• Titelbild
• Editorial
• das erste: Nicht ohne Verluste
• Skindred + special guests
• Lesung aus „Gedenken abschaffen!“ zum Diskurs um den 13. Februar
• Defeater, Caspian, Landscapes, Goodtime Boys
• Kylesa, Sierra, Jagged Vision
• Ja, Panik
• No Bragging Rights, Light Your Anchor, To The Wind
• Klub: Electric island. DJs: Kim Brown, Falke, Elin
• Caféshow: Die Nerven + Support
• Filmriss Filmquiz
• The Ocean, Der Weg einer Freiheit
• Benefizdisco
• Ugly Heroes (Apollo Brown, Verbal Kent, Red Pill)
• Dritte Wahl, Diva kollektiv, Auf Bewährung
• FAQ: Conne Island
• inside out: Zur Auseinandersetzung mit der Band „Thy Art Is Murder“
• interview: ...mit der Band „Thy Art Is Murder“
• position: Über die Arbeit in Sexarbeit
• doku: German Abstiegsangst.
• doku: Die alternativlose Universität
• doku: Lampedusa – über die öffentliche Diskussion zur europäischen Flüchtlingspolitik
• Anzeigen
• das letzte: Faschismus!!!
Wer das Conne Island kennt, weiß, dass es sich gern eines Bildungsauftrags annimmt, um den niemand gebeten hat. Das liegt nicht daran, dass wir nichts Besseres zu tun hätten. Vielmehr sind wir trotz allem Pessimismus gegenüber dem subversiven Potential von Subkulturen immer noch davon überzeugt, dass Diskriminierungen jedweder Art nirgendwo „eben dazu gehören“ müssen und sich Subkulturen und einzelne Bands verändern können – so wie hoffentlich die Deathcore-Band Thy Art is Murder. An deren Beispiel wollen und müssen wir beginnen, einen längst überfälligen Umgang mit der Death Metal-/Deathcore-Szene zu finden.
Seit Bestehen des Conne Island soll unser Kulturprogramm in erster Linie die am Laden vertretenen Subkulturen widerspiegeln. Da es momentan jedoch keine deutlich als solche zu identifizierende Deathcore/Death Metal-SupporterInnen am Laden gibt, kann bereits im Voraus angemerkt werden, dass unserem Interesse in der Sache Grenzen gesetzt sind. Genres, die sich immer wieder durch grenzwertige Inhalte hervortun und noch dazu wenig Rückhalt von den MacherInnen des Ladens bekommen, haben einen schweren Stand. Beispielhaft hierfür ist die Entwicklung von Reggae oder anderen Stilen, die im Conne Island nur für wenige Jahre ihren Platz hatten.
Thy Art is Murder unterscheiden sich in einem Punkt nicht großartig von anderen Bands des Genres: Die Texte sind beim Zuhören kaum verständlich, beim Lesen jedoch offenbaren sich äußerst bildhafte Inhalte. Was den Skinheads die Bierflasche und den IndierockerInnen der Weltschmerz, das ist dem Deathcore-Fan die blutige Eskalation mit der Kettensäge. Im Fall von Thy Art is Murder hasste und zerhackstückte man auf der EP Infinite Death aus dem Jahr 2008 mit Vorliebe Frauen:
„[...]
I fuck your daughters
Hack them up
Kill them one by one
The taste of pure slut is all that keeps me here
Lock up your doors
Lock up the sluts
Lock up their cunts
[...]“
(-Infinite Death)
„[...]
Die you fucking whores
You putrid waste of space
Stop breeding fucking rats
You bitches gonna get it
[...]“
(Whore to a Chainsaw)
Eben diese brutalen, frauenverachtenden Texte waren für uns der Grund, die Band näher unter die Lupe zu nehmen. Dazu muss ehrlicherweise erwähnt werden, dass die Band bereits 2012 im Rahmen eines Deathcore-Packages unseren Saal bespielt hat – damals allerdings als die erste von drei Vorbands. Wäre die Band im Januar nicht als Headliner gebucht, wären die betreffenden Lyrics höchstwahrscheinlich erneut unentdeckt geblieben. Solch ein Fehler unterläuft, wenn man sich – wie das Conne Island – zu viel auftischt und es an szenekundigen SupporterInnen mangelt. Eine sensible Auseinandersetzung mit den Texten kann dann kaum noch stattfinden, der eigene Anspruch bleibt unerfüllt. Darum sind auch für die Zukunft weiterhin interessierte Leute angehalten, sich an Diskussionen des Conne Islands zu beteiligen und das Programm des Ladens kritisch zu begleiten.
