenden von einigen Hundert bis etwa 20.000 bei PEGIDA. Im gesamten letzten Jahr wurden 101 Attacken auf Asylunterkünfte in Sachsen von staatlichen Stellen registriert. Hinzu kommen zahlreiche Angriffe auf Hausprojekte und alternative Strukturen, sowie unzählige Körperverletzungen gegen Geflüchtete und Linke.
Nun wollen wir nicht sagen, es sei im Rest Deutschlands oder gar Europas strukturell irgendwie besser. Um sich aber diesen zumindest zahlenmäßigen Unterschied zum Rest der Republik zu erklären, muss sich der Blick auf das gesellschaftliche Klima richten. Ein Klima, in dem eine Bewegung wie PEGIDA nicht nur entstehen konnte, sondern auch hofiert wird. Ideologische Schützenhilfe bekommt PEGIDA maßgeblich von der seit 25 Jahren regierenden sächsischen CDU, regionaler Presse sowie lokalen Eliten. So durfte PEGIDA nicht nur eine Pressekonferenz in der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung abhalten. Nein, sie konnten sich auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit dem sächsischen Innenminister treffen.
Derart legitimiert und anerkannt überrascht die lokale Verankerung nicht mehr. Dies führt aber auch dazu, dass jede Benennung als Nazis und Rassist*innen als Denunziation abgeschmettert werden kann. Das reaktionäre Gedankengut für die Diskursverschiebung nach rechts war bereits vorhanden, aber durch Akteur*innen wie die AfD und PEGIDA haben die Rechten ein neues Sprachrohr gefunden. Viele rassistische Positionen gelten in öffentlichen Diskursen wieder als legitim. Gleichzeitig gibt es im Osten Deutschlands kaum progressive zivilgesellschaftliche Bündnispartner*innen, mit denen sich Gegenaktionen zu rassistischen Mobilisierungen durchführen ließen, was in Anbetracht der Gesamtsituation nicht weiter verwunderlich ist.
Von der Öffentlichkeit weitgehend nicht wahrgenommen, mehrt sich die Gewalt militanter Neonazis sowohl in der Zahl als auch in der Intensität. Bereits Anfang der 90er Jahre konnten viele Neonazis positive Gewalterfahrungen sammeln ohne sich mit dem staatlichen Gewaltmonopol konfrontiert zu sehen. Eben jene Neonazis sind auch heute wieder auf den Straßen, organisieren Aufmärsche, führen Angriffe durch und sind Vorbild für Jüngere. Damals wie heute haben sie von den Repressionsbehörden wenig zu befürchten. So stört es beispielsweise kaum jemanden, dass es offensichtliche Kontakte von Nazi-Kadern der Parteien Die Rechte und NPD zur Polizei gibt. Selbst in den bekannten Fällen gaben die Polizist*innen nicht nur Informationen weiter ohne dass Konsequenzen folgten. Sie werden auch weiterhin zum vermeintlichen »Schutz« gegen den deutschen Mob eingesetzt. Dieser kann sich dann wiederum, meist ungehindert, unter den Augen der Ordnungsbehörden formieren und seinen Rassismus in Wort und Tat ausleben. So geschehen bei den teils mehrwöchigen Blockaden von noch leer stehenden Unterkünften in und um Dresden und in Chemnitz-Einsiedel. Die sonst so vehement verteidigte staatliche Ordnung wird dort systematisch unterminiert und fehlende Konsequenzen führen dazu, dass sich nicht nur handfeste Nazis ermutigt fühlen weitere Anschläge durchzuführen.
Für antifaschistische Interventionen bei diesem Ausmaß und der Fülle an Gewalt fehlen schlichtweg die Ressourcen. Erschwert werden die wenigen Interventionen dann vor allem von staatlicher Seite. Diese hat bereits seit Jahren im Zuge der Extremismusdoktrin rechte und linke Gewalt gleichgesetzt. Mittlerweile werden organisierte Rassist*innen von Landesregierung, Polizei und VS geduldet, verharmlost und letztendlich durch die Politik befeuert. Denn eines ist klar: Der Feind steht links in Sachsen! Dies wird auch der sächsische Verfassungsschutz nicht müde immer wieder zu erwähnen. Neben etlichen §129er-Verfahren und konstant hoher Repression bei antifaschistischen Demonstrationen, kommen inzwischen selbst die wenigen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen ins Fadenkreuz der sonst so untätigen Behörden.
Besser hätte der Schulterschluss zwischen offenen Nazis, bürgerlichen Rassist*innen und Teilen von Behörden und Regierung in Sachsen nicht durchexerziert werden können. Trotzdem ist hier analytische Schärfe gefragt. Auch wenn sich AfD und PEGIDA inhaltlich sehr radikalisiert haben, schaffen sie es immer noch sehr gut sich im Auftreten von klassischen Nazis zu distanzieren. Gerade deshalb sind sie so erfolgreich, wenn es darum geht, an den radikalisierten Mittelstandsdiskurs anzuknüpfen bzw. diesen zu befeuern.
Die Stichwortgeber*innen hierfür sind allerdings nicht nur in den Parteien zu suchen. Angefangen bei neurechten Intelektuellen wie Elsässer mit dem Compact-Magazin und Kubitschek mit der Zeitschrift Sezession, über die Wochenzeitung Junge Freiheit, bis zum Institut für Staatspolitik. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Fakt ist, dass sich eine neurechte Bewegung bildet mit allen Abspaltungen, Bündnissen und Subströmungen, die das so mit sich bringt.
