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Aktuelles Heft

INHALT #210

Titelbild
Editorial
• das erste: Nicht ohne Verluste
Skindred + special guests
Lesung aus „Gedenken abschaffen!“ zum Diskurs um den 13. Februar
Defeater, Caspian, Landscapes, Goodtime Boys
Kylesa, Sierra, Jagged Vision
Ja, Panik
No Bragging Rights, Light Your Anchor, To The Wind
Klub: Electric island. DJs: Kim Brown, Falke, Elin
Caféshow: Die Nerven + Support
Filmriss Filmquiz
The Ocean, Der Weg einer Freiheit
Benefizdisco
Ugly Heroes (Apollo Brown, Verbal Kent, Red Pill)
Dritte Wahl, Diva­ kollektiv, Auf Bewährung
FAQ: Conne Island
• inside out: Zur Auseinandersetzung mit der Band „Thy Art Is Murder“
• interview: ...mit der Band „Thy Art Is Murder“
• position: Über die Arbeit in Sexarbeit
• doku: German Abstiegsangst.
• doku: Die alternativlose Universität
• doku: Lampedusa – über die öffentliche Diskussion zur europäischen Flüchtlingspolitik
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• das letzte: Faschismus!!!

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Ja, Panik

Als ich mich vor ein paar Jahren mit einem Freund im Fluc am Wiener Praterstern auf ein Bier traf, sagte dieser Freund zu mir, er hätte immer noch Zeit. Er sei erst 22 und Tocotronic seien auch erst mit 23 Jahren berühmt geworden. Jetzt ist er 24, wir haben uns aus den Augen verloren, er hat es immer noch nicht geschafft. Aber Ja, Panik, die haben es geschafft.
Die Gruppe, nun um zwei Mitglieder ärmer, geschrumpft von fünf auf drei, veröffentlicht Ende Januar ihr nunmehr fünftes Album „Libertatia“. Es scheint bei Ja, Panik zu einer Art Tradition geworden zu sein, dem Album ein Manifest voran zu stellen. Dem dritten Album „The Angst And The Money“, ihr meiner Meinung nach bestes Album, weil noch nicht so verkopft, stellten sie bereits eins voran. Ein Manifest war bei dem letzten Album unnötig und bereits im Titel enthalten: „DMD KIU LIDT: Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit.“ Nach diesem mit hoch erhobenem Finger zeigendem Album wusste ich: es ist zu spät. Ja, wir haben es verstanden: ihr seid kapitalismuskritisch. Das findet sich auch im neuen Manifest wieder: „Libertatia“, eine Utopie, ein Nicht-Ort, Europa. Es geht wieder um Liebe, Kapitalismus, aber die politische Richtung wird nicht immer gehalten, der Rückzug ins Private propagiert: „In gewissen Momenten in der Kunst des Krieges sind Orte und Freunde strategischer als Waffen und Schilder. LIBERTATIA ist dieser Moment.“ Ja, Panik wollen Diskurspop und nicht (nur) auf Deutsch singen. Sie sind intertextuell und selbstreferentiell. Kinder, Selbstironie ist eine Tugend, die nicht unterschätzt werden sollte. Die Musik bleibt nicht auf der Strecke, aber scheinbar kann Inhalt nur durch ein Manifest und nicht den Pop selbst vermittelt werden. Es braucht mehr politische Bands, gerade im deutschsprachigen Raum, keine Frage, aber bitte nehmt euch nicht so ernst. Es ist nicht ultra subversiv, wenn ihr zu dritt nackt in der Badewanne liegt. Das ist nur billig und schraubt die Produktionskosten herunter. Zugegeben – die erste Single vom neuen Album ist ein Pophit. Das letzte Album, und das sagt ein ehemaliger Ja, Panik-Fan, konnte ich kein einziges Mal ganz anhören. Der Song „Libertatia“ springt auf die Synthieachtizigerwelle auf. Goodbye Bob Dylan, goodbye Velvet Underground, was auf dem letzten Album noch Programm war.
Zum neuen Album gehen Ja, Panik auf Tour und versuchen auch die Anknüpfung an die politische Szene, spielten sie Anfang des Jahres auf der antinationalen Neujahrsfeier der TOP Berlin. Nichtsdestotrotz: Alles hin, hin, hin.

