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Hedonismus

Der Kampf um Befreiung macht Spaß.

Hedonismus, der, eine Einstellung, die das private Glück der körperlichen und geistigen Lusterfüllung als höchstes Ziel ansieht.“ (Lexikon der Allgemeinbildung)


Die linksradikale Subkultur sei der „Referent der hedonistischen Linken“, steht in der Zeitschrift „links“ zu lesen. Wobei, stimmt man dieser Behauptung zu, eine linksradikale Subkultur erstmal nachzuweisen wäre. Dabei kommt man unwiderruflich auf die Attraktivität des autonomen Lebensstils als Quelle einer Politik mit hedonistischen Grundfesten. Jene Ausgangsbasis läßt sich aber genauso als Gegenkultur begreifen, die politisch konträr zur herrschenden bürgerlichen Kultur firmiert. Die Akzentuierung, d.h. die jeweilige Betonung läßt dann erst begreifen, ob es vorrangig um die Bestimmung eines sozialen Ortes oder einer politischen Position geht. So läßt sich auch die Frage beantworten, ob eine Party wirklich politisch sein kann und welche Rolle der Spaß dabei hat.

Unbestimmbare Individualisierung, 3.5k
„Unbestimmbare Individualisierung“

Die Popkultur als „Ort von Befreiungskämpfen“ zu retten, hat sich, wie in der Oktoberausgabe zu lesen, die SPEX zum Ziel gesetzt. Fokussiert in der Bejahung der political correctness als „molekulare Revolution, von der die popkulturellen Subversionisten immer träumten“ (in „links“ 11/12 95).
Als Grundlage dafür bedurfte es anfang der neunziger einer Rekulturalisierung innerhalb autonomer oder dort entstandener Räume. Im Gegensatz zur undogmatischen Linken verfügten die Autonomen nämlich über genau jene Infrastruktur, die aus ihrer Symbiose aus Lebensstil und Politik heraus erobert wurde. Aus der Selbstgenügsamkeit des autonomen Ansatzes erwuchs die Kritik, die die Kategorie Spaß ins Spiel brachte. An dieser scheiden sich bis heute die Geister, weil sie als Einfallstor einer schwammig bestimmten Ausprägung des hedonistischen Individuums zu verstehen ist.

Spaß als ‘haltbarer Widerstand’, 4.5k
„Spaß als ‘haltbarer Widerstand’“

Der Grund für die Unbestimmbarkeit einer Individualisierung, die „Sinnesfreude und Genuß als Lebensprinzip“ (Trampert/Ebermann) meint, liegt in der konstatierten Distanz zwischen denen, die im Kapitalismus im „Sektor“ (G. Jacob) der Produktion sozialisiert sind und jenen, die im Konsum verortbar sind.
In der aktuellen Debatte um Hedonismus und Individualisierung, entfacht durch Günter Jacobs schon 1986 veröffentlichte Untersuchung „Kapitalismus und Lebenswelt. Theorie des bürgerlichen Individuums bei Marx“ und der Entgegnung Trampert/ Ebermanns in „Die Offenbarung der Propheten. Über die Sanierung des Kapitalismus, die Verwandlung linker Theorie in Esoterik, Bockgesänge und Zivilgesellschaft.“ stehen sich die Positionen wie folgt gegenüber.
Jacobs Leitgedanke, „Produktion und Konsum seien im Kapitalismus zwei im wesentlichen voneinander getrennte Sektoren, die zwei verschiedene Menschen schaffen würden“ steht gegen die These Trampert/ Ebermanns, daß die „vermeintliche freie Zeit umfassend vom Kapitalverhältnis in Beschlag genommen“ sei.

Symbiose aus Lebensstil und Politik, 4.3k
„Symbiose aus Lebensstil und Politik“

In der „jungen Welt“ wirft Jacob Trampert/Ebermann vor, als genau jene Repräsentanten seiner These, „wie (sie) in den „Modernes Leben“-Rubriken der Wochenzeitschriften entworfen (werden) - Freie Autoren mit Single Haushalt im urbanen Raum etc. - dennoch die empirische Existenz solcher Individuen (zu) bestreiten, statt zu fragen, was der Kapitalismus mit dieser Figur zu tun hat.“
In der Endkonsequenz, so die Zeitschrift „Bahamas“ (Nr. 19), „schimmert manchmal durch“, daß Jacobs These „ein neues Zentrum der Gesellschaft begründe“, auf das die immer weiter fortschreitende Individualisierung im Kapitalismus systemverändernd hinausliefe. Sein Anliegen: „Die Subkulturellen sollen Marx studieren, die Marxisten sich endlich den modernen Erscheinugen des hedonistischen Lebens öffnen, damit sich gemeinsame Perspektiven ergeben können“ („Bahamas“ Nr. 19). Dabei schwebt Jacob „haltbarer Widerstand“ vor, dessen Bestand gegenüber der universellen Kategorie Spaß erst zu belegen ist.

Produktion und Konsum: Getrennte Sektoren, 4.1k
„Produktion und Konsum: Getrennte Sektoren“

Wer keinen Spaß hat, muß auf seinen sozialen Wert verzichten und beansprucht keine einschlägige Macht. Gerade der politische Widerstand hat sich durch die Abwesenheit von Spaß selbst isoliert. Als Ware der Medienindustrie ist ihm ästhetisch nur unter argen Verlusten beizukommen, wenn man die subversiven Möglichkeiten aus diesen Umständen herausfiltern will. Vielmehr kann man diesen Fakt nicht davon trennen, das Wirken von Bedeutungen zu kalkulieren. Jedoch nicht weil die Wirkung ein Opfer der Medienindustrie ist, sondern weil die Wechselwirkung zwischen hedonistischen Individuen und der Medienindustrie eben auf Gegenseitigkeit beruht. Die Kalkulierbarkeit bedingt ebenfalls einen permanenten Streit über den Spaß, weil es ihm eigen ist, jegliche Probleme auszublenden. Das Verfügen über seine Einbettung ist die Voraussetzung für seine Entfaltung. Also wieder mal die Kontextfrage, deren Beantwortung das Spaßverderben als Stigma verhindern muß, da genau jene, die einmal darauf festgelegt wurden, die notorischen Spaßbremsen zu sein, leichter kaum zu diffamieren sind, als darüber, eigentlich nur einem psychischen Defekt zu unterliegen.
Auf dem Feld des Politischen kann nur über den Spaß - unter o.g. Berücksichtigung - Raum für eine Kritik der Verhältnisse entstehen. Und wo sollte eine solche schon machbar sein, wenn nicht dort.

Ralf

Die Marxisten sollen sich den modernen Erscheinungen des hedonistischen Lebens öffnen, 5.1k
„Die Marxisten sollen sich den modernen Erscheinungen des hedonistischen Lebens öffnen.“


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last modified: 28.3.2007