Gerade im Osten ist dabei der Mythos der nationalen Revolution treibende Kraft in den neofaschistischen Spektren. Die Vorstellung, dass es sich 89/90 wirklich um eine Revolution gehandelt hätte, wurde bereitwillig angenommen und auch die darauffolgenden Pogrome waren Wasser auf die Mühlen ihres Selbstbewusstseins und verstärkten den Mythos maßgeblich.
Dass es gerade dieses Spektrum ist, das darüber hinaus zum Teil schwer bewaffnet ist und schon der NSU weitab der antifaschistischen Aufmerksamkeit morden konnte, sollte uns bewusst machen, dass es uns an einer Praxis gegen rechten Terror fehlt. Spätestens der Handgranatenwurf in Villingen-Schwenningen zeigt, dass die Gefahr durchaus konkret ist.
Daraus folgt für uns einerseits unsere Recherchearbeit zu intensivieren und andererseits den antifaschistischen Selbstschutz wieder in den Fokus zu nehmen und zu organisieren. Dieser ist selbst in Connewitz, wo sich Faschos jahrelang nicht frei bewegen konnten, nach den Angriffen Anfang des Jahres 2016 wieder zur Notwendigkeit geworden.
Es braucht eine breitere linksradikale Politisierung angesichts der rassistischen Mobilisierungen. Es sind zu wenige, die dem alltäglichen und auf die Straße getragenen Rassismus widersprechen bzw. sich diesem entgegenstellen. Gerade in Kleinstädten und ländlichen Regionen ist es besonders schwierig andere Mitstreiter*innen zu finden, sich zu organisieren und sich selbst bzw. die eigenen Strukturen zu schützen.
Momentan gibt es nur wenige Orte, die eine Leuchtturmfunktion erfüllen und in denen sich die sächsische Realität nach wie vor halbwegs ertragen lässt. Das reicht jedoch nicht aus, um gegen die besonders im Osten extrem gut aufgestellten Nazistrukturen anzukommen. Problematisch ist dann eben auch, wenn sich unsere Aktivitäten vor allem auf die Großstädte fokussieren, obwohl das Schlimmste ohne jede Öffentlichkeit in den Dörfern und Kleinstädten passiert.
Als herausstechendes Beispiel kann der 1. Mai im Vogtland, dieses Jahr in Plauen, gelten, der seit Jahren Anlaufpunkt für Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet ist. Maßgebliche Akteurin und Veranstalterin der Demo am 1. Mai ist die Neonazi-Partei Der III. Weg, die aus der inzwischen verbotenen Neonazistruktur Freies Netz Süd hervorgegangen ist. Die völkisch-nationale Grundstimmung in Plauen wird aber auch durch die pegidaähnliche Gruppe Wir sind Deutschland hochgehalten, welche sogar durch den FDP-Oberbürgermeister unterstützt wird. Deswegen mobilisiert ein Zusammenschluss ostdeutscher Antifa-Gruppen dieses Jahr am 1. Mai nach Plauen, um dem Neonazi-Großevent seine Strahlungskraft zu nehmen.
Wer sich also reaktionären Ideologien konsequent entgegenstellen will, darf die Provinz nicht abschreiben. Stattdessen braucht es dort Basisarbeit, um unsere Handlungsfähigkeit in der Fläche wiederherzustellen. Auch ist es unerlässlich, dass wir bereits bestehende Strukturen mit Ressourcen, Erfahrungen und wenn nötig Mobilisierungskraft unterstützen.
Für dieses Programm kann auch Feuerwehrpolitik ein Mittel sein, wenn wir dazu weitere strategische Überlegungen anstellen. Häufig ist sie die erste Intervention in den rassistischen Konsens und zeigt überhaupt erst eine Alternative auf. In Fällen, wo schon lokale Strukturen vorhanden sind, bieten sie Anlässe sich auszutauschen und Organisierungserfahrungen zu teilen. Und nicht zuletzt ist die Sicherheit, die eine Vernetzung mit lokalen Antifaschist*innen und Antirassist*innen mit sich bringt, auch eine Notwendigkeit, um der allgemeinen Bedrohungssituation etwas entgegenzusetzen.
Doch natürlich bietet Feuerwehrpolitik allein keine Perspektive und kann nur ein Teil der Strategie sein um wieder politisch handlungsfähiger zu werden. Vielmehr braucht es langfristige Projekte die dem Stumpfsinn entgegenwirken und konkrete solidarische Erfahrungen möglich machen. Wir haben die Hoffnung durch kontinuierliche antifaschistische Jugendarbeit den rassistischen Konsens einigen Gegenden zu brechen oder ihm zumindest etwas entgegen zu stellen. Deswegen organisieren wir gemeinsam mit anderen ostdeutschen Gruppen einen antifaschistischen Jugendkongress vom 1.-4. April 2016 im AJZ Chemnitz.
Parallel zu vielen anderen Orten entstand außerdem auch in Leipzig die Idee eines »Social Center«. Hier soll Raum für ein solidarisches Zusammenkommen von Geflüchteten, Queers, Prekarisierten und anderweitig Ausgeschlossenen entstehen, um sich gegen die Verwaltung ihres Lebens zu wehren.
Auch wenn sich die Liste der Probleme und anzupackenden Projekte weiter fortführen ließe, wollen wir zum Abschluss nochmal die wichtigsten Punkte für eine zukünftige politische Perspektive nennen:


Mehr Informationen unter :
www.plauen0105.blogsport.eu

von Antifa Klein-Paris

06.03.2016
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
Tel.: 0341-3013028, Fax: 0341-3026503
info@conne-island.de, tickets@conne-island.de