[Alex Superbrain]

Es ist der Mangel der Gegenwart, die schäbige gesellschaftliche Wirklichkeit, die das Begehren nach dem ganz Anderen motiviert. Es ist die Utopie als die bestimmte Negation des schlechten Bestehenden, die Hoffnung auf einen wahrhaft menschlichen Zustand, in dem die Menschen ohne unwürdige Schmerzen leben können. Eben jene Utopie ist das zentrale Thema des neuen Albums von „Ja, Panik“ („Libertatia“). Radio Corax sprach mit dem Sänger der Band, Andreas Spechtl.

Corax: Zur Utopie gehört die Erkenntnis, dass das Streben nach Glück nie von Erfolg gekrönt war: Das Unglück hat zu siegen nicht aufgehört. Was ist die Idee hinter eurer Platte?

Spechtl: Auf dem Album wurde sich tatsächlich viel mit dem Utopiegedanken beschäftigt. Wir wollten uns in ein absolutes Außen denken, was auf keinen Fall im hier und jetzt funktionieren kann. Zu sagen: Ich verneine das hier und jetzt und ich sage auch nicht, dass irgendetwas verbessert werden kann, sondern: ich denke mich in diesen Nicht-Ort. Dieser Wunsch und das Begehren sich dahin zu denken, war das entscheidende auf der Platte. Viel weniger etwas auszuformulieren – inklusive Regelwerk. Den Utopien, die man kennt, angefangen mit der Namensgebenden [von Thomas Morus], liegt ja ein wahnsinniges Regelwerk zugrunde, wo sich – zumeist – ein Mann die beste aller Welten für den Rest der Menschheit ausgedacht hat. Etwas totalitäres, wo ich sage: aufgepasst. Uns ging es eher darum an etwas zu erinnern, was verlustig gegangen ist, wofür wir aber plädieren. Das „Libertatia“ als Aufruf, traut euch doch wieder Utopien zu!

Corax: Die Fähigkeit sich vorzustellen, dass es völlig anders sein könnte, ist weitgehend verschwunden. Ihr erinnert an die Unmöglichkeit, die Utopie positiv zu formulieren und in allen Einzelheiten zu planen, sich – wie das häufig heißt – von der Utopie ein Bild zu machen. Wie habt ihr versucht dies musikalisch umzusetzen?

Spechtl: In gewisser Weise ist das ja ein optimistischer Gedanke und ich würde sagen, dass man das der Platte auch anhört. Gerade für „Ja, Panik“ Verhältnisse fast gut gelaunt, mit sehr viel Schaffensfreude.

Corax: Dafür – könnte man meinen – ist die Kritik am Bestehenden, die Infragestellung, zurückgetreten.

Spechtl: Ich würde nicht sagen, dass sich das ausschließt. Dieses zwanghaft nörglerische, dieses „es ist nicht gut“, ist einem Vorschlag gewichen. Es ist die Herangehensweise, die nicht nur kritisieren will, was Kritik aber nicht ausschließt. So wie es hier ist, passt uns wahnsinnig viel nicht, wir wollen aber mehr, als nur mit dem Finger drauf zeigen.

Corax: Die Spex bezeichnete euer vorletztes Album, als das wichtigste seit den frühen Blumfeld. Auch das darauf folgende DMDKIULIDT (Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit) wurde durchgehend positiv aufgenommen. Nun erscheint das optimistischere „Libertatia“. Vor dem Entstehen gab es Hinweise auf Veränderungen innerhalb der Band. Kannst du ein paar Worte zur Entstehung sagen?

