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Aktuelles Heft

INHALT #227

Titelbild
Editorial
• das erste: Wenn Steine fliegen, Wasser geworfen wird und der Staat sich zu rechtfertigen versucht…
• inside out: 1.000 Jahre DisLikezig
20th Anniversary Of The Infamous Mobb Deep
49 m² – Kunst im Café im Monat Oktober mit Fotografien von Elisabeth Stiebritz
Agnostic Front, Old Firm Casuals, Coldside, Übergang
LIIMA (Efterklang & Tatu Rönkkö) + Islam Chipsy
KLUB: Electric Island w/ Gerd Janson, Miriam Schulte, Karete
Gewalt, Militanz und emanzipatorische Praxis - Machen die Richtigen alles falsch?
Klub: Sub.island
Perkele
Klub Sonntag
Chefket
Hell Nights Tour 2015
Schnipo Schranke
Sondaschule - "Schön Kaputt Tour"
Klub: Electric Island / Efdemin b2b Margaret Dygas AllNightLong
• position: Bericht über die Arbeit an einem Infoheft für Asylsuchende in Leipzig, bis zur Verhinderung der Auslegung der Broschüren in den Unterkünften angewiesen durch das Sozialamt.
• position: »Für immer Punk möchte ich sein...«
• review-corner event: Identitätsziel Deutschland
• review-corner buch: Mehr Lebensdienlichkeit, bitte!
• doku: Der schmale Grat der Hilfe
• doku: »Die Fronten sind klar«
Marx Expedition 2015/16: Krisen und soziale Bewegungen
Hollywood, Helden und was das mit Political Correctness zu tun hat

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Wenn Steine fliegen, Wasser geworfen wird und der Staat sich zu rechtfertigen versucht…

Die „Asylkritiker“ kokeln weiter vor sich hin und Deutschland feiert sich für das unglaubliche Engagement und die Solidarität gegenüber Geflüchteten. Toll! Endlich können alle wieder ein bisschen patriotisch sein, weil Deutschland so viel Gutes tut. Aber Moment mal, wer macht das denn eigentlich? Die Regierung mit Steuergeldern? Die NGO´s mit Spendengeldern? Nein, alles nicht. Hauptsächlich sind es Menschen ohne organisierten Bezug, die diese Hilfe leisten.

Beispiel Ernst-Grube-Halle (EGH): Der Staat (die Kommune? Anm.MU) akquirierte die Sporthalle der Uni, um sie zur Geflüchtetenunterkunft zu machen, dann setzte er die Johanniter als Betreiber ein. Diese bekommen die Mittel für das Nötigste: Essen, Trinken, Unterbringung. Alles andere ist Luxus, was von außen kommen muss, also „bürgerliches Engagement“. In der Grube-Halle wurde vor allem der Student_Innenrat aktiv und veranlasste ein großes Treffen im Audimax, dem Hauptvorlesungssaal der Universität. Als Resultat gingen daraus Arbeitskreise hervor, die den Geflüchteten unter anderem auch Freizeitaktivitäten anbieten. Privat ist in diesen Kreisen auch viel Engagement vorhanden, wenn es zum Beispiel um das Sortieren von Kleiderspenden in den Räumen der Johanniter oder den einfachen persönlichen Kontakt mit den Menschen vor Ort geht, die sonst niemand fragt wie es ihnen geht, nicht mal die Medien, die doch sonst jeden Notstand als gefundenes Fressen sofort in ein Spektakel verwandeln.

Aber das ist eines der schönsten Beispiele, denn obwohl die Menschen in der EGH immer nur kurz bleiben, gibt es dennoch oft ein positives Feedback an die Menschen, die so viel Kraft und Zeit in dieses ehrenamtliche Engagement stecken. Doch wie gesagt, eher Ausnahme als Regel, denn während es in Leipzig durchaus eine gewisse Solidarität gibt, sind die meisten Orte mit Aufnahmeeinrichtungen eher zwiegespalten oder mehr so feindlich bis tödlich.

Worum es geht? Richtig, Heidenau und Freital. Wer keine Zeit hatte, die „Perlen aus Freital“ zu lesen oder sich direkt bei Freitaler Bürgerinitiativen wie „Freital wehrt sich. Nein zum Hotelheim!“ zu informieren und sogar Ka-, Kö-, Le- und Pegida verschlafen hat, der wird spätestens seit Heidenau wohl nicht mehr am rechtsradikal randalierenden Mob vorbeikommen. Die „besorgten Bürger“ in einer Reihe mit den „Islamkritikern“, „Asylkritikern“ und der „schweigenden Mehrheit“. Das einzige was nicht verschwiegen wird, sind die Hassparolen; dafür aber das Vorgehen der Polizei oder halt das Nichtstun, was wohl im Auge des Betrachters liegt.