Wie es im Conne Island üblich ist, wurde die Show dennoch nicht einfach abgesagt, sondern die Band zunächst zur Rede gestellt. Wir fragten explizit, wie sie sich zu den sexistischen Splatter-Szenarien der EP „Infinite Death“ heute verhält (der damalige Sänger der Band wurde nach Veröffentlichung der EP entlassen), forderten eine Distanzierung von den Inhalten und wollten wissen, ob die Songs heute noch gespielt werden. Was folgte, war eine lieblose zweizeilige Reaktion des Managements, die uns nicht zufrieden stellte. So schien es, als hätten jene Leute kein Interesse am Umgang mit unserer Kritik, da überhaupt keine Distanzierung von den Inhalten der EP oder zumindest eine Anerkennung der sexistischen Dimension der Texte stattfand. Mit dem Verweis, dass wir unter den gegebenen Umständen die Show am 17. Januar absagen würden, räumten wir der Band eine weitere Möglichkeit ein und forderten sie erneut auf, sich zu unserer Kritik zu äußern. Daraufhin schien der Band ihr Ruf und die Show im Conne Island doch etwas mehr als das übliche Schulterzucken wert zu sein. Folgendes Statement erhielten wir infolge unserer Absage:
„Hi guys
I think we had a misunderstanding with our last letter and I’d like to clear it up if I may.
The guy who wrote the lyrics for Infinite Death, Brendan, left the band in 2008 and the guy who wrote the Adversary lyrics, Gary, was fired for stealing in 2010. We were very young when we did those and its definitely not a message that we as adults support in any way now, nearly 6 years later. It wasn’t even something we believed then, it was shock value lyrics from a teenager trying to be scary. Its part of the band’s history now, regrettable as it may be. We only play one song from the original EP now (none from the adversary) and that only occasionally happens when we are begged to by kids at the show in countries we have never been to, its not part of the normal set as the last album, Hate, whose lyrical topics are about the evils of many facets of modern society (religion, government, destruction of the environment, decaying education standards, financial institutions) are what’s important to us as adults and what we want to talk about with our lyrics. Hopefully you guys understand that that stuff is far in the past for us and not what this band is about at all. We love the venue and hope to be able to play there soon.
Thank you
Sean“
Auch diese Antwort entspricht nicht vollständig dem, was wir uns im Idealfall gewünscht hätten und birgt einige Fallstricke. Zum einen wird unserer Ansicht nach nicht direkt auf unsere Kritik an den frauenfeindlichen Inhalten eingegangen. Zum anderen lässt sich anhand von Setlisten vergangener Konzerte nachweisen, dass der „Only one song from the original“-EP-Hinweis nicht stimmt. Trotz dieser Lüge und dem dünnen Verweis auf Fehler in der Jugend wollen wir den Konflikt um Thy Art is Murder als Anlass sehen, uns mit dem Genre und deren Fans auseinanderzusetzen. Wir wollen mit der Band arbeiten, um darüber auch den Fans vermitteln zu können, warum Sexismus und anderer menschenverachtender Bullshit auch in einer toughen, von martialischem Gepose geprägten Szene wie dem Deathcore oder Death Metal nichts zu suchen haben!
Bis hierhin hat das Conne Island Probleme dieser Art in der Szene aus Mangel an Interesse und Zugang sehr lange ignoriert. Darum und weil wir denken, dass ein kategorischer Ausschluss für die Zukunft nichts bringt, wird es am Tag der Show ein klärendes Interview mit Thy Art is Murder geben, welches im Februar-CEE IEH zu lesen sein wird. Für die Zukunft gilt, dass auch andere Bands dieser Szene stärker in die Rechenschaftspflicht genommen werden.
Conne Island Plenum 2013