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Namhafte Projekte der Zivilgesellschaft haben sich von antifaschistischer und antirassistischer Politik verabschiedet und sich im Tausch gegen Geld dem staatlichen Kampf gegen „Extremismus“ angeschlossen. Jetzt wird das Geld knapp – und das Netzwerk für Demokratie und Courage, das keinen Kompromiss je ausgelassen hat, startet ausgerechnet in linken Zusammenhängen eine Charme-Offensive.
Das „Netzwerk für Demokratie und Courage“ (NDC) ist seit 1999 eine feste Größe der Zivilgesellschaft. Was sich selbst „Demokratieprojekt“ nennt, ist in jeder Hinsicht ein Staatsprojekt geworden und als solches von Fördermitteln abhängig. Zunächst flossen in das NDC Mittel der sogenannten außerschulischen Jugendbildung, beantragt durch den DGB. Dadurch wurden – richtigerweise – erhebliche Risiken in Kauf genommen, unter anderem ein juristischer Streit mit dem Freistaat, ob die Fördermittel „richtig“ eingesetzt werden.
Das NDC, eine Geschichte ohne Missverständnisse
Die politische Streitlust ist schnell vergangen. Zur Finanzierung sind seit 2001 die EU, der Bund und der Freistaat Sachsen eingesprungen. Damals profitierte das NDC vom „Aufstand der Anständigen“, der von Kanzler Gerhard Schröder ausgerufen wurde. Diese Liaison mit der SPD hält bis heute an, obwohl auch sie nichts daran ändert, dass unterm Strich immer weniger Mittel ausgereicht werden.
Schon damals war klar, dass zivilgesellschaftliche Initiativen in Sachsen nur existieren können, wenn sie sich an einer ganz kurzen Leine halten lassen – und auch keine Ambitionen entwickeln, das zu ändern. Für einige Projekte, die nicht ans Gängelband wollten, war damit schon früh das Ende gekommen.
Mit dem Jahr 2004 endete auch der erste große Förderzeitraum für das NDC und schon damals wurde um dessen Fortbestehen gekämpft. Und wie! Um sich dem Staat weiter anzudienen, wurde der ehemals antirassistische Ansatz des Projekts in eine Art Qualifizierungsmaßnahme für Auszubildende umgemodelt. So wurde aus ehemals kritischer Bildungsarbeit eine affirmative Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt.
Vorauseilender Gehorsam zum Wohle der FdGO
Das NDC war darüber hinaus bereit, weitere Kompromisse einzugehen, die sich als folgenreich erweisen würden. Das geschah beispielsweise 2010, als die „Extremismusklausel“ eingeführt wurde. Künftig sollten sich Vereine und Initiativen per Unterschrift zur „Freiheitlich demokratischen Grundordnung“ (FdGO) bekennen und umgekehrt garantieren, dass sich keinesfalls vermeintliche (Links-) „Extremisten“ unter ihren MitarbeiterInnen befinden.
Während einige wenige Projekte dies konsequent verweigerten, war das Unterzeichnen des auch als „Demokratieerklärung“ bekannten Treueschwurs gegenüber dem Staat für ein „Demokratieprojekt“ wie das NDC natürlich kein Problem. Die Klausel wurde sogar in vorauseilendem Gehorsam an ehrenamtliche MitarbeiterInnen und ReferentInnen weitergereicht. So weit waren selbst wenig progressive Einrichtungen wie die Landeskirche Sachsen nicht mehr gegangen.
Das NDC aber protestierte nicht, das Unterschreiben der Klausel bekräftigte zugleich die völlige Abhängigkeit vom staatlichen Wohlgefallen. Erfolgreich war das NDC damit nicht wirklich: Zuerst strich das Sächsische Wirtschaftsministerium und zuletzt das vom Innenministerium betreute Programm „Weltoffenes Sachsen“ die Mittel drastisch zusammen. Seit Herbst 2012 schlägt das NDC Alarm und warnt seit Anfang 2013 vor der anstehenden Schließung des Leipziger Büros.
Wenn schon Staatsprojekt, dann aber richtig
In einer Flut von Pressemitteilungen und Rundschreiben weist das NDC bar jeder Selbstkritik auf die Unverzichtbarkeit der eigenen Arbeit und seine mal ehrenamtlichen, mal gut dotierten Leistungen für Demokratie – das bedeutet in Sachsen: gegen „Extremismus“ – hin.
