• Titelbild
• Editorial
• das erste: „Wir hatten sehr oft Recht und zeigten das auch gern nach außen“
• Electric Weekender
• 20 Jahre Little Sista Skatecup
• C L O S E R
• Sub.island presents Killawatt (Osiris Music, UK)
• Friska Viljor
• Electric Island: DJ Koze
• Welcome to Dillaville – A tribute to J Dilla!
• Nekromantix
• Drum‘n‘Bass 2000 Reloaded
• Audre Lorde und die Schwarze Frauenbewegung in Deutschland
• Being as an Ocean, The Elijah, Capsize
• Letlive
• electric island: DIAL w/ John Roberts, Lawrence
• doku: Nein Nein, das ist nicht der Feminismus
• doku: Keinen Cent für‘s NDC
• doku: Faust für Fortgeschrittene
• doku: Interview mit Thomas von Osten-Sacken
• doku: Das AZ verliert langsam die Geduld
• Anzeigen
• das letzte: Wir alle sind Opfer
• Kleinanzeigen
Derzeit wird in Leipzig ein Flugblatt „Keinen Cent für‘s NDC“ verbreitet (https://linksunten.indymedia.org/de/node/89383). Erst springt der Deppenapostroph ins Auge und dann ein Bild: eine Faust, die einen Bundesadler durchschlägt. Mit diesem Bild sieht das Flugblatt radikal aus, die Verfasser wollen es aber nicht sein. Denn sie bezeichnen sich als „linke Gruppen“ und propagieren die Kritik des Extremismusbegriffs.
Die Kritik des Extremismusbegriffs leidet an ihrem Grund: der finanziellen Abhängigkeit ihrer Erfinder vom Staat. Projekte, die vom Staat finanziert, aber von diesem des Linksextremismus verdächtigt werden, wissen sich nicht anders zu helfen, als die Extremismustheorie infrage zu stellen. Es wäre einfacher, dem Staat Bescheid zu geben: „Wir sind nicht linksextremistisch!“ Aber man will der Radikalen Linken, mit der man Kontakte pflegt, nicht in den Rücken fallen und macht es um so schlimmer. „Extremismus? Den gibt es doch gar nicht!“ Die Herrschenden bekämpfen den Linksextremismus. Und die Linke? Sie schweigt ihn tot. Das alte Lied: Die Revolution wird durch Reformisten verraten – diesmal allerdings nicht durch ehrenwerte Sozialreformer, sondern durch Sprachreformer!
Der Revolutionär kann mit der Extremismustheorie leben. Der bürgerliche Staat hat das Gewaltmonopol, er beruht auf Gewalt. Im Parlament sitzt, wer das Gewaltmonopol des Staates nicht infrage stellt, seit der Paulskirchenversammlung links die Linken, rechts die Rechten, dazwischen die Mitte – heute über allen der Bundesadler thronend. Im Abseits dieser Ordnung steht, wer das Gewaltmonopol infrage stellt.
Was wollen die Kritiker des Extremismusbegriffs, jene „linken Gruppen“? Wie die Pistolen von Kindern nur Spielpistolen sind und Kinder ihre besten Freunde nur zum Spaß erschießen, ist die Faust nur eine Spielfaust. Die Verfasser des Flugblattes wollen in den Diskurs intervenieren und sich in der herrschenden Ordnung links einordnen. Dort aber ist es eng geworden; also muss anderen Linken der Vorwurf gemacht werden, nicht mehr links bzw. vom linken Platz abgerückt zu sein! Im Flugblatt wird die Mär vom unbefleckten Urzustand des NDC erzählt und dem heutigen NDC vorgeworfen, diesen glücklichen Urzustand verlassen und sich dem Staat angedient zu haben. Wahrscheinlich entstammt diese Mär der Fantasie altgedienter Antifas, die das NDC mitgegründet haben und ihre Vergangenheit nunmehr vor sich und den „linken Gruppen“ verklären müssen. Wer jedoch in der Geschichte des NDC herumgoogelt, wird herausfinden, dass an dessen Gründung unter anderem der heutige Vorsitzende der sächsischen SPD und verschiedene Gewerkschaftsfunktionäre beteiligt waren. Hätten seine Vertreter durchgeschlagene Bundesadler an die Tafel gemalt, wäre das NDC nicht in die Schulen gekommen, um gegen Nazismus und Rassismus aufzuklären. Dieses Interesse können „linke Gruppen“ nicht als Interesse des Staates wahrhaben wollen – sonst wüssten sie, die von der Expropriation der Expropriateure nichts wissen wollen, gar nicht mehr, was sie vom Staat unterscheidet. Also werfen sie dem Staat vor, alles andere als antirassistisch zu sein, und dem NDC, mit dem Staat zu kollaborieren: „Diese Fraktion der Zivilgesellschaft führt keine politischen Auseinandersetzungen gegen rassistische Zustände, sondern besorgt äußerst engagiert ein staatliches Geschäft.“ Wir wollen uns hier nicht gegen die sprachlichen Zustände auseinandersetzen, sondern mit dem Inhalt des Flugblattes. Der Inhalt des zitierten Satzes ist wenigstens zur Hälfte richtig. Das NDC besorgt ein staatliches Geschäft. Jedoch besteht das Geschäft gerade darin, die teils zurückgebliebene Bevölkerung in die Verhältnisse in einem vereinten Europa und einer globalisierten Welt einzugewöhnen. Insofern ist das NDC dem Staat in den Schoß gefallen. Denn was wäre besser, als Teenagern, die ihrem Elternhaus entrinnen wollen und neue Autoritäten suchen, hippe Mittzwanziger vor die Nase zu setzen, die gerade in der Universität, durch das Erasmusprogramm und auf Festivals erfahren dürfen, wie nett die große weite Welt sein kann?
