Mo Di Mi Do Fr Sa So 
00 00 00 00 00 00 01 
02 03 04 050607 08 
09 10111213 14 15 
16 17 18192021 22 
23 24 25 26 27 28 2930 31 

Aktuelle Termine

CEE IEH-ARCHIV

#222, April 2015
#221, März 2015
#220, Januar 2015
#228, November 2015
#229, Dezember 2015
#227, Oktober 2015

Aktuelles Heft

INHALT #229

Titelbild
Editorial
• das erste: Welches Recht? Wessen Stadt?
Curse »Feuerwasser 15« Tour
Bane + No Turning Back + Wolf Down + Tausend Löwen Unter Feinden + World Eater + Backtrack + Light Your Anchor + Jail
The Subways
Carnifex + Within The Ruins + Fallujah + Boris the Blade
Antilopen Gang - Aversion Tour 2015
Klub: Electric Island Loves Nachtdigital
Hot Christmas Hip Hop Jam #13
Matinée/ w Coldburn + Twin Red + Angst + Spirit Crusher
New Years Eve CONNE ISLAND DANCE
Marbert Rocel
Fraktus
Radale goes CycloCrossCup
The Black Dahlia MurderBenightedObscenity
Beach Slang
Politische Filmeecke
• doku: Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen im Diskurs um Pegida
• doku: Redebeitrag vom 24.10.2015: »Flucht & Vertreibung« – Plakat am Neuen Rathaus in Leipzig
Anzeigen
• das letzte: Das Letzte
Neue Titel im Infoladen

LINKS

Eigene Inhalte:
Facebook
Fotos (Flickr)
Tickets (TixforGigs)

Fremde Inhalte:
last.fm
Fotos (Flickr)
Videos (YouTube)
Videos (vimeo)

Folgend dokumentierter Redebeitrag wurde am 24. Oktober auf der Demo 5 Years of Anger and Sorrow – Fight Rassism anlässlich des fünften Jahrestags der Ermordung Kamal Ks. gehalten.



Redebeitrag vom 24.10.2015: »Flucht & Vertreibung« – Plakat am Neuen Rathaus in Leipzig

Seit dem 8. Oktober hängt – bisher recht unbeachtet, da auch unauffällig – ein Fotobanner an der Fassade des Neuen Rathauses, dessen Thematisierung überflüssig scheint, da es wohl eh kaum wahrgenommen wird. Und dennoch erachten wir eine Auseinandersetzung als überfällig, eine Intervention als notwendig. Beim Betrachten der beiden, nebeneinander positionierten Bilder, sind Menschen im Bildzentrum, um sie herum zerstörte Gebäude erkennbar. Die Bilder sollen somit vergleichbar werden, gar gleiches darstellen. Und doch ist genau das Gegenteil der Fall. Das linke Bild zeigt Danzig im Jahre 1945, das rechte Kobanê 2015. In einer Pressemitteilung des Leipziger Oberbürgermeisters Burkhard Jung heißt es dazu: »Die Motive aus Danzig und Kobane zeigen bedrückende Ähnlichkeit. Das Banner dokumentiert, was Flucht bedeutet: Not, Ausweglosigkeit, Heimatlosigkeit – unabhängig von Jahrhunderten und Kontinenten.« Die Stadt Leipzig wählt somit einen moralisierenden Weg, um das Herz der deutschen Rassist_innen für Geflüchtete zu erweichen. So behauptet Jung, dass »unsere… Eltern und Großeltern am eigenen Leib erfahren mussten, was es heißt, die Heimat zu verlieren. So gut wie jede deutsche Familie hat auch Fluchterfahrung.« Diesen Weg beschritten vor Jung bereits einige, so am 20. Juni, dem Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung, auch der Bundespräsident Joachim Gauck.

