• Titelbild
• Editorial
• das erste: Trainieren für’s Kapital
• Klub Sonntag × Electric Island
• We Skate Le - AfterShowParty
• Modern Life Is War
• Junius
• Podiumsgespräch & Konzert: There is no alternative?
• Deejays on the LOW
• Skeletonwitch
• Volxsturm
• Comeback Kid, Bane
• Make Do And Mend
• Alcoa
• inside out: Ain’t no business like show business
• position: Keine Unterstützung für die antisemitische Propaganda des AK Nahost!
• doku: Reflexive Moderne und das Elend der Welt – Ulrich Beck und die Haltbarkeit von Zeitdiagnosen
• doku: Frauenrechte à la Uno
• Anzeigen
• leserInnenbrief: Hilfssoldat im Urlaub?
• das letzte: Worum sollte es am 18. März gehen?
Keine Abrechnung – Modern Life Is War im Conne Island
Vielleicht geht es ja noch irgendwem so: Ungefähr 2006 oder 2007 spielten Modern Life is War im Jugendzentrum Riot in Lichtenstein. Die Band gehörte einer damals neuen Generation dunkler, introvertierter und dennoch energetischer Hardcore/Punkbands an, die angesichts des damals grassierenden Metalcore-Stumpfsinns unheimlich befreiend wirkte. Zu einem dunklen, unmetallischem Sound formulierte die Band Zeilen wie: »How far can I go?/ I’m rising from the depths of my own hell / I don’t need another tragic tale / I need the strenght to walk the other way«. 10 Jahre später, nach Popantifa, Bahamas, Universität und Techno, stellt sich angesichts solcher Zeilen statt Befreiung ein merkwürdiges Gefühl der Fremdscham ein.
Altern und Punk, als Wechselspiel zwischen Festhalten an und Verrat von Idealen, Stagnation und Weiterentwicklung, aber auch als Thematisierung des Verfalls von Szene und Lifestyle selbst, gehört seit jeher zu den zentralen Themen der Subkultur. Bereits 1982 drückten Minor Threat dies nach dem Ende der Salad Days der ersten Hardcorewelle so aus: »Wishing for the days / When I first wore this suit / Baby has grown older / It’s no longer cute«. Martin Büsser rechnete 1992 im ZAP-Fanzine mit Punk, seiner Selbstreferenzialität und seinen uneingelösten Versprechen ab, wünschte »Hardcore ade«, weil es ihm erschien als »Abklatsch der allgemeinen gesellschaftlichen Verstummung«, von einer »geschäftlichen Coolheit« geprägte »Spielwiese von Bürgerkindern, die sich mit Schlamm beschmieren, um gegen die Schminke zu protestieren«.
Gesucht haben Modern Life Is War einen anderen Weg durchaus; ebenso wie die Auseinandersetzung mit Widersprüchlichkeit dieses Anspruchs. Punk erschien einerseits als Vehikel zum Ausbrechen aus der Enge provinzieller Beklemmung – mithin als Versprechen, ausgedrückt in der Forderung: »Save me from ordinary / Save me from myself« –, gipfelte andererseits jedoch allzu oft in Erschöpfung und Selbstaufgabe. Gleichzeitig jedoch blieb ein musikalisches Ausbrechen aus nunmehr selbst auferlegten Beschränkungen aus. Die Auflösung 2008 war insofern nur konsequent und für Hardcore typisch – ebenso wie die Reunion 2012 unter völlig unveränderten Vorzeichen. Einen anderen Weg wirklich zu gehen war die Band also kaum im Stande – was freilich ebenso für Punk an sich, als auch das Aufgehen in oben skizziertem linksradikalen Lifestyle gilt.
Merkwürdig ist allerdings: Konfrontiert mit gesellschaftlichen Hässlichkeiten wie der KDU-Grenze oder dem Vegetieren in sinnlosen Jobs (um nur zwei zu nennen), stellt sich der Wunsch nach einem anderen Weg mehr denn je ein. Distanzierung und Abrechnung erscheinen angesichts dieser Gleichzeitigkeit biographischer Entwicklung und wachsender Identifikation mit Themen einer stagnierenden Subkultur als völlig unsinnig. Sie sind umso mehr fehl am Platz, wenn es Künstler gibt wie MLIW, denen es – trotz mancher Beschränktheit - eben nicht um szenige Coolness, das Abfeiern des eigenen Lifestyles und das Kokettieren mit Dreck geht, sondern im Kern die Behauptung des Ich in einer von Verzweiflung und Langeweile geprägten Welt. Mit und in Punk altern heißt so gesehen, an seinem Versprechen festhalten, ohne Überaffirmation und Selbstbeweihräucherung, aber auch die Bewahrung der eigenen Kritikfähigkeit, ohne ironische Distanzierung und Belustigung. Womöglich liefern MLIW nach über zehnjähriger Bandgeschichte selbst dazu ein paar Anhaltspunkte; zumindest ist aber ein Abend voller (hoffentlich) ungezügelter Energie, für die Hardcore glücklicherweise nach wie vor steht, zu erwarten.
[Christopher Sprelzner]