Specht: Für uns war nach der letzten Platte ein wichtiger Punkt, weil zwei Mitglieder ausgestiegen sind, die von Anfang an dabei waren. Einschneidend, weil die Übriggebliebenen sich auch gefragt haben, wie und ob wir überhaupt weitermachen. Dann wurde länger ausprobiert, wo klar wurde, dass wir die Beiden nicht einfach ersetzen wollen und die Platte zu dritt machen, weshalb sich musikalisch auch einiges verändert hat. Die Platte musste anders produziert werden. Mittlerweile gibt es zwei neue Menschen, die jetzt live dabei sein werden. Die nächste Platte werden wir vielleicht wieder zu fünft machen.

Corax: Libertatia wurde produziert von Tobias Levin und beginnt mit der Zeile: „ich wünsch mich dahin zurück, wo‘s nach vorne geht ich hab auf back to the future die Uhr gedreht.“
Das trifft auf eine Linke, die sich am liebsten der Erinnerungslosigkeit preisgeben will und nicht an die Utopien, Träume, Irrtümer, Narben wie Verbrechen der Emanzipationsbewegung erinnern möchte. Was hat dich motiviert diesen Text zu schreiben?

Spechtl: Es geht darum sich an eine Zeit zu erinnern, wo gewisse Dinge noch möglich waren. Der Sänger hat das Gefühl, das jetzt einiges verbaut ist, was nicht rückwärtsgewand wirken soll, sondern das Gefühl, dass man in gewissen Dingen schon einmal weiter war. Es ist gleichzeitig eine Art Befreiungsschlag: Sich von Dingen zu lösen, die blockieren und zurückhalten. Das kann man persönlich begreifen, aber auch auf den Bandkontext anwenden, wo gewisse Strukturen nicht mehr funktioniert haben. Letztlich ist es ein interessanter Satz die Platte zu beginnen, weil er Geschichtsbewusstsein transportiert und gleichzeitig nach vorne schaut.

Corax: Ebenfalls im ersten Song der neuen Platte findet sich die Zeile „auf dass man eines nicht vergisst: dieses Land hier ist es nicht“ – kennt man von Ton Steine Scherben und verweist auf ein Kennzeichen eurer Band: Es gibt immer wieder Verweise, es wird zitiert. Was sind Einflüsse beim aktuellen Album, die nicht zu leugnen sind?

Spechtl: Wir haben uns musikalisch sehr viel mit 70/80er Jahre Disko und Soulmusic beschäftigt – viel, und daran hat Tobias Levin großen Einfluss gehabt, mit Groove und Rhythmus, um in den „Ja Panik“ Kosmos eine Tanzbarkeit zu bringen. Bisher waren wir eher so Songwriter-mäßig, manchmal noisig unterwegs. Waren wir früher bei „The Jam“, sind wir jetzt bei „The Style Council“. Bei „The Clash“ haben wir nicht mehr „London Calling“, sondern „Sandinista!“ gehört, wo sie sich mit Dub und Reggae auseinandergesetzt haben. Gerade das hymnische hat uns interessiert, was auf einer Tanzfläche funktionieren kann ohne eine gewisse Haltung auszuklammern, ohne eine Verflachung zuzulassen.

Corax: Eure Texte benennen, dass die Zustände, in denen man sich bewegt, keine menschenwürdigen sind. Nun befindest du dich gerade mitten in der Interviewphase für die neue Platte, die erste Tour mit Libertatia steht an. [...]

Spechtl: Ich bin ganz guter Dinge, freue mich auf die Tour und habe auch das Gefühl, dass die Platte ganz gut so verstanden wird, wie wir es gemeint haben. Ich habe jetzt bei den Interviews nicht das Gefühl, dass ich Sachen berichtigen muss. Das war bei der letzten häufig so, ich musste viel erklären, es gab viele Missverständnisse und daher bin ich froh, dass jetzt scheinbar nicht allzu viel Erklärungsbedarf besteht. Für mich spricht das für die Platte.

[Liza Grünbaum]

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03.02.2014
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