Was seither geschah ist bekannt: Täglich greifen Deutsche Geflüchtete und ihre Unterkünfte an, verüben Brandanschläge und Gewalttaten, mobilisieren zu Aufmärschen und versuchen alles, um Asylsuchende nicht willkommen zu heißen. Banner und Reden werden also nicht dazu beitragen, für Ursachen und Gründe von Flucht und Migration zu sensibilisieren, noch weniger werden sie Rassist_innen von ihrem Rassismus abbringen. Was das Banner am Neuen Rathaus sowie Gaucks Rede jedoch schaffen, ist eine Umdeutung von Geschichte. Danzig 1945 und Kobanê 2015 werden durch den ausschließlichen Fokus auf Flucht zu etwas Gleichem gemacht, ohne jedoch Ursachen und Gründe für die jeweilige Fluchtbewegung zu benennen. Diese emotionalisierende Gleichsetzung bringt Menschen, die wegen einer Notlage aus ihrem Herkunftsland fliehen müssen, mit einem Personenkreis in Verbindung, der zumindest vor 1945 mehrheitlich die NS-Politik begeistert unterstützte. Deutsche Zuschauer_innen, Profiteur_innen durch Arisierung und Täter/innen werden somit ihrer Verantwortung und bewussten Entscheidung, sich nicht gegen den Nationalsozialismus zu stellen, sondern ihn mitzutragen und zu befördern, enthoben. Sie werden zu Opfern gemacht, Opfern der so genannten »Flucht und Vertreibung der Deutschen«.

Im deutschen Sprachraum scheint ein Wissen um die Bezeichnung Flucht und Vertreibung zu bestehen. Der Terminus wird als Sammelbegriff für die angebliche Zwangsmigration der Deutschen im Zuge des Zweiten Weltkrieges verwendet. Gegenstand sind »die Deutschen«, die von Flucht und Vertreibung betroffen gewesen seien. Weiterhin lässt die Bezeichnung den vermeintlichen Zeitpunkt von Flucht und Vertreibung der Deutschen mit dem Vormarsch der sowjetischen Armee – und damit 1944/45 – beginnen. Jedoch bröckelt diese Erzählung, wenn der Zusammenhang zwischen NS-Bevölkerungspolitik, dem Zweiten Weltkrieg und der so genannten Vertreibung als eine ursächliche Beziehung betrachtet wird. Demnach sind die Ursachen nicht am Ende, sondern zu Beginn des Zweiten Weltkrieges sowie der Bevölkerungspolitik der Nazis zu suchen.

Jenes wird aber durch das Erzählen über die bloße Fluchterfahrung und die vermeintlichen Anstrengungen und Erfolge der Deutschen im Umgang mit so genannten Geflohenen oder Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg ausgelassen. Es ist eine Erzählung, die meint, dass eben nicht ein Großteil der deutschen Bevölkerung am Nationalsozialismus willig partizipierte, sondern eine NS-Elite den Staat führte und die Bevölkerung, die von nichts gewusst haben will, unterjochte. Das Banner ist entsprechend ein Mittel, diese Perspektive weiter zu befördern, eine Diskursverschiebung vorzunehmen.

Solchen visuellen Mitteln zur Durchsetzung der Opfer-Täter-Umkehr darf kein Raum geboten werden. Daher sollte, sofern die Unterstützung Geflüchteter seitens der Stadt ernst gemeint ist, zukünftig das Geld an Asylsuchende und nicht in Banner gehen. Und jenes sollte schnellstmöglich entfernt und sinnvoller genutzt werden: So beispielsweise als Jute-Beutel. Mögliche Einnahmen können Projekten gegen Rassismus zu Gute kommen.

Und zu guter Letzt: Die Deutschen haben letztlich die Parole »Heim ins Reich« verwirklicht, nur etwas anders als gedacht.



von "Rassismus tötet!"-Leipzig

20.jpg

15.12.2015
Conne Island, Koburger Str. 3, 04277 Leipzig
Tel.: 0341-3013028, Fax: 0341-3026503
info@conne-island.de, tickets@conne-island.de