Der Staat braucht zur Durchsetzung seiner Interessen die Zivilgesellschaft und finanziert sie, aber natürlich nicht seine Feinde: „In die Hand, die einen füttert, beißt man nicht!“ Mehr noch: „Geb ich dir, gibst du mir!“ Diese Binsenweisheit haben die „linken Gruppen“ begriffen, sofern sie die staatliche Unterstützung despektierlich als „Gängelband“ bezeichnen. Aber wer von diesem frei ist, kann sich doch gut und gerne „linksradikal“ nennen? Nein, meinen die „linken Gruppen“. Die „Linksextremen“ würden mit den „Rechtsextremen“ durch das Suffixoid „extrem“ gleichgesetzt. Links- und Rechtsabbiegern, so möchte man hinzufügen, wird doch auch unterstellt, sie strebten in die gleiche Richtung. FdGO und StVO – klingt nicht nur ähnlich, sondern macht beides keinen Unterschied zwischen links und rechts! Spaß beiseite. Es gibt Extreme aller politischen Couleur. Die Nazis und Islamisten wollen etwas Schlechteres anstelle des bürgerlichen Staates setzen, wir etwas Besseres. Das ist nicht schwer zu begreifen.
Da jedoch in den „linken Gruppen“ das Gift des Arrangements wirkt, reden sie wirr – von einem Staat, der diejenigen, die ihn abzuschaffen gedenken, nicht als Extremisten bezeichnen dürfe. Gleichwohl besteht Hoffnung auf Heilung, wiewohl nicht ohne Risiko. Die Mitglieder der „linken Gruppen“ mögen sich die Faust auf ihrem Flugblatt, die den Bundesadler zerschlägt, genau anschauen – und erkennen: Nicht alles ist Diskurs, es gibt Extremismus! Wird ihnen übel bei dieser Erkenntnis, so sollen sie ihr Schicksal als Linke annehmen, bereitet ihnen hingegen die Vorstellung von der Zerstörung des Staates Lust, so sind sie gesund und herzlich willkommen in der Radikalen Linken. Letztere verstehen sich in einer Hinsicht gar nicht so schlecht mit dem Staat: „Guten Abend Herr Staat, Sie nennen mich Extremist? Stimmt, ich will Sie abschaffen!“
Anarchokommunistische Assoziation
Leipzig & Dresden, Juni 2013
* Anmerkung zur Verwendung des grammatikalischen Genus: Sehr geehrte Damen und Herren (und Sie dazwischen und darüber hinweg), mit dem maskulinen Genus meinen wir, wie üblich, die ganze menschliche Gattung. So wenig wir diese immerzu in Geschlechter unterteilen wollen, so wenig wollen wir irgendwen ausschließen. Fühlen Sie sich also nicht diskriminiert, wenn Ihr ganz persönliches Geschlecht hier nicht eigens angesprochen wird! Wir wissen, dass sich die heutige Jugend in den westlichen Metropolen ohne Unterlass und mitteilsam (in gender-studies, auf Queerpartys, in Streitgesprächen am WG-Küchentisch, durch die bedeutsamen Symbole /, I, _ und * ) mit dem Geschlechtlichen beschäftigt. Hier aber, in diesem Text, wollen wir davon mal ablenken. Indes sei Ihnen versichert, dass wir uns mit Ihnen auf die Forderung einigen können, wonach alle Geschlechter, wirklich alle, dereinst die Aufmerksamkeit bekommen mögen, die sie verdienen.
** Anmerkung zum Umgang mit der Extremismusklausel: Sehr geehrte Revolutionäre, wenn ihr keine Chance auf Arbeit außerhalb des Staatssektors habt und euch Geldsorgen plagen, dann unterschreibt den Wisch. In der Not frisst der Teufel Fliegen.