Am Freitag, den 21. August jedenfalls fliegen das erste Mal Steine, Böller und Flaschen. Mindestens 31 PolizeibeamtInnen werden verletzt. Die Polizei gibt sich unvorbereitet, trotz der NDP-Demonstrationen, die schon zwei Tage vorher in regem Betrieb waren. Am Samstag dann formiert sich ein Gegenprotest mit Menschen zunächst aus Sachsen, die aber mit dem letzten Zug abreisen müssen, um sich selbst zu schützen. Um 23 Uhr eskaliert die Gewalt ein weiteres Mal von rechts gegen Polizei und Geflüchtete. Am Sonntag dann kommt aus mehreren Bundesländern viel Unterstützung und eine große Menge stellt sich dem rassistischen Mob entgegen. Etwas ist faszinierend: Es ist der erste Tag, an dem die Polizei einen Wasserwerfer vor Ort hatte, welcher ausschließlich nach „links“ zeigte. Die Polizei hatte am ersten Tag der Ausschreitungen viele Verletzte, also wieso wurde nicht bereits sofort ein Wasserwerfer hinzugezogen? Der Wasserwerfer der Bereitschaftspolizei Sachsen „SN1“, von dessen alter Version es sogar einen Modellbausatz gibt, hätte in etwas mehr als einer Stunde vor Ort sein können. Selbst wenn dieser im Einsatz gewesen wäre und die Polizei einen aus München hätte beschaffen müssen, dann wäre dieser noch am nächsten Tag vor Ort gewesen. Aber hier sollen keine Thesen aufgestellt werden. Ähnliches nur auf der Legida-Demonstration am 14. Oktober. Trotzdem die Gewalt von rechts eskalierte und es auf den Gegendemonstrationen lediglich zu Sitzblockaden kam - sehr erfolgreichen wohlgemerkt - kam es zum Wasserwerfereinsatz nur gegen eben diese, aber nicht gegen gewaltbereite Rechte.

Kritik am Feindbild und der Vorgehensweise der Polizei hin oder her, letztendlich ist das Resümee, dass sich noch nicht wirklich ziehen lässt, doch ein sehr ernüchterndes. Denn während Heidenau jetzt im Duden als Synonym für Fremdenhass gelistet und Deutschland auf einmal völlig pro-Asyl ist, wird völlig vergessen worum es eigentlich geht oder vielmehr um was es eigentlich gehen sollte: Die Geflüchteten selbst. Während die Medien zwischen PolizeisprecherInnen und PolitikvertreterInnen avancierten, vergaßen die meisten wohl zu fragen, wie es den Menschen damit ging, die in dem Baumarkt saßen. Wie sich ein Mensch fühlt, der aus seinem Zuhause vertrieben wurde, weil das eigene Leben oder das derjenigen die man liebt bedroht ist, und der dann wieder in eine ähnliche Situation kommt, ist einfach nicht vorstellbar.

Eines der glamouröseren Beispiele ist da die Sporthalle der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK), in der zeitweise 60 Geflüchtete untergebracht waren. Diese sollte umziehen und zwar zum Teil nach Heidenau. Die Geflüchteten wurden darüber nicht informiert und die Landesdirektion Sachsens ließ die Halle für alle Außenstehenden sperren. Glücklicherweise formierte sich dank schneller Koordination ein starker Widerstand gegen diese Aktion und die Geflüchteten konnten vorerst bleiben Allerdings machte die Landesdirektion einen sehr seltsamen Deal: Die Geflüchteten dürften bleiben, sofern sie dies wollten - allerdings auch nur, insofern die Protestbewegung sich um diese in Form von Verpflegung und Ähnlichem kümmern würde. Ein ebenso fragwürdiges Angebot wie die Tatsache, dass die Geflüchteten nichts von eben jenem Angebot wussten - auch wenn es immerhin so positiv ausging, dass keiner von ihnen aus der HTWK-Halle nach Heidenau musste. Kurzum gesagt sind wir also so tief gesunken, dass mittlerweile innerdeutsche Abschiebungen verhindert werden müssen und die nächste Asylrechtsverschärfung schon in den Startlöchern steht.

Während also die meiste Energie darauf verwendet wird, um Erstaufnahmen zu kämpfen, bleiben viele Probleme einfach wie sie sind: Vermeintlich sichere Herkunftsländer, in denen Menschen um ihr Leben fürchten müssen, völlig unberechtigte Abschiebungen und was einem eben sonst noch so einfällt.

Das vorläufige Fazit ist also, dass auch wenn Deutschland sich auf einmal weltoffen gibt, sich eigentlich nichts geändert hat. Es ist zum Teil sogar schlimmer geworden. Es hilft also nichts, außer wütend die Zähne zusammenzubeißen und weiterzumachen.


Max Mustermann

24.05.2016
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