Faktisch hatten sich mit der Einführung der „Extremismusklausel“ schon jene Personen aus dem NDC verabschiedet, die sich bei der Auseinandersetzung mit menschenfeindlichen und rassistischen Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft eine kritische Distanz zur Herrschaft dieser „Mitte“ bewahren wollten. Seitens des NDC gab es kein Bedauern, im Gegenteil: Was mit der Klausel bezweckt werden sollte, hatte das Projekt schon aus eigenem Antrieb besorgt.
Auf Betteltour durch die Szene
Nachdem das NDC alles Erdenkliche getan hat, um sich von linker Politik, antifaschistischen Zusammenhängen, antirassistischen Projekten und gesellschaftskritischen Positionen abzusetzen, steht die heile Welt der ZivilgesellschafterInnen Kopf, seitdem der Staat sie nicht mehr mit geldwerten Vorteilen besticht. Aktuell werden deshalb in großem Stil Spenden eingetrieben – und zwar ausgerechnet in linken Locations, bei antifaschistischen Initiativen und antirassistischen Projekten.
Es gibt Anfragen an Festivals, für das NDC werden „Solipartys“ ausgerichtet und Spendenbüchsen ausgeschüttet. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glatt meinen, hier sei eine Drückerkolonne unterwegs. Tatsächlich stehen dahinter die ehrenamtlichen TeamerInnen des NDC.
Fakt ist: Jeder Euro, der an das NDC fließt, unterstützt ein staatstragendes Projekt. Jeder Euro, der an das NDC gespendet wird, kann nicht (um nur ein Beispiel zu nennen) in die Unterstützung der Proteste von Asylsuchenden fließen, die vielerorts massiver Repression ausgesetzt sind. Läden wie das einst als linkes Projekt gestartete „Atari“ spielen dabei völlig unkritisch mit.
Sollte sich das NDC daran gesundstoßen können, wird es keinen Moment zögern, solche Locations gleich wieder zu verraten – und ihnen eine „Extremismusklausel“ zur Unterschrift vorzulegen. Damit wird zur Repression gegen linke Politik beigetragen. Auch, weil Gelder für Antirepressions-Arbeit, die etwa (um ein weiteres Beispiel zu nennen) der Ermittlungsausschuss gut gebrauchen könnte, schon dem NDC gespendet wurden.
Es scheint hier auch eine gehörige Portion Naivität im Spiel zu sein: Das wichtigste Drohmittel des NDC ist die Schließung des Leipziger Büros. Das hätte längst passieren sollen – ist es aber nicht. Wahrscheinlich wird das auch nicht passieren: Zum Projekterhalt sind Gelder durch SPD-Bundestagsabgeordnete zugesagt worden. Das staatstragende NDC ist längst unter einem staatlichen Rettungsschirm. In den alarmierenden Pressemitteilungen wird das natürlich nicht erwähnt.
Zurück an den Katzentisch der Regierung
Seitdem von einer „Zivilgesellschaft“ gesprochen wird, seit bald anderthalb Jahrzehnten also, ist sie Gegenstand berechtigter Kritik. Längst ist der Fall eingetreten, vor dem seit Anbeginn gewarnt wurde: nicht nur eine schrittweise Vereinnahmung durch den Staat, sondern ein bewusstes Bündnis.
Es ist richtig, dass ein Teil der Zivilgesellschaft respektable Arbeit leistet, wenn es etwa darum geht, Opfer rechter Gewalt zu unterstützen. Das ändert aber nichts daran, dass ein gewichtiger Teil dieser Zivilgesellschaft nicht mehr ist als ein Sammelsurium an behördlich finanzierten und obrigkeitsstaatlich beaufsichtigten Vorfeldorganisationen. Sie nehmen wie selbstverständlich am Tisch irgendeines „kriminalpräventiven Rates“ Platz. Sie entfernen sich – siehe NDC – von den Ansprüchen linker Politik. Oder sie stellen sich – wie das „Kulturbüro“ – dem Landesamt für Verfassungsschutz als ReferentInnen zur Verfügung.
Diese Fraktion der Zivilgesellschaft führt keine politischen Auseinandersetzungen gegen rassistische Zustände, sondern besorgt äußerst engagiert ein staatliches Geschäft. Passend zum Wagner-Jahr heißt das Motto auch in diesem Fall: „Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun.“
Dieser gefährliche Unsinn verdient entschiedene Kritik – und sonst gar nichts!
Für das Politische!
Kommuniqué einiger linker Gruppen aus Leipzig • Juni 2013